Telefon Teil41
Als Jeremy und Callum wieder vor Alexanders Haus ankamen, erschien der ein wenig überrascht an der Tür, weil er wesentlich später mit ihnen gerechnet hatte. Jem erklärte nur kurz, dass sie es sich anders überlegt hätten, weil alles ein bisschen viel auf einmal sei, was seinem Vater völlig logisch schien. Er schlug vor, dass sich die beiden bis zum Tee ausruhen sollten und danach würden sie die Verteidigungsstrategie gemeinsam durchgehen. Das hielt auch Jem für das Beste, allerdings wollte er noch seine Nachrichten checken. „Leg dich etwas hin, ich gehe 'ne kleine Runde mit Buster, dann komme ich zu dir", schlug er Callum vor, der nur zu gern darauf einging. Oben in Jems Zimmer brauchte er kaum auf dem Bett zu liegen, da schlief er auch schon. Jem deckte ihm eine Decke über, dann schnappte er sich Busters Leine, den Hund und sein Handy und machte sich auf in den Park gegenüber. Dort konnte er Buster laufen lassen, während er auf einer Bank seine Nachrichten ansah. Roger hatte sich gemeldet. Oh! Jeremy hielt vor Aufregung den Atem an. Der würde sich nicht melden, wenn es nichts Neues gäbe und dann war da auch noch ein eingegangener Anruf der Polizei. Wahrscheinlich hatten sie im Wagen und auf dem Land keinen Empfang gehabt. Bestimmt meldeten die sich wegen Callums Test-Ergebnissen. Es konnte nur das sein. Jem überlegte kurz, ob er dort direkt zurückrufen sollte, doch dann hielt er sich zurück. Sie würden ihm wahrscheinlich nicht mal Auskunft geben. Callum müsste selbst zurückrufen. Also öffnete er die Whattsapp von Roger. MELDE DICH. Hab gefunden, wen du suchst. Roderick Robinson mit Adresse in Stratford, Avon. Hat in den letzten Jahren dreimal angefragt, ob sein Bruder Callum noch immer vermisst wird oder ob die Polizei etwas weiß. Sieht aus, als wäre das ein Volltreffer :) Jeremy starrte auf das Display. In der Tat schien das ein Volltreffer zu sein. Callums Bruder suchte nach ihm und ganz sicher wäre er dann froh, ihn zu finden. Es könnte gar nicht anders sein. Wenn dieser Rory seinen Bruder je geliebt hatte, dann wäre er überglücklich ihn wiederzufinden. Genau genommen würde er nun gefunden werden, aber was machte dieser kleine Unterschied. Jem strahlte und atmete erleichtert auf. Cal müsste das erfahren. So schnell wie möglich. Da gab es doch jemanden in seiner Familie, der ihn mit offenen Armen empfangen würde. Es müsste so sein. Und wenn es nicht so wäre? Nein, das war nicht möglich. Aber sicherlich sollte Jem Cal auf das Wiedersehen mit Rory vorbereiten. Nur wie? Er beschloss, sobald wie möglich darüber nachzudenken. Jetzt wäre es wichtiger, zu erfahren, ob Callum gesund war oder nicht. Jem tippte eine Antwort für Roger, in der er sich bedankte, dann rief er Buster zu sich und machte sich auf den Rückweg. Er wollte die Ungewissheit über Callums Gesundheitszustand so schnell wie möglich hinter sich lassen. Zurück im Haus, ließ er Buster in die Küche, wo sein Vater bereits den Tee zubereitete.
„Du bist schnell zurück?", bemerkte Alexander.
„Ja, es gibt Neuigkeiten für Callum. Ich muss zu ihm."
„Hoffentlich nur gute."
„Das hoffe ich auch, Dad." Jem wollte zuversichtlich klingen, was wohl auch gelang, denn sein Vater wirkte kein wenig beunruhigt, als er fragte, ob sie Kuchen oder Sandwiches wollten. Jem plädierte für Kuchen, dann ging er die Treppe zu seinem Zimmer hinauf. Drinnen schlief Callum noch immer fest und wie es aussah, ruhig. Er lag auf dem Bauch, nur die rabenschwarzen Locken schauten unter der Decke hervor und bewegten sich da, wo sein Atem ging. Jem setzte sich zu ihm auf die Bettkannte und beschloss, dass er nicht länger warten konnte. Mit einem einfachen Telefonanruf könnten sie endlich wissen, wie es um ihn stand. Er wühlte sich sanft mit der Hand einen Weg durch das dichte Haar zu Callums Wange, um sie zu streicheln. „Schscht, hey, wach auf", flüsterte er ihm ins Ohr.
Callum blinzelte und schien von weit her zu kommen. „Mmmmhh, was ist los?", brummte er etwas desorientiert.
„Da war ein Anruf für dich, wahrscheinlich deine Testergebnisse", erklärte Jem ohne Umschweife. Mit einem Mal schien der Jüngere hellwach. „Gib her", bat er sofort und langte nach dem Handy.
„Hier. Soll ich rausgehen?" Jem war nicht sicher, ob das seine eigene Aufregung war oder Rücksicht auf Callum. Beides womöglich. Ohne zu antworten setzte Callum sich auf und griff nach Jeremys Hand, die er jetzt fest umklammerte. Seine Lippen formten ein wortloses „bleib", während er schon die Rückwahltaste gedrückt hatte und auf die Verbindung wartete. Jem spürte, wie sich sein Atem nun beschleunigte, wie sein Puls sich veränderte, dann nahm jemand ab. Er spürte, wie Callums Hand zitterte, ebenso seine Stimme, ein wenig zumindest, genug, sodass er es wahrnahm.
„Hallo? Hier ist Callum Robinson. Sie haben versucht, mich zu erreichen? ... Ja, das ist die Nummer von meinem Freund... Bitte, ja." Cals Lippen formten das Wort"Test" und er nickte. Jem hatte also richtig gelegen, es ging natürlich um die Testergebnisse. Oh... Er begann, mit dem Daumen über Cals Handrücken zu streichen, während der gebannt zuhörte. „Ahemmm, ... ja, ... Was ist mit HIV?... mmmmh." Ein Lächeln huschte über Cals Gesicht. Das war gut. Oder? Er horchte wieder gebannt. „Aha, ja... was heißt das? ...Müde, ja, ziemlich schlimm..." Jetzt veränderte sich sein Atem, er war aufgeregt, aber wieso? „Die sollen dich nicht auf die Folter spannen", maulte Jem und meinte eigentlich, dass er gerade auf der Folter war. Callum nickte und lächelte. Oh, das war gut! „Ja, danke, ... ja, das mache ich. Danke, Ihnen auch einen schönen Tag noch."
„Waaas ist jetzt?", brach es aus Jeremy heraus. In dem Moment sah er, dass der Junge Tränen in den Augen hatte. „Shit, Cupid, was ist?" Callum sah ihn an, da fiel Jem auf, dass es Tränen der Erleichterung und der Freude waren. Cal atmete aufgeregt, aber er strahlte. „Nichts! Ich meine, fast nichts, also kein fucking HIV!"
„Wooohooo!", entfuhr es Jem vor lauter Begeisterung. Das war zu schön um wahr zu sein! Er wuschelte durch Callums Haar und musste ihn einfach küssen, wobei sie sich erstmal die Nase stießen, so unkoordiniert, wie das jetzt war. Callum lachte noch immer völlig erleichtert. Beim zweiten Versuch klappte der Kuss und Jem zog Cal dicht an sich, um ihn zu halten. Er konnte spüren, wie ihre Herzen rasten. Dann fiel ihm halb erschrocken ein, dass da noch was war und er mehr Informationen wollte. „Du sagst, fast nichts", begann er.
Cal schaute ihm in die Augen und nickte. „Nichts Schlimmes, sagen sie. Irgendeine Leberentzündung, deshalb bin ich so müde. Das kommt häufig vor, geht aber auch wieder weg."
„Geht wieder weg?" wiederholte Jeremy aufgeregt und wollte es nochmal hören.
„Ja", bestätigte Cal und begriff jetzt selbst erst, was das bedeutete. „Geht wieder weg!", rief er aus und lachte auf, während er sich erneut in Jems Arme warf. Jem hielt ihn so fest, wie er nur konnte. Es musste ein Glückstag zu sein, ein absoluter Glückstag.
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