Mrs. Pennygrin Teil58
Rory fand den Plan nicht weniger gut, als Jem und Cal ihm beim Frühstück davon berichteten und er schlug gleich vor, sowohl bei der Jobsuche als auch bei der Schulsuche mitzuhelfen, am besten noch am gleichen Tag, sobald sie in London angekommen wären. Bei so viel Enthusiasmus auf allen Seiten dauerte es dann auch nicht lange und sie hatten ihren Kram in Jems Wagen verstaut, den Hund ausgeführt und fuhren zurück in die Hauptstadt. Jem saß am Steuer, Callum studierte Alexanders Liste und Rory, auf dem Rücksitz mit Buster, telefonierte mit ein paar Leuten in der Stadt, wie er es nannte. Sie könnten möglicherweise von einem Job für seinen Bruder wissen.
„Kannst du dir vorstellen, dass du Platzanweiser am Theater machst?", fragte er das eine Mal.
Cal wusste nicht genau. „Was ist'n das?"
„Du schaust nach den Karten und zeigst den Leuten, wo sie sitzen."
„Ja klar, krieg ich hin."
Hieße das dann, dass Cal sich dort vorstellen müsste? Ja, sicher und Rory verabredete auch gleich einen Termin, bei dem er, wie er sagte, mit seinem Bruder vorbei käme. Dann telefonierte er weiter.
„Sag mal, was ist mit 'ner Bar? Könntest du an der Bar arbeiten?"
Jem wurde aufmerksam. „An einer Bar im Theater?"
„Ja sicher. Hauptsächlich Sekt und Wasser. Keine Cocktails oder harten Drinks."
„Keine Ahnung", gab Callum zu, „glaubst du, die würden mich was machen lassen, wo ich Geld kassieren muss?"
„Du meinst wegen der Anklage? Das müssen die gar nicht wissen." Rory ließ sich nicht beirren.
„Na gut, dann schon."
Am Ende der Autofahrt hatte Rory sogar noch zwei weitere Möglichkeiten klar gemacht, wo Callum vielleicht arbeiten könnte.
„Wusste nicht, dass es am Theater so viel zu tun gibt", fand er.
„In einer Stadt wie London schon. Da gibt's genug Jobs für Studenten oder als Aushilfe. Es wird ja auch immer mal jemand krank."
„Ein Job mit etwas längerer Perspektive wäre schon cooler", mischte sich Jem dazwischen.
„Ja sicher, aber bis zur Verhandlung zählt ja wohl hauptsächlich, dass er einen Job vorweisen kann."
„Hauptsache, ich muss nicht in den Knast."
„Das musst du nicht, mein Dad kriegt das hin", versprach Jem und nahm sich vor, ihn anzurufen, sobald sie in seiner Wohnung waren. Alexander müsste inzwischen auch in der Stadt sein und er wüsste womöglich etwas über die Schulen in London. Immerhin hatte er genug Freunde und Bekannte, die ihre Kinder ja irgendwo hinschicken müssten.
In Camden angekommen, fiel Jem ein, dass er noch einkaufen gehen müsste, wenn er und Callum jetzt einen Gast hatten. Er schlug vor, dass er das allein erledigen würde, während die Brüder schon mal ins Haus gingen. Also ließ er sie direkt davor mit Gepäck und Hund aussteigen und fuhr den Wagen in die Garage. Callum und Rory schnappten sich die Teile und Buster und gingen hinein. Im Treppenhaus wurde Buster seltsam unruhig, was sonst gar nicht seine Art war, aber irgendwas musste völlig anders sein als sonst. „Komm, Buz, jetzt trödel nicht so", rief Cal dem Hund auf der Treppe zu, als er merkte, was es war. Der Labradoodle hatte im Erdgeschoss angehalten und saß auf der Matte vor der Tür von Mrs. Pennygrin. Die Nachbarin von Jem, Busters Frauchen, musste zurück sein. „Was macht er da?", fragte Rory.
„Er weiß, dass seine Besitzerin zurück ist."
„Oh."
Callum entschied, erst Rory in Jems Wohnung zu lassen und dort das Gepäck abzustellen, dann ging er zu Buster, der inzwischen an der Tür scharrte. „Ist 'n bisschen taub, die Lady, was?"
Buster schaute beinahe, als würde er verstehen. Callum klingelte. Buster begann aufgeregt zu winseln. Der Bengel klingelte nochmal, dann endlich öffnete sich die Tür und die ältere Dame schaute ihn überrascht an. Dann bemerkte sie Buster auf der Matte, der sie jetzt freudig begrüßte.
„Ja, Buster, mein Guter! Was machst du denn hier? Wo ist denn Jeremy?" Sie strich dem Hund ein paarmal über das Fell und die Ohren. Dann wandte sie sich fragend an Callum.
„Wer bist denn du?" Sie klang halb irritiert, halb fordernd.
Cal hatte noch immer einen viel zu guten Instinkt für Leute und was er von ihnen zu erwarten hatte und der Ton, in dem sie ihn fragte, passte ihm gar nicht.
„Hi, ich bin Callum, der Freund von Jeremy. Wir waren unterwegs und hatten Buster mitgenommen." Das war unter den gegebenen Umständen so umgänglich, wie Cal es hin bekam.
„Was soll das heißen, mitgenommen? Wohin? Und wo ist Jeremy? Ich habe meinen Hund ihm anvertraut."
War das etwa ein Vorwurf? „Er kommt gleich. Ist nur kurz einkaufen. Ihr Hund ist nett." Netter als du, du seltsame, alte Schachtel.
„Kenne ich dich?"
Ich hab's doch gerade erklärt! „Nein, ich bin neu hier. Callum. Ich bin Jeremys Freund."
Sie schaute jetzt noch irritierter als sowieso schon.
„Buz, komm her, wir gehen hoch!" Callum hatte genug von ihr.
„Was soll das, das ist mein Hund!?"
„Aber nur, wenn's gerade passt, oder?" Callum zog kritisch eine Augenbraue hoch.
Irgendwie schien Mrs. Pennygrin jetzt zu verstehen, dass da gerade etwas völlig aus dem Ruder lief. „Junger Mann, ich muss mich von dir nicht kritisieren lassen! Was hast du hier im Haus verloren? Und mit meinem Hund?"
Buster hatte inzwischen auf Callums Ruf reagiert, kam aus der Wohnung seines Frauchens zurück zu ihm und schaute ihn erwartungsfroh an.
„Zum letzten Mal. Ich bin Jems Freund und dein Hund da, hat sich gerade entschieden, würde ich sagen."
„Was fällt dir ein, so mit mir zu sprechen?"
„Okay, mir reicht's, komm Buster." Callum wandte sich zum Gehen, als bei der alten Nachbarin der Groschen fiel.
„Ich habe dich noch nie hier gesehen! Bist du ein Schwuli?"
„Das geht dich gar nichts an!"
„Wie redest du mit mir?!"
„Wie redest du mit mir, du blöde alte Kuh!" Callum war jetzt über die hundertachtzig.
„Ich rede, wie es mir passt. Und das ist mein Hund und ich lasse ihn nicht bei irgendwelchen Homos!"
„Dann hol ihn dir doch, wenn du dich traust! Kann doch sein, wir haben ihn angesteckt, so lange wie er bei uns war!"
Oben öffnete sich jetzt die Tür und Rory kam ins Treppenhaus. „Cal, was ist da los?"
„Die Alte hier tickt nicht richtig!"
Mrs. Pennygrin rang inzwischen nach Luft. „Mit sowas kommst du mir nicht davon", schnappte sie.
„Callum, komm rauf, lass sie!"
„Wie viele von euch sind jetzt da oben?", begann sie nun.
Rory wurde neugierig. „Wie viele wovon? Was ist hier los?"
Callum schnappte sich jetzt Buster und nahm ihn auf den Arm. „Was meinst du überhaupt? Hä?"
Rory bekam den Eindruck, dass er etwas tun musste. Also kam er die Treppe hinunter hinzu und nahm Callum am Arm. „Komm rauf, was immer es ist, das ist es nicht wert!" Er hatte noch immer keine Ahnung, aber ein Streit im Treppenhaus war nicht gerade das, was es jetzt brauchte.
„Hast du gehört, was die gesagt hat?", regte sich Callum auf.
„Ist sie Busters Besitzerin?"
„Hält sich jedenfalls dafür."
„Komm hoch. Entschuldigen Sie, Ma'am."
„Was soll das? Mir tut's kein bisschen leid!"
„Du kommst jetzt!"
„Bist du auch ein Homo?"
„Was?"
Buster kläffte, sprang vom Arm und lief nach oben in Jems Wohnung.
„Fuck!"
„Ihr Perversen hört noch von mir. Und Jeremy kann sich auf etwas gefasst machen! Das ist Entführung!" Sie schlug die Tür zu.
„Na toll." Rory rollte mit den Augen.
„Was?"
„Nichts, komm vom Flur. Es... reicht."
„Hast du gehört, was die gesagt hat?"
„Kann ich mir jetzt denken. Komm, lass die Alte."
Callum rang jetzt um Fassung und sah ein, dass es keinen Sinn machte, wütend auf der Treppe zu bleiben. Also ließ er sich von Rory noch oben führen.
„Glaubst du, die ruft die Polizei?", fiel ihm dann ein. Fuck!
Rory schloss hinter ihnen die Tür. „Ich hoffe nicht."
„Das ist doch keine Entführung, wenn die ihren Hund so lange wem anders überlässt, bis der lieber woanders bleibt?!"
„Nein, das ist nur dumme Rederei. Das ist nur eine dumme, alte Frau."
Mit einem Mal sah es aus, als wäre Callum den Tränen nahe.
„Komm, beruhig dich. Die ist dumm, weiter nichts." Er nahm den Kleinen in den Arm. Wie es aussah, konnte er wirklich einen großen Bruder brauchen.
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