Lösung Teil83

Als das Frühstück beendet war, rief Jem vom Schlafzimmer aus bei Alexander an, um ihm die neusten Ereignisse zu schildern. Alexander schien nicht allzu sehr überrascht von dem, was Johnson getan hatte oder den Konsequenzen.

„Callum hat das schon während des Prozesses bemerkt, oder?" Es war eigentlich mehr eine Feststellung, als eine Frage. „Der Bengel sollte für die Staatsanwaltschaft arbeiten und nicht Eis verkaufen."

„Das sag ihm nicht, denn er tut's echt gern." Jem grinste. Irgendwie gefiel ihm die Vorstellung, dass sein Dad auch den Eindruck hatte, dass Callum richtig klug war.

„Und wie geht's dem Johnson- Jungen, Sullivan?"

„Ich denke, er ist nur tapfer. Im Grunde ist ihm bestimmt ganz elend. Seine Mum hat sich gegen ihn gestellt und gibt ihm mit die Schuld an allem."

„Das ist traurig. Wie geht's Callum?"

„Ich glaube, ihm und auch Rory geht das echt nah."

„Verstehe. Ich sorge dafür, dass meine Assistentin weiß, was heute zu tun ist, dann komme ich zu euch. Versucht, wenn es geht, herauszufinden, ob er eine Anzeige machen will."

„Ist gut, Dad."

„Bis später."

„Bis gleich."

Als Jem zurück zu den anderen in die Küche kam, hatten die inzwischen abgeräumt, aufgewaschen und redeten darüber, was wohl das Beste für Sullivan sei.

„Mein Dad kommt gleich, der weiß sicher Rat."

„Ich will auf keinen Fall zurück zu Mum", stellte Sullivan trotzig fest.

„Vielleicht solltest du sie anrufen und ihr das sagen", fand Callum.

„Warum soll er das tun? Sie hat ihn doch rausgeworfen", bemerkte Rory.

„Eben, die kann mich mal."

Jem fiel jetzt einfach mit der Tür ins Haus. „Was ist dann mit der Polizei? Willst du deinen Dad anzeigen?"

Sullivan erschrak, als Jem das Wort Anzeige in den Mund nahm. „Ich... wenn ich das könnte, hätte ich das spätestens gestern gemacht. Ich wollte das nicht machen, weil er ja mein Dad ist und meine Mum mir das nicht verzeihen würde."

„Wie es aussieht, verzeiht sie dir so oder so nicht", stellte Cal fest.

„Stimmt. Ich komme mir so... dämlich vor." Sullivan sah jetzt aus, als würde er gleich weinen. Aber die Erkenntnis, dass seine eigene Mutter nicht auf seiner Seite war, schmerzte natürlich und jetzt saß er hier bei im Grunde fremden Leuten, die sich überlegten, wie man ihm helfen könnte.

„Ich kapier nicht, wie irgendwer so ticken kann", begann Callum, doch ein Blick von Jem ließ ihn abbrechen. Der Blonde hatte Recht. Weder Sullivans Selbstvorwürfe noch Vorwürfe an die Mutter oder den Vater brachten sie jetzt weiter. „Okay, okay", gab er also nach. „Was machen wir? Gibt's 'ne Idee?"

„Ich finde, er sollte bei seiner Schule anrufen", lautete Rorys Vorschlag. „Du kannst dich zumindest erstmal krankmelden. Deine Mum macht das bestimmt nicht und vielleicht kannst du da trotzdem weiter hingehen."

Sullivan schaute jetzt etwas weniger verzagt. Das war zumindest ein sinnvoller Vorschlag. „Gut, das mach ich", sagte er. Dann reichte Jem ihm sein Smartphone und der Junge telefonierte. Die anderen drei überlegten inzwischen weiter.

Kurze Zeit später kam Alexander, zum Glück ohne die Anwaltsperücke vom vorigen Tag. Jem ließ ihn ein und war echt froh, seinen Dad so schnell zu sehen. Er musste ihn direkt umarmen. „Euch Jungs kann man auch keine Nacht allein lassen", bemerkte Alexander ironisch, was für Jem bereits ein gutes Zeichen war. Er kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er so einen Spruch nicht machen würde, wenn er die Situation nicht überblicken konnte. Cal kam zu ihnen, um Alexander ebenfalls zur Begrüßung zu umarmen.

„Hi Jems Dad. Sorry, aber ich hab uns noch was eingebrockt."

„Hi Cal. Wo ist denn dein Flüchtling?"

„Bei Rory und Buster. In der Küche."

„Im Wohnzimmer ist Bettenlager", erklärte Jem. Alexander verdrehte die Augen. In der Küche sah er dann gleich, was los war.

„Hi Rory, Sullivan, wir kennen uns von gestern."

Sullivan nickte. „Ja." Mehr brachte er nicht heraus. Offenbar schüchterte ihn die Tatsache, das ausgerechnet der Mann ihm helfen sollte, der dafür gesorgt hatte, dass sein Dad hinter Gitter kam, etwas ein. Alexander lächelte ein wenig, um ihm die Angst zu nehmen.

„Tut mir leid, dass die Umstände so unerfreulich sind", sagte er und setzte sich mit den anderen an den Tisch, nur Jem machte erstmal Tee. Dann ließ sich der Anwalt alles nochmal schildern und fragte gelegentlich nach, wenn etwas unklar war. Auch machte er sich ein paar Notizen, so wie er das auch getan hatte, als er Callum zuhause in Cambridge quasi „verhört" hatte. Ebenso hörte er sich an, was den Jungs bereits durch den Kopf gegangen war. Sullivan könnte nicht zurück, nicht zu irgendwelchen Verwandten, Rory und Cal waren gegen das Jugendamt.

„Was möchtest du denn, Sullivan?", fragte Alexander schließlich.

Der Junge wusste darauf nicht wirklich eine Antwort. „Ich... weiß nicht. Ich weiß nur, dass ich da weg musste und jetzt bin ich hier."

„Also schön. Ich sehe das folgendermaßen: Um die Behörden kommen wir nicht vollständig drum herum. Du bist siebzehn und was du brauchst ist ein sicherer Platz, bei Menschen, die sich um dich kümmern und dir ermöglichen, dass du die Schule fertig machst. Das ist nicht hier bei Cal und Jem. Cal ist auf Bewährung und außerdem sind die beiden zu jung, um dich in Pflege zu nehmen. Letzteres gilt auch für Rory. Aber Rory ist selbst bei Pflegeeltern gewesen, die sich gut um ihn gekümmert haben. Ich finde, die sollten wir kontaktieren. Wenn die dich nehmen, dann ist das die beste Lösung. Wenn du erstmal da bist, muss das Jugendamt alles nur noch absegnen. Das kann man denen schon zutrauen."

Rory war nicht schlecht verblüfft. "Wieso bin ich da nicht selbst drauf gekommen?! Ich rufe die gleich mal an. Die freuen sich garantiert, wenn ich mich melde und ganz sicher werden die uns helfen."

"Wer sind die?", fragte Sullivan. 

"Die sind großartig. Mir ging's richtig schlecht damals, aber sie hat mit mir für den Schulabschluss gebüffelt und er hat mir 'ne Ausbildung besorgt. Ich war sechzehn. Bestimmt nehmen die dich auch mit siebzehn."

Sullivan lächelte. Das klang doch gar nicht so schlecht. Das klang in jedem Fall tausendmal besser, als das, was er bisher sein Zuhause nannte.

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