drittbestes Teil67


Der Tag verging anschließend wie im Fluge. Callum bewies seinem Bruder, dass er hervorragende Sandwiches machen konnte (auch ohne Snickers) und diesmal erledigten sie den Abwasch gemeinsam. Anschließend ging Callum Alexanders Liste durch, nur für den Fall der Fälle. Auf keinen Fall wollte er sich irgendeinen Fehler erlauben. Jem hatte ein paar E-Mails und Telefonate zu erledigen. Früher oder später müsste er seinem Job als Schriftsteller wieder mehr Zeit widmen. Er hatte eine Einladung zu einer Lesung verpasst und musste sich dafür entschuldigen, außerdem hatte man ihm fünf verschiedene Entwürfe für ein Buchcover zur Auswahl geschickt. Die Entscheidung wäre gestern fällig gewesen. Er ließ seinen Verleger wissen, dass es ihm leid täte, aber er sei bei Recherchen gewesen und habe dringende familiäre Angelegenheiten geregelt. Als er familiär eintippte, musste er grinsen. Mal abgesehen davon, dass es, wenn es Callum anging, natürlich eine solche Angelegenheit für ihn war, könnte er ja schlecht schreiben, dass ihm sein neuerdings extremst aufregendes Sexleben davon abhielt, ein Buchcover auszusuchen. Er zeigte sie Rory, der zielsicher auf das zeigte, was Jem auch am besten gefiel.

Rory hatte inzwischen am Handy alles Mögliche nachgeschaut. Da waren ein paar Links von Jem, die er am Tag zuvor geschickt hatte, als er nach einer Schule gesucht hatte. Außerdem googelte er die Pferdezucht von Jems Familie, nur so aus reiner Neugier, weil es ihn interessierte, aus was für einem „Stall" Jem kam. Schließlich kam ihm die Idee, dass er seine Pflegeeltern wissen lassen wollte, dass sein Bruder ihn gefunden hatte. Bestimmt würden die sich darüber freuen, denn das Verhältnis von ihnen und Rory war trotz der schwierigen Umstände und der kurzen Zeit von gerade mal zwei Jahren, die er bei ihnen war, recht gut. Wenn sie erführen, dass Callum wieder da war, würden sie ihn bestimmt mal kennenlernen wollen. Vielleicht zu Weihnachten, das sie mit all ihren Pflegekindern feierten, auch denen, die schon erwachsen waren. Er hatte ein Foto von sich, Callum und Jem in dem Ruderboot in Startford, dass er jetzt kurzerhand in den Anhang packte und dann eine E-Mail schrieb.

Anschließend war es Zeit für Tee und Kekse und dann brachten Jem, Rory und Buster Cal zur U-Bahn. Er hätte auch ein Taxi nehmen können, wenn's nach Jem gegangen wäre oder Rory hätte ihn gefahren, aber Cal bestand darauf, an seinem ersten Arbeitsabend auch allein zum Theater zu fahren. Bis zum Leicester Square müsste er nicht mal umsteigen und von da waren es nur fünf Minuten zu Fuß bis zur Shaftesbury Avenue und dem Gielgud Theatre. An der Station angekommen lächelte Cal in die Runde. Dann umarmte er erst Rory und schließlich Jem, der natürlich einen Abschiedskuss bekam.

„Jetzt schaut nicht so, als wär' ich'n Baby."

Jem rollte gespielt genervt mit den Augen. „Das tut keiner. Wir sind stolz auf dich, Cupid."

Rory schaute etwas verschämt auf seine Schuhe, dann kramte er sein Handy hervor. „Ich für meinen Teil, wäre noch stolzer, wenn du das Handy mitnimmst. Nur für den Fall..."

„Für welchen Fall denn? Ich finde auch zu Fuß hierher."

„...für den Fall, dass ich in der Pause mal hören möchte wie's läuft. Okay?!" Rory schaute Cal in die Augen. Es war ihm wirklich lieber so. Er war ja der große Bruder.

„Ich hab' keine Ahnung, wie so ein Ding funktioniert", wandte Cal ein.

Rory konnte das kaum glauben. „Okay. Ich stell's auf lautlos, du packst es in die Hosentasche und wenn es vibriert, dann drückst du auf den grünen Hörer."

„Ich verpasse noch die U-Bahn..."

„Dann nimmst du die nächste. Hier. Guck."

„Ich guck ja, großer Bruder. Sonst noch was?"

„Nein, nimm und lauf, sieh zu, dass du dich nicht verspätest!"

Jem stand nur da und tauschte mit Buster sowas wie vielsagende Blicke aus. Er liebte seinen Cupid über alles und fand ihn mit Bruder geradezu filmreif. Oder buchreif?! Sie winkten Cal hinterher, der jetzt durch eine der Schranken verschwand und die Treppe zu den Zügen nahm.

„Los komm, wir müssen einkaufen", schlug Rory jetzt vor.

„Du warst doch schon. Ich dachte wir gehen mit Buster."

„Ja auch, aber erst braucht Callum sein eigenes Handy."

„Er macht nicht den Eindruck."

„Ich bin sein Bruder und sage er braucht eins. Das wird das drittbeste Geschenk."

Jem schaute etwas irritiert, als Rory direkt in die Richtung der Läden losmarschierte. „Hey, was soll das heißen, das drittbeste?!"

https://youtu.be/WD52xAKCWeY


Callum kam sich in dem weißen Hemd und der dunkelroten Weste, die praktisch seine Arbeitskleidung darstellten, ungewohnt vor, aber die dienstälteste Usherette, die ihm eine Stunde vor Einlass des Publikums alles zeigte, hatte ihm erklärt, dass alle Mitarbeiter des Theaters diese Sachen tragen. Callum hatte noch nie ein weißes Hemd getragen. Und auch keine Weste. Umso mehr freute er sich dann auf das Eisverkaufen. Aber auch das Programmhefte- Verkaufen und den Leuten zeigen, wo ihre Plätze sind, war gar nicht so übel. Erst fiel es ihm nicht so leicht, jeden und jede mit „guten Abend, Ma'am, guten Abend, Sir, darf ich ihre Karten sehen?" zu begrüßen, denn er hatte ja keine Ahnung, ob das Theaterstück auch etwas taugte. Vielleicht hätten die also gar keinen guten Abend und er log nicht gerne. Aber dann war das Stück tatsächlich sehr spannend und bis zur Pause hatte er sich deswegen wieder beruhigt. Eigentlich gefiel es ihm sogar so gut, dass er das am liebsten jedem und jeder erzählt hätte. Theater schien echt was Tolles zu sein. Das war erst sein zweites Stück und es war auch richtig klasse. Das Eis war lecker, das hatte er ja probiert, aber echt teuer. So ein kleiner Becher Vanille oder Cookie and Cream kostete drei Pfund fünfzig! Das war so ungefähr so viel, wie Cal auf der Straße am ganzen Tag fürs Essen erübrigen konnte. An besseren Tagen. Wenn man fünfzig Pfund für H brauchte und dafür irgend'nem Typen einen blasen musste, dann würde man eher auf's Essen verzichten, als mit noch einem Typen mitzugehen. „Mitgehen", das war auf Alexanders Liste noch okay. Die ältere Dame, die gerade Vanille kaufte, sah ihn an, als hätte er das laut gedacht. Hatte er aber nicht, oder? „Hier bitte, ihr Wechselgeld."

„Ist für dich, mein Junge."

„Oh, danke."

Gut, er hatte das nicht laut gedacht. Und das war sein erstes Trinkgeld.

„Zweimal Cookie and Cream, bitte."

"Hier, bitte, Sir. Tolles Stück, nicht wahr?!"

„Was? Äh, ja. Wirklich toll."

„Sag ich doch."

Am Ende der Pause hatte Callum tatsächlich fast alles verkauft, immer richtig gewechselt und viermal Trinkgeld gekriegt. Er würde diesen Job lieben. Kaum hatte er den Bauchladen abgestellt und das übrig gebliebene Eis in der Kühltruhe hinter der Bar verstaut, da vibrierte Rorys Handy hinten in seiner Hose. Ach ja! Er kramte es raus und schaute aufs Display. Der grüne Hörer schien mit zu vibrieren. Er drückte ihn.

„Hi Rory!"

„Callum, sag schon, wie isses?"

„Alles gut. Es geht um diese Familie in Nordirland..."

„Das mein' ich nicht. Erzähl das später. Wie kommst du klar?"

In dem Moment ertönte das zweite Klingeln nach der Pause. Gleich würde es weiter gehen und Callum müsste noch eine Tür zum Zuschauerraum verschließen.

„Gut, es klingelt. Ich will nichts verpassen." Roter Hörer. Cal eilte zu seiner Tür.

;)

„Und, was sagt er?", wollte Jem wissen. Er stand ganz aufgeregt direkt neben Rory und hatte gehofft, sie würden länger reden.

„Dem geht's gut, der kommt klar. Hat mich glatt weggedrückt, weil's weitergeht."

„Cool.Wollen wir darauf trinken?"    


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