Cowboy Teil15

Callum war nicht bei klarem Verstand. Der Entzug des Heroins und die Schmerzmittel hatten ihn fest im Griff. Als er keine Tränen mehr hatte und nur noch leise wimmerte, gab Jem ihm von dem aufgelösten Traubenzucker. Dabei schaute Cal völlig ungläubig.

„Was gibst du mir?", fragte er leise.

„Ist nur Traubenzucker."

„Was willst du dafür?"

„Nichts. Ist für dich. Trink." Jem fand seinen Hals wie zugeschnürt. Er reimte sich zusammen, was er in den letzten Stunden über Callum erfahren konnte. Irgendjemand musste ihn schon als Kind missbraucht haben. Irgendjemand, der Callum beigebracht hatte, dass man mit Sex bezahlt oder für Sex bezahlt.

„Hier, nimm noch was..."

Callum trank.

„Cupid, ich weiß, dass dich das hier quält, aber ich tu's für dich. Und egal, was war oder ist, ich möchte, dass du bleibst."

Keine Antwort. Callum starrte nur. Dann plötzlich gingen die Krämpfe wieder los. Der Schwarzhaarige begann zu strampeln. Dabei bemerkte er die Wadenwickel und schlug wütend die Decke hoch. „Was ist das hier? Wieso hab ich nichts an?"

„Beruhig dich..."

„Geh mir aus dem Weg!"

Es ging wieder los. Jeremy hoffte nur, dass er nicht wieder die Fesseln brauchen würde...

Tatsächlich war das nicht der Fall, aber nur, weil Callums Toben irgendwann überging in ein vor Angst in der Ecke kauern und mit den Fingernägeln an der Tapete scharren bis beides, Nägel und Tapete, blutig waten. Der Anblick war fürchterlich. Inzwischen bildeten sich überall an seinem Körper Blutergüsse. An den Gelenken sowieso, dann an der Hüfte, wo Jem ihn niedergetackelt hatte und an unzähligen Stellen, wo er sich gestoßen hatte oder wo ihn Jem gehalten hatte. Die Wohnung sah aus, als wären Einbrecher darin gewesen. Jem beschloss irgendwann, es mit einem warmen Bad zu versuchen. Das müsste entkrampfen und vielleicht tat es auch sonst gut. Als er in Callums Ecke kam, ließ der sich durch gutes Zureden eine Schmerztablette geben. Dann nahm Jem ihn einfach hoch und trug ihn ins Bad. Dort setzte er ihn in die Badwanne und stellte das Wasser an. Es schien wirklich gutzutun, denn er wehrte sich nicht und lehnte sich zurück, sodass Jem ihm auch warmes Wasser über den Kopf laufen ließ. Als das getan war, massierte er ihm Schultern und Arme. Wenn er bleiben sollte, würde Jem dafür sorgen, dass Callum regelmäßig aß, dachte er, als er sah, wie die Schlüsselbeine deutlich hervortraten.

„Geht's dir besser?", wollte der Blonde wissen und hoffte inständig, dass es so wäre. Er brauchte selbst eine Ruhepause, vielleicht sogar Schlaf. Cal schaute etwas irritiert. Oh bitte... er müsste ihn doch wiedererkennen...

„Du bist... der Cowboy!?"

„Ich bin der was?"

„Jem, der Cowboy."

„Was immer du sagst, aber eigentlich bin ich ein Autor."

Callum schien müde, aber halb zu lächeln.

„Komm, ich bringe dich ins Bett", sagte Jem aufmunternd und erleichtert zugleich. Dann half er Cal aus der Wanne und beim Abtrocknen. Schließlich bekam er noch einen warmen Pyjama. Jem fand das Bett nass von den Wadenwickeln und bezog es schnell neu. Schließlich half er Callum hinein und deckte ihn zu. Gerade, als er selbst zum Sessel gehen wollte, fasste der Lockenkopf seine Hand. „Bitte... bleib, ich... krieg sonst Panik."

„Gut, dann gehe ich nirgendwo hin."

Damit legte sich der Blonde zu ihm. Callum schmiegte sich an ihn. Er schien so leicht wie eine Feder und zitterte leicht.

„Was hat's mit dem Cowboy auf sich?", murmelte Jem.

„Du bist einer."

„Wie kommst du darauf?"

„Ich hab überlegt, wovon du... so'n sexy Arsch hast... Reiten oder Schwimmen."

Jem musste lachen. Langsam schien Callum wieder wie Callum zu sein. Auf sowas wäre er nie gekommen.

„Du rätst gut. Bei meiner Familie spiele ich Polo." Jem grinste.

„Lass uns nur schlafen, ja?"

„Ja."

Jem überlegte kurz, wann er zuletzt geschlafen hatte, in der letzten Nacht jedenfalls nicht, legte einen Arm über den Jüngeren, dann war er auch schon weggedöst. Die Ruhe währte nicht lange, drei oder vier Stunden vielleicht, bis die Alpträume begannen. Der Blonde wurde wach, als Callum anfing, sich unruhig zu winden. Erst dachte Jem, die Krämpfe gingen wieder los, doch der Junge schlief. Er lallte im Schlaf irgendwelches unverständliches Zeug. Es klang alles andere als angenehm. Schimpfworte vielleicht, Flüche oder sowas. Sein erster Gedanke war, Callum zu wecken, aber dann beschloss er zu warten. Auch schlechter Schlaf wäre besser als gar keiner. Er fühlte den Puls und die Körpertemperstur. Beides schien normaler als noch vor ein paar Stunden. Allerdings wurde der Traum heftiger, denn Cal wurde unruhiger und schien nach irgendwas zu schlagen. Jem hielt ihn im Arm und horchte auf sein Lallen. Zu verstehen war jedoch nicht viel. Ein Name, Rory oder Robbie kam drin vor. Vielleicht ein Ex- Freund? Oder war das der Wichser? In jedem Fall kam irgendein Wichser drin vor. Schlagen oder Schwimmen wohl auch. Jem hielt einfach weiter und kam auf die Idee, irgendwas Beruhigendes zu flüstern oder zu summen. Als er über Pretty Little Horses und Mary Poppins bei Weihnachtsliedern wie Silent Night angelangt war, zeigte das tatsächlich Wirkung. Beide schliefen bald wieder tief und fest.

Als Jeremy erwachte, war es fast Mittag. Das hieß, sie hatten etwa 24 Stunden überstanden. Er schaute nach, ob mit Callum alles in Ordnung war und der blickte ihn blinzelnd an. „Ich brauche Frühstück. Was ist mit dir?", fragte Jem.

„Mm..mir ist-t kalt-t-t", kam es stotternd zurück.

Shit?! Wie konnte ihm kalt sein, vorhin hatte er noch deutlich erhöhte Temperatur. „Wie lange schon?", fragte Jem nervös. Warmhalten!!!

„W-weis-s nich..." Callum hatte Blut am Mund. Bestimmt hatte er sich zitternd auf die Lippen gebissen.

Jem vergaß das mit dem Frühstück und ließ eilig ein heißes Bad ein. Dann kam er zu Callum, nahm ihn Brust an Brust und begann, ihm den Rücken warm zu rubbeln. Danach trug er ihn ins Bad und setzte ihn mit Pyjama in der Wanne ab. Das alles hier war noch nicht zu Ende.

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