Cambridge Teil32


Jem war im ersten Moment sprachlos. Er hielt noch immer seine Hand an Callums Wange und jetzt legte er seine Stirn bekräftigend an die seine. Callum schien den Atem anzuhalten, gleichermaßen verunsichert über das, was er eben gesagt hatte und auf eine Reaktion von Jem gespannt. „Okay, okay", begann der Blonde dann leise, „wir machen es so wie du willst. Natürlich sollst du nicht lügen, wenn du nicht willst oder kannst." Wenn das das Problem war, dann wäre die Lösung so denkbar einfach.

„Was ist, wenn sie dich hassen, meinetwegen?"

Jem schüttelte den Kopf und kraulte Cal beruhigend im Nacken. „Nein, nein, das werden sie nicht. Okay?"

„Was macht dich so sicher? Du hast gesagt, dein Vater ist stolz auf dich und da glaubst du, er ist das auch, wenn du auf Typen stehst?"

„Ja sicher", begann Jem, „vielleicht nicht sofort, aber er liebt mich, verstehst du? Und ich liebe dich. Das ist völlig in Ordnung. Es ist in Ordnung, sich in jemanden zu verlieben, der einem gefällt und der frech und stark ist. Was nicht in Ordnung ist, ist das, was dir passiert ist, weil du auf Jungs abgefahren bist. Aber das liegt hinter dir und wird nie wieder passieren."

Langsam schien sich Cal zu fassen. Er nickte und Jeremy gab ihm einen kleinen Kuss auf die Wange. „Ist mir viel lieber, wenn wir ehrlich sind. Dann müssen wir nicht so tun, als wären wir Mönche." Jem zwinkerte und das brachte Cal sogar ein wenig zum Lachen. „Du würdest mir auch als Mönch gefallen."

„Das kann ich mir denken. Komm, wir fahren weiter, dann wirst du es umso eher merken, dass ich Recht habe."

„Na schön, dann fahr zu."

Als sie in Cambridge ankamen, war es Nachmittag und mit etwas Glück würden sie rechtzeitig zur versprochenen Teezeit bei Jems Eltern ankommen. Callum hatte noch nie zuvor irgendeine Universitätsstadt gesehen und neben den vielen Touristen, fielen natürlich die zahlreichen jungen Studenten auf Fahrrädern ober mit Taschen und Bücherstapeln ins Auge. Die Türme der Kirchen und der Colleges waren nicht zu übersehen und hin und wieder wies Jem auf ein Gebäude hin. Der Pub, in dem er mit Freunden abgehangen hatte. Das Kino, der Buchladen, die Eisdiele... Callum war neugierig, weil er sich Jems Leben vorstellen wollte, zugleich fand er es unvorstellbar, wie so ein Studentenleben war. „Wieso bist du nach London gegangen?", fragte er.

„Das war irgendwie logisch. Ich wollte was anderes, Schriftsteller werden, nicht Jurist wie mein Vater. Also bin ich auch woanders hingegangen."

Sie kamen jetzt an einem großen Park vorbei und fuhren durch eine Wohngegend, die sicherlich zu den besseren gehörte. Große, teure Autos standen in den Straßen und die Blumenkästen und Vorgärten waren üppig bepflanzt. Alarmanlagen hingen neben den Türen. „Wir sind gleich da", kündete der Blonde an und bog um eine letzte Ecke, bevor er den Wagen parkte. Callum stieg aus und das Haus, vor dem er stand, wirkte ungefähr so urban und teuer, wie er sich das inzwischen gedacht hatte. Ganz sicher waren die Westenras eine Familie mit Cambridge- Absolventen in der soundsovielten Generation. Jem kramte noch das Gepäck aus dem Wagen, da öffnete sich die Tür und ein Mann und eine Frau, ganz offenkundig Jems Eltern, kamen ihnen freudestrahlend entgegen. Beide waren blond, doch die Ähnlichkeit zwischen dem Vater und Jem war geradezu verblüffend, trotz Brille und leicht angegrautem Haar. Callum suchte noch nach Worten zur Begrüßung, aber da waren sie schon an ihm vorbei und direkt zu Jem gegangen. Die Mutter umarmte ihn beinahe stürmisch. „Endlich, Jem, wo hast du dich nur so lange herumgetrieben?"

„Nirgends. Ich hatte viel zu tun und du weißt ja, wie das ist. Hi, Mum."

Jems Vater wartete die Umarmung ab, dann war er an der Reihe. „Schön, dass du da bist. Wir dachten schon, du hättest uns vergessen. Mum hat schon ein Foto aufgestellt, damit wir noch wissen, wie du aussiehst." Cal verstand den Scherz erst, als alle lachten.

„Jetzt übertreibst du..." Jem suchte in der Umarmung Augenkontakt mit Cal, was wohl ein Zeichen sein sollte. Dann winkte er ihn heran. „Mum, Dad, darf ich euch vorstellen. Das sind meine Eltern, Mary-Beth und Alexander." Beide wandten sich zu Callum und lächelten. Jems Vater streckte ihm die Hand entgegen. „Sehr erfreut", sagte er und nickte Callum zu. Seine Frau tat das Gleiche. „Das ist der Freund, von dem ich euch erzählt habe", fuhr Jem fort, „Callum Robinson." Cal müsste jetzt etwas sagen. „Ich freue mich, euch kennenzulernen", brachte er tatsächlich heraus und stellte fest, dass er es auch so meinte. Jems Mutter strahlte ihn jetzt regelrecht an. „Dann gehen wir doch hinein, sonst denken die Nachbarn, wir hätten eine Straßenparty geplant", fand Jems Vater und nahm ihm direkt eine Tasche ab. „Es gibt Cream- Tea", ergänzte Mary-Beth und schaute zu Callum, der verstand und lächelnd sagte, er wollte das schon immer mal probieren. Sie schien kurz irritiert und fand, dann werde es höchste Zeit. So folgten Cal und Jem den Eltern ins Haus. Jem drückte Cal kurz die Hand und flüsterte, dass er das gut mache, dann ließen sie erstmal alles in der Eingangshalle stehen und gingen ins Wohnzimmer. „Entspann dich, sie hast du schon um den Finger gewickelt. Alles andere kann ich übernehmen." Alles andere. Jem meinte das Outing....


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