Kapitel 5
Die Schule war eine Qual gewesen. Ich hatte mich zuhause fast sofort in meinem Zimmer eingeigelt und war erst hervorgekommen, als es Zeit zum Training war.
Die Aussicht wenigstens an einem Ort einigermaßen normal behandelt zu werden hatte dafür gesorgt, dass ich mich sofort umgezogen hatte und so schnell wie noch nie im Stall gestanden hatte.
Viva hatte mich am Wiedegatter mit einem brummeln begrüßt und ihre Nase sofort gegen meine Wange gestoßen.
„Weißt du, alle behandeln mich komisch. Sie starren mich an, reden komisch über mich.", seufzte ich, als ich den Strick einklinkte.
Viva brummelte wieder, als hätte sie mich verstanden und wollte mir so ihr ehrliches Mitgefühl mitteilen.
„Ich hoffe, du hattest wenigstens einen schönen Tag auf der Weide. Du hast doch bestimmt wieder mit Libby oder Haddy gespielt." Liese lachend strich ich ihr durch die wirre Mähne. Die beiden waren ihre besten Freundinnen und es war unheimlich niedlich, wie sie immer zusammen standen und einander regelmäßig nachwieherten, wenn eine geholt wurde. „Du siehst zumindest wieder gut aus." Viva hatte schon wieder einige besonders schöne Schlammkuhlen gefunden und die ganze Hinterhand war eher braun als fuchsfarben.
In der Stallgasse herrschte wie so oft noch gähnende Leere. Die Anderen hatten allerdings auch nicht solch exzessiven Dreckspatzen von Oles Schimmel mal abgesehen, der schon mehr als einmal aussah wie ein Rappe. Aber er würde wohl seinen Braunen reiten.
Die Stille war mir nur recht. So hatte ich Zeit zum nachdenken und konnte mich mental darauf vorbereiten jeden Moment Lukas gegenüberzustehen.
Plötzlich war mir die Nachricht von gestern Nacht wieder unglaublich peinlich. Wie hatte ich ihm das nur schreiben können. Scheiße. Was musste er jetzt denken? Ich wirke wie eine Irre, die absolut von ihm besessen war. Er hatte selber Probleme.
Seufzend holte ich meine Putzbox und rannte beim Verlassen der Sattelkammer fast in Ole.
„Woha! Langsam", lachte er und hielt mir die Tür auf. Kurz flog sein Blick über mich. „Ist alles okay bei dir?"
„Schlechten ersten Schultag gehabt." Ein betrübtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen.
Er nickte verständnisvoll. „Wenigstens warst du da. Luke habe ich heute noch nicht gesehen. Ich bin mal gespannt, wie er drauf ist."
Unschlüssig legte ich die Stirn in Falten. „Meinst du er, hat gefehlt wegen...?" Ich konnte es gar nicht aussprechen.
Ole nickte ernst. „Ja. Da bin ich mir ziemlich sicher. Er ist nicht mehr derselbe."
„Oh" mehr kam mir nicht über die Lippen. Nur ein dünnes und nichts sagendes Oh.
War es vielleicht meine Schuld? Ich hatte ihm diese Nachricht geschickt und wer weiß was damit in ihm losgetreten. Ich hatte das doch wirklich nicht gewollt. Warum hatte er bloß da sein müssen? Ich fühlte mich schuldig für sein Leid.
„Drück mir mal die Daumen, dass meine beiden nicht aussehen wie deine Viva, sonst bin ich mit Nigal auf jeden Fall mindestens eine halbe Stunde zu spät. Oder ich schnappe mir heute ausnahmsweise Mal Majken."
„Ist das deine Braune? Ich habe dich sie noch nicht oft reiten gesehen."
„Maj, ist mein Nachwuchspferd. Bis sie siebe, ist, wird sie nur leicht gearbeitet. Ich möchte schließlich noch lange etwas von ihr haben."
So eben war mir Ole noch sympathischer geworden. Ich glaube nur wenige Reiter mit seinem Können würden das so handhaben.
„Das klingt gut. Aber dann müsste Steffi ständig runterbauen."
„Dann muss Nigal wohl oder übel eine schnelle Dusche über sich ergehen lassen, je nachdem wie er aussieht. Ich bin nur noch minimal davon entfernt ihn bald nur noch mit Decke rauszuschicken." Er lachte auf.
„Ich kenne das Gefühl."
„Na, dann bekomm Viva mal auf Hochglanz. Wir sehen uns dann gleich in der Halle."
„Wir sind heute auf dem Platz."
„Mir auch recht. Dann sehen wir uns da."
Nie hätte ich gedacht, dass so ein lockeres Gespräch mit Ole mir wieder etwas Auftrieb geben würde. Ich konnte Liz verstehen. So zurückhaltend er am Anfang vielleicht auch war, so ein herzensguter Mensch war er einfach auch. Der absolute Gegenpol zu Lukas, der in den Stall rauschte, als ich gerade Vivas komplette linke Seite endlich fertig hatte.
Wortlos und wie eine Kaltfront rauschte er einfach rein. Er sah mich nicht mal an. Es war, als gäbe es mich nicht für ihn. Viva spürte wieder Mal, wie sehr mich das verletzte. Sie stieß mich sachte an und legte ihre Nase an meine Hüfte. Ihr warmer Atem strich durch den Stoff meiner Reithose tröstlich über meine Haut.
Ich atmete tief durch und sah ihm endlich nicht mehr nach. Warum konnte er nicht einfach mit mir reden? Oder mir zumindest eine Nachricht schreiben. Mir irgendetwas geben, dass ich wusste, was ich falsch gemacht hatte. So hielt ich das bald nicht mehr aus.
Seufzend setzte ich gerade zu einem neuen Bürstenstrich an, da legten sich Hände auf meine Schultern.
Sofort verkrampfte ich. Vor meinen inneren Augen sah ich mich schon wieder im Stall der Hubers und Britta Huber hinter mir, da hörte ich Liz Stimme an meinem Ohr.
„Na, wie war der restliche Schultag?"
„Beschissen."
„Ich habe gehört, was Nona gerade rumerzählt." Liz atmete scharf aus. „Charly hat recht. Halte dich von denen fern. So eine Scheiße, echt! Ich hab ihr eine Ansage gemacht, aber hat sie natürlich nicht gejuckt."
„Was erzählt sie denn?" Meine Stimme klang eigenartig weit weg.
Liz seufzte. „Marie. Tut dir das nicht an."
„Was erzählt sie?"
„Marie!"
„Nein! Was erzählt sie über mich?"
Liz schüttelte den Kopf und verzog das Gesicht. „Sie erzählt, du hättest die Huber angegriffen und dass sie dich hätte umbringen wollen, sei nur Notwehr gewesen."
Ich musste schlucken. Ferner an der Wahrheit vorbei, konnte es wohl kaum sein.
„Marie. Wirklich das glaubt keiner!"
„Nonas Vater ist Polizist, falls du das vergessen hast."
Liz klopfte mir auf die Schulter. „Trotzdem labert sie Scheiße. Wie immer! Nona ist nur sauer, weil Lukas bei dir war. Keine Ahnung was sie an dem Arschloch findet. Aber das frage ich mich bei dir ja auch. Ich hole mal Haddy. Oder hat Lukas schon Libby geholt? Das muss man ihm ja lassen, er bringt dann Haddy wenigstens mit."
„Er ist gerade einfach rein. Ohne Pferd."
„Gut, dann bringe ich heute Libby mit. Auch wenn ich echt Respekt vor ihr hab. Was ist das bloß mit den Stüwes und ihren Pferden?"
„Keine Ahnung.", murmelte ich lahm und putzte Viva weiter.
„Ist Ole schon da?"
„Ja."
Sofort legte sich ein breites Lächeln auf Liz Lippen. „Super, vielleicht nimmt er mir Libby ab."
Normalerweise hätte ich den Kopf geschüttelt und Liz meine Meinung zu ihrer Obsession mit Lukas bestem Freund gesagt, aber heute war mir nicht danach.
Liz klopfte mir noch einmal auf die Schulter. „Ich will Marie zurück, die sich jetzt über mich lustig gemacht hätte, keinen hübschen Deutsch-Walisern nachtrauert und sich nicht unterkriegen lässt."
„Liz."
„Ich weiß. Das braucht noch Zeit. Ich bin die Letzte, die das nicht versteht. Du weißt, wenn was ist, kannst du auch mich anrufen."
„Wie kommst du jetzt drauf?"
„Marie. Ich kenne dich. Du hast Lukas letzte Nacht wieder eine Nachricht geschrieben. Lass es endlich sein. Er wird sich nicht rühren. Er ist und bleibt ein Arsch."
„Er ist selber komplett durch."
„Trotzdem könnte er dann mal mit dir reden. Nimm ihn nicht ständig für alles in Schutz. Du bist nicht seine Anwältin vor dem Arschlochgerichtshof."
„Hol endlich dein Pferd und schmachte deinen Schweden an."
Liz kicherte. „Das war schon besser! Wir arbeiten dran."
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