Kapitel 39

Am Donnerstag blieb ich zuhause. Die Decke zog ich mir den ganzen Morgen bis über die Nasenspitze. Die Fotos würden so nicht verschwinden, aber ich stellte mir vor, dass sie es taten, wenn ich einfach nicht an sie dachte.

Ich konnte mir das Gespött und die dummen Kommentare auf dem Schulflur nur vorstellen, aber das reichte schon, um dafür zu sorgen, dass ich keine Lust hatte mich für die nächsten Wochen unter Leute zu begeben. Ein Buch schien mir die beste Alternative zu sein.

Das erste Mal, das ich mich aus dem Bett bequemte, war, als sich Liz durch meine Zimmertür schob und erst Mal das Fenster aufriss. „Mensch ist das stickig hier. Wie gehts dir?"

Ich legte das Buch weg und zog die Beine an, um ihr etwas Platz zu machen. „Es geht. Es muss gehen."

„Nein, muss es nicht. Du darfst auch ausrasten. Irgend so ein Typ betreibt einen ekelhaften Blog, in dem er dich bloßstellt und dir und Lukas mit dem Tod droht. Da fände ich es normal auszurasten."

Ich musste schlucken. Es fühlt sich falsch an auszurasten. Allgemein wusste ich nicht, was ich fühlen sollte. „Hat jemand zugegeben, dass er es war?"

Liz schüttelte den Kopf. „Alle gehen von Benji aus und er war es ja auch der den ganzen Abend mit so einer Spiegelreflex herumgelaufen ist." Sie griff nach meiner Hand. „Hast du gegessen?"

„Ich habe nichts runter bekommen."

„Hätte ich an deiner Stelle wohl auch nicht." Liz lächelte matt und drückte meine Hand sachte. Sie legte die Stirn in Falten und betrachtete eingehend meinen weichen Teppich. „Man müsste doch eigentlich herausbekommen ob er diese Fotos gemacht hat." Wie wollte sie das denn bitte herausfinden? „Ich wette mit dir der hat sich auf einem der Fotos verraten. Oder zumindest auf dem anderen Blog."

Ich schüttelte zweifelnd den Kopf. „Ich muss mich glaube ich damit abfinden, dass man mich in Unterwäsche im Netz sehen kann und das wahrscheinlich schon hunderte angesehen haben." Man musste auch realistisch bleiben. Gestern Nacht hatte ich noch zig Artikel über ähnliche Fälle gelesen. Das Resümee war immer dasselbe gewesen. Das Internet vergisst nie."

Liz verzog das Gesicht. „Das Bild und auch alle anderen bekommen wir schon aus dem Netz. Charly hat schon angeboten ihn zu verprügeln, bis er den Blog aus dem Netz nimmt. Sie hätte Nona heute auch fast eine verpasst, als sie meinte über dich herziehen zu müssen. Die ist nur neidisch, weil du im Bett von ihrem so geschätzten Lukas Stüwe gelegen hast. Wenn auch nicht neben ihm, aber das habe ich ihr dann mal verschwiegen. Soll sie doch Gift und Galle spucken."

Es klopfte und Emma schob sich ins Zimmer. „Bist du echt noch nicht aufgestanden? Raus aus den Federn. Wir halten jetzt Kriegsrat! Charly und Bea kommen auch." Sie ließ sich einfach auf den Teppich fallen und richtete ihren blonden Pferdeschwanz.

Liz rollte mit den Augen. „Nach so einer Geschichte hättest du auch keine Lust dich anzuziehen und zur Tagesordnung überzugehen."

Emma streckte ihr die Zunge heraus und pflückte sich das Buch meines Nachttisches. „Super, du liest denselben Schund wie ich. Da fühle ich mich zumindest nicht mehr ganz so einsam. Lass das nur nicht Bea sehen, die erzählt dir sonst welche Klassiker du stattdessen für deine Allgemeinbildung lesen solltest." Sie legte das Buch mit dem zartrosanen Einband zurück auf meinen weißen Nachttisch. „Hast du ihr schon von Nona erzählt?", wandte sie sich an Liz.

„Ja hat sie und wenn es nach mir ginge, würden wir dieses Thema einfach begraben." Ich war schon wieder geneigt mir die Bettdecke bis zur Nasenspitze zu ziehen.

Emma atmete auf und spielte mit den Fingern an den Fransen des Teppichs herum. „Ist da eigentlich was dran? Also hast du mit ihm...?" Sie sprach es nicht aus trotzdem wussten wir alle, was sie meinte.

Schnell schüttelte ich den Kopf. „Auch wenn es so aussieht."

Emma sah enttäuscht aus. „Um ein Haar wäre ich neidisch gewesen. Ich meine neben dem Schönling im Bett liegen muss bestimmt toll sein."

„Es ist egal wie jemand aussieht, wenn man neben ihm im Bett liegt sobald man etwas für denjenigen empfindet. Das ist genau das oberflächliche Denken von Nona und ihren Bitches." Liz ließ eine Handfläche auf ihren Oberschenkel fallen.

Emma grinste und wollte, wie es aussah gerade nach ihr und Ole fragen, da wurde die Tür schon wieder aufgerissen. Charly stolperte gefolgt von Bea in mein Zimmer.

„Die ganze Bande ist hier. Also finden wir mal heraus wer hinter diesen verdammten Bildern steckt." Liz klatschte in die Hände und rutschte näher zu mir, um Bea auf der Bettkante Platz zu machen.

„Wie geht es dir?", fragte jene auch sofort und umarmte mich, ehe sie sich neben Liz fallen ließ.

Ich atmete tief ein. „Es geht schon."

Charly baute derweil neben Emma ihren Laptop auf dem Teppich auf. „Ich habe gestern Nacht alle Bilder noch einmal durchgesehen." Sie biss sich auf die Unterlippe und scrollte den Blog runter.

Emma gähnte. „Und?

„Gib mir doch mal einen Moment."

„Als wenn du da etwas findest!" Bea stöhnte auf. „Ich habe es doch auch schon versucht."

„Doch! Doch! Da war was!" Charly trommelte mit den Fingern auf dem silbernen Gehäuse ihres Laptops herum. „Das war auf dem alten Blog unten in den Kommentaren!", kam ihr dann wohl der Geistesblitz. Ich hatte sie noch nie so schnell tippen sehen. Je schneller ihre Finger über die Tastatur flogen, desto schneller rannte mein Puls. Wollte ich das hören?

Wenn es ein Mister X war, dann war es weniger greifbar und ich konnte mir noch einreden, dass es in meinem Kopf war. Aber wenn er einen Namen bekam, dann wurde real.

„Ha! Hier!", triumphierend riss Charly die Hände in die Luft. Es fehlte nur noch, dass sie anfing zu tanzen. „Hört mal zu!" Ich überlegte, ob ich mir nicht einfach die Ohren zuhalten wollte. „Ich bin wegen dieser Schlampe von der Schule geflogen, aber schon an ner neuen. Da ist auch wieder so ein Mädchen. Ich schwöre euch, die hat dieselbe Aura, wie Laureen." Charly drehte sich zu uns um.

Mir war einfach nur wieder schlecht. Sollte das wirklich heißen, dass es Benji war? Das wollte ich nicht glauben.

„Aber damit muss er ja nicht unbedingt Marie meinen", wandte Bea auch prompt ein. Sie klopfte mir auf die Hand, die Liz vorher noch gehalten hatte.

Emma schüttelte den Kopf. „Der ist doch von der Schule geflogen also passt es!"

„Wissen wir nicht zu 100%." Bea hob eine Augenbraue und rutschte bis zur Wand nach oben, um sich dagegen zu lehnen. „Also Vorsicht mit zu schnellen Schlussfolgerungen. Charly ließ weiter, oder gibt es da nicht mehr?"

Wieder überlegte ich mir die Ohren einfach zuzuhalten.

„Also das ist eine ganze Konversation in den Kommentaren. Da hat jemand drauf geantwortet. Viel Glück, dieses Mal bekommst du sie schon. Du weißt ja, nice guys finish last. Gibt es dann auch wieder einen Blog?" Charly hielt die Luft an. „Soll ich weiterlesen?" Dabei sah sie nur mich an.

Tief atmete ich ein. Zögerlich nickte ich und starrte in der müden Erwartung aus dem Fenster in den bewölkten Herbsthimmel.

„Okay," Charly holte tief Luft. „Darauf schrieb der Blogetreiber: Klar Alter. Danke für deine guten Wünsche. Sie hat, soweit ich weiß keinen Freund. Ich habe heute in Erdkunde neben ihr gesessen. Machen jetzt irgend so ein Projekt zusammen. Die hängt nur an so nem 12er von der schickimicki Privatschule am anderen Ende der Stadt."

„Jetzt ist es schon eindeutiger!" Emma seufzte und hörte auf meinen Teppich zu zerrupfen. „Was machen wir jetzt?"

„Gar nichts..."

Bea wurde je durch Charly unterbrochen. „Wir wissen immer noch nicht ganz, ob es Benji ist. Warum stellen wir ihm nicht eine Falle?"

Emma stutzte. „Was für eine Falle?"

„Na wir täuschen vor, dass Marie wegen diesem Schönling vom Schloss Liebeskummer hat. Wenn er sie verfolgt, dann sollte er mitbekommen, dass sie alleine ist und das als seine Chance entziffern können, oder nicht?"

„Würde zu seinem Spruch passen." Liz nickte zustimmend. „Wir setzen dich einfach allein an den Strand. Du heulst ein bisschen und wir sind irgendwo im Hintergrund. Dir kann nichts passieren und wir wissen dann auch zu 100%, ob er es ist oder nicht." Sie lächelte mich an, als wenn es die leichteste Sache der Welt wäre ihn so reinzulegen.

Charly nickte begeistert. „Du bist genial, Liz!"

Mir hingegen machte ihr Vorschlag mir eher Bauchschmerzen. „Kann das nicht auch daneben gehen?"

„Was soll da schon daneben gehen?", sprang auch Emma auf die Idee an. „Wir sind doch auch da!"

„Also mir gefällt das auch nicht so wirklich. Was wenn er sie anfasst, ohne dass sie das will? Oder sie küssen möchte? Oder was weiß ich? Sollte man sowas nicht eher Erwachsenen überlassen?" Ich hätte Bea küssen können. Ihre Bedenken fand ich durchaus angebracht. Küssen wollte ich ihn eindeutig nicht und auch auf gar keinen Fall mich von ihm anfassen lassen!

Charly seufzte. „So weit kommt es nicht! Versprochen. Ich lasse dich nicht aus den Augen und so ein halbes Hemd wie Benji haue ich mit einem Schlag um. Also wie siehst du aus? Am Freitag können wir das doch bestimmt mal probieren. Was haben wir schon zu verlieren?"

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