Kapitel 27

Liz lehnte sich auf ihrem Stuhl zurück und stöhnte auf. Frau Schäfer teilte die LK-Klausuren aus. Die Hefte klatschen jedes Mal, wenn sie auf dem Tisch vor dem jeweiligen Schüler aufschlugen.

„Ihr seid doch wirklich schon etwas länger in der Oberstufe. Was ist das Problem daran Juli Zeh zu analysieren und nicht zu schänden? Form wurde in nur vier Fällen eingehalten. Wirklich Kinder, ihr seid doch schon lange genug hier auf der Schule, um zu wissen, wie man eine verdammte Analyse einer Kurzgeschichte schreibt." Frau Schäfer klatschte das letzte Heft vor meiner Nase auf den Tisch. „Der Notenspiegel sieht auch dem entsprechend aus." Sie ging mit schnellen tippelschritten zur Tafel und klappte eine Hälfte auf. Als ich sah, dass die beste Note eine zwei Plus also Zwölf Punkte gewesen war, musste ich schwer schlucken, das andere Ende sah da schon gefüllter aus. Vier Leute hatten es geschafft einen Punkt zu fabrizieren, fünf hatten es geschafft wenigstens vier zu bekommen, aber die Mehrheit musste sich mit 8 zufriedengeben.

„Lass mich nicht eine von denen mit nur einem Punkt sein." Liz griff nach ihrem schwarzen Klausurheft. „Dann würden meine Eltern mich wohl zu Adoption freigeben."

Auch ich griff nach dem Heft vor mir und öffnete es mit wild pochendem Herzen. Gefühlt war der ganze Fließtext einfach nur rot. Trotzdem beeilte ich mich zur letzten Seite vorzublättern und atmete erleichtert auf als ich sah, dass es für die üblichen Zehn Punkte gereicht hatte. Zeitgleich atmete Liz ebenfalls auf und schob mir ihr Heft wortlos herüber, um den Monolog der Schäfer nicht zu unterbrechen. Elf Punkte.

Mit einem glücklichen Lächeln drückte ich ihren Arm. Wir waren also nicht mal so schlecht weggekommen. Das war bei der Schäfer echt ein Kunststück.

„Frau Matzke, Frau Schönfeld, wollen sie der Klasse mal erklären, wie man eine Analyse aufbaut? Oder hören sie mir jetzt ebenfalls zu."

Liz rollte mit den Augen. „Wir haben doch nichts gemacht."

„Doch haben sie. Sie können sich auch nach der Stunde über ihre Noten unterhalten. Frau Schönfeld, da sie ja so eine große Klappe haben können sie uns den Aufbau doch bestimmt erläutern."

Liz verschenkte die Arme vor der Brust. „Man fängt mit der Einleitung an, darauf folgt der Hauptteil und dann kommt der Schluss. Keine Ahnung was daran so schwer sein soll."

Die Schäfer blitzte sie genervt an und sah dann zu mir. „Frau Matzke, den Inhalt einer Einleitung."

„Autor, Titel, Erscheinungsjahr, Thema und eine kurze Zusammenfassung über wenige Zeilen," ratterte ich unsicher das herunter, was ich vor der Klausur auswendig gelernt hatte.

Die Schäfer kritzelte an die Tafel. „Geht doch! Alle mitschreiben. Ich will keine einzige Analyse mehr sehen die ohne Einleitung geschrieben wurde."

Liz warf mir einen Verständnislosen Blick zu und rollte nochmal mit den Augen. „Die spinnt doch!", wisperte sie leise.

Ich nickte unauffällig. Dabei spürte ich wie ich schon wieder angestarrt wurde. Ich musste nicht mal aufsehen, um zu wissen, dass es Benji war. Als wenn er keinen anderen Fixpunkt hatte. Hinter mir hingen nur Plakate, die wohl mal Werbegeschenke eines Schulbuchverlages gewesen waren. Nichts, was man so intensiv anstarren musste, also konnte er nur mich so ansehen. Wie gruselig! Der Typ kam mir von Tag zu Tag immer komischer vor.

Mit schnellen Schritten hasteten wir den Flur runter, um noch vor der Flut an Mittel und Unterstufen Schülern bis zum Pausenraum der Oberstufe zu kommen.

„Dieser Benji hat es ja echt mit dir." Liz knuffte mich in die Seite.

Ich machte einen kleinen Schritt zur Seite. „Das verstehe ich beim besten Willen nicht. Ich habe nie wirklich viel mit ihm gesprochen. Der hat mich schon so angesehen, als er in die Stufe gekommen ist."

Liz schüttelte den Kopf und entwirrte mit einer Hand ihre langen dunklen Wellen. „Komischer Kauz. Wenn du mich fragst, sollten wir den mal im Auge behalten. Nicht dass doch etwas an der Story dran ist die Charly neulich erzählt hat."

„Das ist doch Quatsch!", winkte ich entschieden ab.

Liz zuckte mit den Schultern und zog ein Haargummi von ihrem Handgelenk. „Wer weiß? Hast du dir diesen Tumblr Blog angeguckt, von dem alle in die Stufengruppe geschrieben haben, dass er gruselig wäre?"

„Nein. Hatte ich gestern Abend nicht wirklich Lust zu, wenn ich ehrlich bin." Vor allem hatte ich keine Lust auf noch mehr Albträume, je nachdem, was sich da finden ließ.

Liz band sich die Haare locker im Nacken zusammen. „Ich auch nicht. Ich weiß nur dass ein paar der Jungs den jetzt wohl abonniert haben oder wie das heißt. Die wollen mal gucken was da sonst noch so kommt und was so passiert."

„Diese Sensationsgier geht mit eh so auf die Nerven."

„Mhm...", machte Liz und schob die Tür zum Oberstufenraum auf. „Langsam steige ich hinter Gladiatorenkämpfe."

„Du verstehst was von Geschichte Liz?" Bea sah von ihren Büchern auf und bedeutet uns, dass wir uns setzten sollten. „LK ist ausgefallen und ich wollte nicht nachhause." Sie richtete ihre Brille und sah wieder zwischen uns hin und her. „Also warum versteht Liz nun etwas von Gladiatorenkämpfen?"

„Sensationsgier", erklärte Liz, ehe sie sich an den ausrangierten Schultisch fallen ließ und ihre Umhängetasche auf ihren Schoß zog.

Bea schob ihre Bücher von sich. „Ich verstehe das mit dem Tumblrblog auch nicht. Ich wollte mir den auch echt nicht angucken. Charly wollte vielleicht mal drauf gucken und Emma hatte gestern auch keine Lust auf irgendwas gruseliges." Sie seufzte. „Keine Ahnung was so was soll. Ist ja genauso wie die Leute, die zu diesem Reiterhof pilgern." Sofort wurde sie rot und sah mich an. „Tut mir leid."

Ich hob die Hände. „Alles gut."

„Ich liebe deinen Pulli", lenkte Liz schnell vom Thema ab und zupfte am Ärmel von Beas knallroten Strickpulli im Oversized Look.

Sofort grinste unsere Freundin und stand auf, um ihn noch mal zurecht zu ziehen. „Der Kleiderschrank meines Bruders ist überraschend gut. Ich glaube ich klaue ihm so lange er noch im Auslandssemester in Australien ist all seine Pullis."

„Ich glaube dann brauche ich auch einen Bruder." Liz stützte ihren Kopf auf der Handfläche auf und betrachtete neidisch, wie Bea sich wieder setzte.

„Oder du suchst dir einfach einen Freund, dem du Klamotten klauen kannst."

Sofort warf Liz mir einen bösen Blick zu. „Ich versuchs ja, aber der ist leider wie es aussieht aus Granit."

„Beißt du dir immer noch die Zähne an deinem Schweden aus?" Bea fing sofort ebenfalls an zu grinsen, während Liz mit düsterem Blick nickte.

„Leider." Sie seufzte leise. „Was ziehst du zur Party am Samstag an?"

„Ich weiß nicht. Ich wollte mich jetzt nicht besonders schick machen." Bea stopfte ihre Bücher in ihre Tasche und zog einen Apfel heraus. „Und ihr?"

Ich zuckte mit den Schultern und angelte ebenfalls etwas zu essen aus meiner Tasche. Einen Schokoriegel, den ich fast schon vergessen hatte.

„Wir finden da schon etwas. Ich werde doch bestimmt wieder bei dir schlafen können, oder?", harkte Liz sofort nach.

Ich schüttelte den Kopf. „Mama ist in Greven am Freitag wegen eines Buches und Papa fährt mit. Sie wollten mal ein Wochenende zusammen verbringen, besonders, bevor Mama eventuell ein Pferd kauft."

„Was?" Liz klappte der Unterkiefer herunter. „Das wäre ja der Hammer!" Ihre Augen glitzerten voller Begeisterung. „Welches Pferd will sie denn kaufen?"

„Kennst du den Wallach, dieses Schecken, den Hannah vor einigen Wochen gekauft hat?"

Sie nickte begierig. „Klar. Der soll doch so eine gute Abstammung haben und so billig gewesen sein. Und den will sie haben?"

Ich nickte. „Vielleicht. Sie will erst Mal eine Reitbeteiligung ausprobieren und ihn dann mal zur Verfügung nehmen für einige Monate."

„Ihr und eure Pferde!" Bea seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Können wir vielleicht wieder über die Party reden? Liz, du kannst auch bei mir schlafen. Macht euch doch einfach nach dem Turnier bei Marie fertig und kommt auf dem Weg zum Strand an mir vorbei, dann können wir auch noch einen Kurzen vortrinken, oder so. Ich habe den Alkvorrat meines Bruders nämlich auch gefunden neben den ganzen Schätzen in seinem Kleiderschrank."

„Klingt verdammt gut!", Liz grinste augenblicklich von einem Ohr zum anderen. „Aber nicht, dass du mir auf der Party wieder mal flöten gehst."

„Zu wem soll ich denn bitte schön? Unsere Jungs sind doch alle langweilig und bei den 12ern ist nichts dabei was interessant wäre und nicht vergeben ist."

In dem Moment öffnete sich die Tür schon wieder und Charly stolperte in den Raum. „Man! Jetzt schubs mich doch nicht du Spast! Aus dem alten in dem man so flirtet solltest du doch eigentlich raus sein. Kannst mir auch einfach sagen dass du auf mich stehst, Alter!", fuhr sie Phillip, der mit ihr im BiologieLk saß an. Der freche dunkelhaarige wurde ganz rot und seine Freunde hinter ihm johlten auf. „Spasten!", knurrte Charly und ließ sich an den Tisch fallen. „Was habe ich verpasst?" 

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