Kapitel 25

Nach der Schule fuhren Liz und ich wie so oft zu mir. Wir bogen endlich von der letzten vielbefahrenen Straße auf den kleinen Feldweg ein, den wir schon seit Jahren als Schleichweg nutzten um schneller nachhause zukommen.

Die Weizenfelder waren abgemäht und wir beäugten sehnsüchtig die Stoppelfelder. Wie gerne würden wir jetzt beide mit Viva und Haddy einfach über diese immer noch goldgelb leuchtenden Felder fliegen. Strand war ja schön und gut, vor allem wohl auch ziemlicher Luxus mit dem rest von Deutschland verglichen, aber Stoppelfelder hatten ihre eigene Magie, die ihnen wohl kein Reiter absprechen konnte.

Liz seufzte leise auf. „Glaubst du am Stall sind auch schon irgendwo die Felder gemäht?"

Ich schüttelte den Kopf. „Glaube ich nicht. Du kennst Hannah, dann hätte sie schon längst etwas gesagt alleine schon, dass wir nicht den Erntemaschinen über den Weg laufen."

„Mhm", machte Liz und ließ die Schultern hängen. „Die werden bestimmt wieder zuletzt gemäht und man kann sie nur eine Woche nutzen. Ich wollte Emma dann mal anstiften Fotos zu machen."

Solche Fotos könnte ich auch mal wieder gebrauchen. Die letzten auf denen ich wirklich mal auf dem Pferd saß oder mal nicht über einen Sprung sprang waren sehr selten geworden. Dabei waren die, Mama immer lieber als die Turnierfotos. Sie meinte solche Fotos hätten mehr Seele. „Zur Not fragen wir einfach meine Mutter, ob sie die Fotos machen kann. Mama hat im Studium auch Photoshop gelernt, dann kann sie bestimmt zur Not auch die ein oder anderen Spaziergänger aus dem Hintergrund entfernen."

Begeistert nickte Liz und grinste mich breit an. „Der Sommer war vielleicht nicht unser Sommer, aber ich schwöre dir der Herbst wird es werden!"

„Beschwör hier keine schlechten Geister."

„Werde ich nicht und zur Not treiben wir die einfach zu Halloween wieder aus."

Lachend wich ich einer Pfütze auf und atmete tief die frische Landluft ein. Liz hatte diese wunderbare Eigenschaft alles pragmatisch zu sehen, ohne sich selbst zu ernst zu nehmen.

„Muss deine Mutter wirklich ausgerechnet heute mit Viva eine Stunde reiten?", fragte Liz im nächsten Augenblick.

Bedauernd nickte ich. „Was soll ich machen? Wir haben eine Abmachung. Viva gehört uns beiden. Mama will kein eigenes Pferd, also müssen wir uns Viva weiterhin teilen."

„Wie blöd! Wir könnten so viel öfter zusammen ausreiten gehen, wenn sie auch ein Pferd oder zumindest noch eine Reitbeteiligung hätte."

„Will sie alles nicht, also müssen wir uns damit abfinden und das ist wohl auch die Art meiner Eltern dafür zu sorgen, dass ich nicht nur am Stall hänge und nicht lerne."

„Deswegen fragt deine Mutter dich auch ständig Vokabeln ab. Meine Eltern stört das zum Glück kaum. Ich habe das Gefühl sie sind sogar froh drum, spätestens, seit ich mich in Mathe so verbessert habe. Mama ist vor Stolz fast geplatzt, als sie die Zwei gesehen hat."

„Wo wir schon beim Thema sind, wie war denn jetzt dein Ausritt mit Ole?"

Liz wurde rot und trat etwas langsamer in die Pedale ihres Fahrrades. „Nett. Wusstest du, dass er in Stockholm geboren ist und dort bis zu seinem zehnten Lebensjahr gelebt hat. Er muss da auf einer Insel namens Tierpark reiten gelernt haben. Die muss total toll sein, fast in der Stadt und mit ganz viel Wald."

„Wusste ich nicht." Woher auch? Bisher hatte ich mich nie wirklich lange mit Ole unterhalten und auch eher weniger privat. „Aber krass, dass er wirklich erst seit sechs Jahren in Deutschland lebt. Das hört man gar nicht."

„Das habe ich auch gedacht!", reif Liz begeistert aus. „Der ist nicht nur krass in Mathe, sondern auch gut mit Sprachen. Wie krass kann ein Typ eigentlich sein?"

„Kein Wunder, dass er sich mit Lukas angefreundet hat. Sie müssten sich dann ziemlich auf Augenhöhe begegnen."

Liz prustete los. „Augenhöhe? Die beiden? Niemals!"

Wir bogen in unsere Straße ein und hielten fast gleichzeitig vor dem Gartentor. Während Liz weiter von ihrem Ausritt schwärmte, angelte ich meinen Schlüssel aus meinem Rucksack.

Bevor ich jedoch das Gartentor aufschließen konnte, kam Mama uns schon entgegen. Sie hatte eine ihrer Lieblingsreithosen an und ihre Stiefel unter dem Arm. „Na Mädels. Wie war die Schule? Essen steht auf der Arbeitsfläche beim Fenster. Ich habe extra mehr gemacht. Ich hatte da so im Gefühl, dass Liz heute nach der Schule auch hier ist." Sie zwinkerte meiner besten Freundin verschwörerisch zu.

„Danke, Louise", bedankte Liz sich als Mama uns das Gartentor aufhielt, damit wir unsere Fahrräder an die Kellertreppe lehnen konnten. „Viel Spaß bei der Reitstunde."

„Das ist nett von dir Liz." Mamas blick wandte wieder zu mir. „Du kannst Viva heute doch reiten. Hannah hat mich überredet bekommen Donnatello heute in einer Stunde bei Fiete zu springen."

Überrascht hielten Liz und ich beide in unseren Bewegungen inne. „Was?", riefen wir fast unisono aus.

„Fiete gibt wieder Stunden?" Liz sah aus, als würde sie jeden Moment vom Glauben abfallen.

Mamas Lächeln wurde ganz stolz. „Heute ist eine Ausnahme. Den alten Zeiten willen. Jakob reitet sie ebenfalls mit. Steffi kommt auch mit einem ihrer Pferde extra angereist. Nur Elli haben wir nicht überredet bekommen."

„Steffi kommt auch?" Sofort wechselten Liz und ich Blicke. Wir dachten beide dasselbe, das sah ich Liz an der Nasenspitze an. Das würden wir uns nicht entgehen lassen!

„Denkt nicht mal dran. Ihr habt da nichts zu suchen, außer ihr heißt Elena Kickel. Fiete schmeißt euch hochkant raus!" Mahnend hob Mama eine Augenbraue und sah zwischen uns hin und her.

Enttäuscht ließen wir beide die Mundwinkel sinken. Spielverderber!

Mama schloss das schwarze gusseiserne Gartentor hinter sich und winkte uns über die Schulter zu. „Viel Spaß beim Ausreiten Mädels. Vergesst die Hausaufgaben nicht."

„Als ob wir uns auf die Hausaufgaben konzentrieren könnten, wenn nur wenige Meter von uns Fiete nach mindestens zwei Jahrzehnten wieder eine Reitstunde gibt und ausgerechnet Steffi jene mit reitet. Das muss man sich doch angucken!", maulte Liz, als wir im Flur aus unseren Schuhen schlüpften.

Ich seufzte. „Mama hat gesprochen. Ich will, wenn ich ehrlich bin auch nicht unbedingt mit Fiete in Streit geraten."

„Aber wenn wir nur mal durch die Tür spähen, wird er uns schon nicht bemerken. Ein bisschen Mäuschen spielen?" Sie grinste mich an und knuffte mich in die Seite.

„Ich weiß nicht."

„Komm schon! Was Spannenderes wird heute nicht passieren und die Hausaufgaben rennen uns schon nicht weg."

Ich schüttelte den Kopf und trat in die Küche. Vor dem Fenster stand tatsächlich eine große Auflaufform und zwei Teller. „Gerade habe ich eher Hunger."

„Essen klingt auch gut", gab Liz zu und schob sich an mir vorbei. Neugierig zog sie die Frischhaltefolie von der Form. „Ich könnte deine Mutter küssen. Ihre Lasagne ist einfach zu gut!"

„Dann mach mal Platz, sonst darfst du die klar essen!"

Liz trat sofort zur Seite und öffnete die Schublade mit dem Besteck. Sie kannte sich hier eindeutig langsam etwas zu gut aus. Sie aß allerdings auch oft nach der Schule bei uns, wenn wir Training hatten oder einfach zusammen ausreiten, gehen wollten. „Was meinte Charly jetzt eigentlich mit Lukas?"

Ich seufzte und schob die Form in den Ofen. Kurz hatte ich wirklich gehofft, dass sie es vergessen hätte. „Nicht wichtig."

„Doch! Du warst die letzten Wochen so fixiert auf ihn und plötzlich soll alles wieder vollkommen okay sein. Das kannst du deiner Oma erzählen." Das Geschirr klapperte, als sie alles von der Arbeitsfläche nahm und zum Küchentisch lief. „Also raus mit der Sprach. Was hat der Spinner jetzt schon wieder gemacht?"

„Nichts." Der Backofen leuchtet auf.

Geräuschvoll rückte Liz einen Stuhl zurecht und ließ sich an den Tisch fallen. „Bitte? Entweder er hat schon wieder richtig scheiße gebaut, oder ihr habt einander endlich mal eure Liebe gestanden."

„Du bist doch bescheuert!" Ich verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte mich an die Arbeitsfläche neben dem Backofen. „Ich will nichts von ihm und er auch nicht von mir. Wann versteht ihr das alle endlich? Wir sind nur Freunde."

Liz hob nur viel sagend eine Augenbraue und fing an gedankenverloren an dem geflochtenen Platzset vor sich herumzuzupfen. „Ihr wollt euch das nur nicht eingestehen. Ole meint auch dass Lukas sich viel zu oft nach dir erkundigen würde und auf dieser Party letzten Sommer auffällig auf dich aufgepasst hätte."

„In deinen Träumen vielleicht." Schnell wandte ich mich ab damit sie nicht sah, wie ich rot wurde. Hatte er wirklich auf mich aufgepasst? „Wie war es sonst so mit Ole?"

Liz seufzte theatralisch und legte ihre Hände in ihren Schoß. „Keine Ahnung. Ich werde aus ihm einfach nicht schlau. Der ist mega nett, aber gleichzeitig auch so schwer zu erreichen, wenn du weißt, was ich meine." Plötzlich schien ihr eine Idee gekommen zu sein, denn sie sprang voller Tatendrang auf, dass der Stuhl beinahe nachhinten umgekippt wäre. „Du könntest doch mal Lukas nach ihm etwas aushorchen. Wenn ihr wieder gut sein solltet, wird er dir bestimmt was erzählen."

„Auf gar keinen Fall!" Wo dachte sie bitte hin? So dicke waren Lukas und ich auch wieder nicht. Und ich bezweifelte außerdem auch dass er mit mir über das Liebesleben seines besten Freundes sprechen würde.

„Bitte!" Liz schob die Unterlippe vor und riss flehend die Augen auf. „Du hast dann auch etwas gut bei mir."

„Ich habe schon echt viel gut bei dir Liz! Vergiss es!"

„Man!" Sie ließ sich wieder auf den Stuhl fallen und zog ihr Handy aus der Hosentasche. "Hier schreibt wer was von einem Tumblrblog den man sich angucken soll. Aber wer nutzt schon Tumblr?" Sie lachte leise auf und scrolle dann weiter. „Wollen wir dann direkt nach dem Essen in den Stall? Lass uns wenigstens etwas Mäuschen spielen, wenn du schon Lukas für mich nicht aushorchen möchtest." 

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