Kapitel 11

Am Montag war es langsam mal etwas normaler in der Schule. Zumindest hatte ich das Gefühl weniger Leute würden mich ansehen. Wahrscheinlich war etwas anderes endlich interessanter geworden als ich. Zum Glück. Es war, als könnte ich endlich wieder etwas mehr atmen.

So konnte ich auch entspannter in meiner Freistunde mit Charly im Oberstufenraum sitzen, ohne ständig das Gefühl von Blicken im Rücken zu haben.

„Wie war euer Pferdeding?" Charly krizelte komische Muster in ihren Planer.

„Was meinst du?"

„Na das, was ihr da am Sonntag hattet."

„Ach so. War okay."

„Begeistert klingt das ja nicht."

Ich musste schmunzeln. „Komm, es interessiert dich doch nicht wirklich."

Charly hob ihren Blick. „Doch. Warum sollte es mich nicht interessieren." Wen log sie hier an?

„Du hast Angst vor Pferden und fragst nur um nett zu sein. Was hast du denn am Wochenende gemacht."

Sie rollte mit den Augen und seufzte. „Da will ich einmal eine gute Freundin sein und du versaust es mir. Ich habe geschlafen, Hausaufgaben gemacht und mit Bea endlich mal Bridgerton geguckt. Ich finds ein bisschen cheesy, aber sie war happy damit. Zurück zu dir und Liz." Charly lehnte sich vor und in ihren Augen glitzerte Neugierde auf. „Give me the Tea. Hat Liz sich ihren Schweden jetzt geklärt?"

Ich schüttelte den Kopf. „Ohne mich würde er ihr nicht mal Nachhilfe geben und Ole ist einfach so ein Typ, den du mit dem Zaunpfahl erschlagen musst."

„Oh Gott. Dann kommt Liz ja nie aus dem Knie und wir müssen ihr im schlimmsten Fall helfen, oder sie gar trösten. " Ernüchtert ließ Charly endlich ihren Kuli sinken und betrachte dann ihre Fingerkuppen. „Wie bekomme ich es eigentlich immer hin mich anzumalen? Man."

„So wie Viva es immer hinbekommt auszusehen wie Schwein. Das sind eure magischen Talente."

„Pf! Ohne Brief aus Hogwarts, glaube ich an nichts!"

Wir mussten lachen und bei einem Blick aus dem Fenster auf den Schulhof, sah ich dass sich die Wolken von heute morgen endlich verzogen hatten. Mama dürfte also einen schönen entspannten Ausritt haben.

„Mhm... Du, das wollte ich dich noch fragen. Du musst auch nichts dazu sagen, wenn du nicht willst." Plötzlich war Charly überhaupt nicht mehr selbstsicher und biss sich nervös auf der Unterlippe herum. Sie musterte mich und wuschelte sich einmal durch ihre dunkelbraune Lockenmähne, ehe sie fragte, „Stimmt das, was Nona herumerzählt? Also dass Lukas dir aus dem Weg geht?"

Ich atmete tief durch und nickte zögerlich. „Ich wollte gestern mit ihm reden, aber er hat mich weggeschlickt." Alleine bei dem Gedanken daran, wie er mich angesehen hatte wurde mir schwer ums Herz. Warum er es sich selbst nur so kompliziert?

„Warum das denn? Ihr wart doch eigentlich wieder recht dicke oder nicht?"

„Nein. Das war wohl eher eine Zweckgemeinschaft. Wir hatten beide Fragen und jetzt haben wir die Antworten." Meine Hände fingen an zu zittern und für einen kurzen Augenblick meinte ich die kühle Nachtluft wieder auf meiner Haut spüren zu können. Schnell drängte ich die Erinnerungen in die letzte Ecke meines Verstandes.

„Also ich hab auch mit Liz gesprochen und sie sagte du würdest sehr an ihm hängen." Ich konnte mir schon vorstellen was Charly mir als nächstes sagen würde.

„Sag es nicht."

„Doch. Verdammt du tust dir damit doch keinen Gefallen." Bestimmt griff Charly nach meiner Hand. „Marie! Lass den Typen los. So einem Arsch weinen wir nicht hinterher. Niemals!"

„Ich weine ihm nicht nach. Warum auch!" Ich zog ihr meine Hand weg.

Sofort verengte sie die Augen und schüttelte den Kopf. „Das tust du sowas von, Süße. Hör auf damit! Der wird keinen plötzlichen Sinneswandel haben und wieder mit dir reden, als wäre nichts. Vor allen Dingen, auch dadurch wird nicht alles wieder wie früher. Das ist einfach nur ein Arschloch, Marie!"

Das tat weh.

„Lukas ist kein Arschloch!" Ich schnaubte auf. „Er macht gerade dieselbe Scheiße durch wie ich. Ole sagte er war die ganze erste Woche nicht in der Schule und... und... Wenn du ihn so kennen würdest wie ich, dann wüsstest du, dass er gerade einfach nur eine Rolle spielt, damit niemand merkt, wie sehr ihn das alles belastet."

„Glaub mir, ich habe mir, was Typen angeht auch schon so viel eingeredet. Bei einem dachte ich echt ..."

Ich unterbrach sie. „Charly, das ist anders als deine Jungsgeschichten. Ich kenne Lukas mein Leben lang. Er war es in unserer Kindheit, der furchtlos alles zuerst gemacht hat damit ich mich traue, der immer irgendwie da war und vor allem für jede noch so dumme Idee zu haben. Lukas ist ein ruhiger bedachter Typ. Dass er jetzt so handelt... Der ist genauso durch wie ich, das kann ich dir schwören. Du hättest sehen müssen, wie er mich gestern angesehen hat."

In meiner Kehle bildete sich ein Kloß und Tränen stiegen mir in die Augen. Ich hatte ihm nie so wehtun wollen. Besonders weil ich so viele wunderschöne Erinnerungen mit ihm teilte.

„Ruhig und bedacht... ja, klar. Du weißt schon, was man sich über ihn erzählt, ja? Der ist nicht so ohne, wie du das gerne glauben möchtest. Dein Lukas soll jemanden die Treppe heruntergestoßen haben."

„Du glaubst auch echt alles, was man sich auf dem Flur erzählt. Er hat niemanden die Treppe heruntergestoßen. Das war ein dummer Unfall, für den er nichts kann. Sogar seine Mutter hat ihm nicht geglaubt."

Charly seufzte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Ist ja schon gut. Ich lasse nicht auf deinen Heiligen Ritter in der Strahlenden Rüstung kommen. Du merkst nicht mal, dass du ihn idealisierst. Nur weil er an dem Tag da war, heißt es nicht, dass er dich retten kann oder was auch immer."

„Darum geht es nicht!"

„Um was dann? Ist ja nicht so, als hättet ihr was miteinander gehabt. Ne Freundschaft geht den Bach herunter, so what! Passiert schon mal. Ich habe auch keinen Kontakt mehr zu meinen Freunden aus der Grundschule."

„Ich glaube das ist schwierig zu erklären."

„Oder nicht, wenn du dir endlich eingestehst, dass du etwas von ihm willst."

„Will ich nicht!"

„Hmh... und meine Oma kann fliegen." Herausfordernd hob Charly eine Augenbraue und wartete ungeduldig auf meine Rechtfertigung.

Unschlüssig ich leckte ich mir über die Lippen und spürte, wie mir das Blut in die Wangen stieg. „Wir haben uns ein Mal geküsst, aber das war rein platonisch."

Tatsächlich konnte man quasi in Zeitlupe sehen, wie Charlys Mine sich von Selbstsicher in Verwundert verwandelte. „Nein!"

„Sag den anderen davon bitte nichts. Ich will nicht, dass doch irgendwie herauskommt."

„Du hast mir gerade gesagt, dass du heißesten Typen der Stadt geküsst hast und erwartest von mir nicht auszuflippen? Bist du noch ganz bei Sinnen?"

Die Frage würde ich gerne zurückgeben. Sie machte mir ehrlich gesagt Angst mit ihrer Begeisterung. Würde sie mir sowas erzählen, würde ich wohl lediglich fragen, ob sie etwas für den Typen empfand und es dann dabei belassen, wenn sie mir nicht ellenlang von ihm vorschwärmte.

„Wie war es?"

Ich zuckte mit den Schultern. Was wusste ich. Vergleichswerte hatte ich ja sowieso nicht und außerdem warum redeten wir jetzt über dieses Thema.

„Sag schon!" Charly schmollte. „Da vertraust du mir ein Geheimnis an und willst mir nicht mal die schmutzigen Details erzählen."

„Welche Schmutzigen Details? Es war nur ein Kuss. Mehr nicht."

„Das ich das von dir einmal hören würde... Sonst guckt du die Jungs nicht mal mit Arsch an und kaum konnte dein absolut sexy Kindheitsfreund zurück ins Bild küsst du den einfach mal. Weil ist ja nichts Besonderes."

„So war das nicht. Ich weiß auch nicht, wie ich das erklären soll. In dem Moment fühlte es sich richtig an und tröstlich, aber ansonsten war nichts dahinter."

Wenn ich die Augen schloss, konnte ich wieder Wellen rauschen hören. Den Sand unter mir spüren und seine weichen Lippen auf meinen. Etwas zog in meiner Brust und plötzlich wurde diese eigentlich schöne Erinnerung einfach nur traurig.

„Das kannst du deiner Mutter erzählen."

„Da kennst du sie aber schlecht. Unsere Mütter sind der Meinung wir sollten später einmal Heiraten und hätten das Potenzial für eine wunderschöne Liebesgeschichte."

Mama würde ausflippen und wahrscheinlich schon heimlich anfangen alles für den Fall der Fälle, dass es mit uns ja etwas werden könnte, anfangen sich ein Moodboard nach dem Nächsten anzulegen.

„Hast du dich mal gefragt was wäre, wenn das nicht passiert wäre?"

Zögerlich nickte ich. „Ich weiß nicht was dann gewesen wäre."

„Also meiner Meinung nach gibt es da nur zwei Szenarien. Erstens ihr wäret einfach nur Freunde und Zweitens naja eben etwas mehr."

„Ich passe doch gar nicht zu ihm. Schminkt euch das alle einfach ab und lass uns das vergessen. Wir werden niemals ein Paar sein und nur mit ganz viel Glück wieder Freunde."

Hinter uns knarrte plötzlich ein Stuhl. Blitz schnell drehten wir uns beide um und sahen den Neuen hinter uns sitzen und uns anstarren. Sein Blick lag so intensiv auf mir, dass nur noch wegwollte. Er verunsicherte mich und das nicht auf eine gute Art.

„Scheiße!", fluchte Charly.

„Lass uns gehen." Ich stopfte wahllos meine Sachen in meinen Rucksack und sprang auf noch ehe Charly etwas sagen konnte.

Etwas stimmt mit diesem Typen nicht und ich wollte auch nicht herausfinden was es war. Ich wollte einfach nur so weit weg von ihm wie es nur ging. 

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