5 | Kuba
C O L E
Mit einem neugierigen Blick schaue ich aus dem offenen Fenster und beobachte die Menschen auf den Straßen, während wir im Taxi sitzen, das uns zu unserem Zuhause für die nächsten Tage fährt.
Ich habe noch nie in meinem Leben eine solch ausgelassene Stimmung auf einem Haufen gesehen. Alle haben ein Lächeln im Gesicht und scheinen sich gut zu amüsieren, auch wenn es keinen Anlass dafür gibt. Eine kleine Gruppe tanzt zu den Gitarrenklängen, die ein älterer Mann spielt. Ältere Frauen klatschen im Hintergrund, während die Kinder Fußball spielen.
Ein faszinierender Anblick, den ich so nicht kenne. Bei uns in der Stadt sind alle mit ihren Businesskoffern unterwegs, während sie ihr Telefon am Ohr halten und dem Wahn des Alltags verfallen sind. Und da bin ich keine Ausnahme, auch wenn die Klatschzeitschriften etwas anderes behaupten.
Aus diesem Grund bin ich umso mehr beeindruckter, weil es für mich aussieht, als würden sie jeden Moment in ihrem Leben vollkommen auskosten.
Die Sonne scheint kraftvoll auf uns hinab, sodass ich mehrmals durch meine Haare fahre, die mir ins Gesicht fallen. Ein Schweißfilm benetzt meine Stirn und auch wenn ich mein Hemd an den Ärmeln hochgekrempelt habe, ist es hier fürchterlich heiß. Automatisch greife ich nach meiner Wasserflasche, um mehrere Schlücke daraus zu trinken.
Mit einem Seitenblick mustere ich Charlie, die seit dem Flughafen ungewöhnlich ruhig ist. Kann aber auch daran liegen, dass ich mich nach ihrer Aussage ein wenig zurückgezogen habe. Eigentlich sollte es mich nicht überraschen, dass sie ein solches Bild von mir hat. Immerhin lege ich es darauf aus, dass mich die Welt als den Partylöwen betitelt.
»Llegaremos pronto«, höre ich den Fahrer sagen, weshalb ich ihm zunicke. Ich kann es kaum erwarten endlich anzukommen und unter die Dusche zu hüpfen, um den Schweiß von meinem Körper zu waschen.
»Was hat er gesagt?«, murmelt Charlie leise, das Gesicht von mir abgewendet.
»Dass wir bald da sind.«
Charlie erwidert nichts darauf, sondern starrt noch immer aus dem Fenster.
Meine Augen kleben weiterhin auf ihrer Erscheinung, mustern sie prüfend. Und mit dieser Frau werde ich die nächsten Tage oder Wochen verbringen müssen? Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist, als ich ihr den Vorschlag unterbreitet habe. Wir beide sind wie Öl und Wasser. Tag und Nacht. Und alles andere, was es sonst noch für Gegensätze gibt.
Wie oft hat sie mich in den Wahnsinn getrieben und dabei keine Reue verspürt? Wie oft hat sie mich herausgefordert, ohne Angst zu haben? Verdammt! Diese Frau ist alles, was ich nie wollte und trotzdem konnte ich nicht anders, als sie hierher einzuladen.
Wenn sich das nicht als Fehler erweist.
»A los dos os encantará Cuba. La comida, la playa y, sobre todo, la música y las fiestas«, redet der Taxifahrer weiter und wirft einen kurzen Blick in den Rückspiegel.
Mein Spanisch ist ein wenig eingerostet. Zwar kann ich jedes Wort verstehen, aber leider nicht sprechen. »Wir freuen uns sehr darauf, hier zu sein. Das Essen habe ich noch in guter Erinnerung.«
»Oh, ihr Amerikanos? Descupla, mein Englisch nicht gut.«
Schulterzuckend winke ich mit der Hand ab. »Das macht nichts.«
Plötzlich richtet sich Charlie im Sitz auf und lehnt sich nach vorne. Ihre Hände stützen sich am Beifahrersitz ab, während ihre Augen neugierig den Mann vor uns mustern. Außerdem kräuselt sie ihre kleine Stupsnase, wie sie es immer tut, wenn sie etwas interessiert.
»Oh, Sie können Englisch sprechen? Können Sie uns sagen, was es hier alles zu sehen gibt oder was wir nicht verpassen dürfen?«
»Las fiestas«, kommt es sofort aus seinem Mund, weshalb die kleine Goldflocke die Augenbrauen zusammenzieht und mich Hilfe suchend anblickt.
»Er redet davon, dass wir hier unbedingt feiern müssen«, übersetze ich sofort, weshalb sie mir dankbar zunickt. Endlich ignoriert sie mich nicht mehr.
»Sí. Hier die besten. Con tu marido tanzen und trinken.«
»Oh nein!«, rufen wir beide aus. »Nein, nein, nein«, fährt Charlie fort und schüttelt dabei energisch den Kopf. »Wir sind nicht verheiratet. Eher flüchten wir vor unserer eigenen Hochzeit.«
Die Augen des älteren Mannes weiten sich mit jedem Wort, das aus ihr heraussprudelt. Mich interessiert jedoch etwas ganz anderes.
»Das hast du verstanden?«, will ich von ihr wissen, weil sie noch vor einer Sekunde einen Dolmetscher gebraucht hat.
»Die süßen Dinge verstehe ich ganz gut, Lackaffe.«
Süße Dinge? Hatte sie einen spanischen Exfreund, der ihr solche Sachen zugeflüstert hat? Ein Kloß bildet sich in meinem Hals, den ich mühsam versuche herunterzuschlucken, als ich nur daran denke. Mein Körper schüttelt sich bei dem Bild, das vor meinem inneren Auge erscheint. Verdammt! Ich will mir Charlie nicht mit einem anderen Mann vorstellen. Das ist doch ekelhaft.
»Usted está loco.« Kopfschüttelnd blickt er uns beide an, bevor er seine Augen wieder auf die Straßen richtet und gleichzeitig auf das Lenkrad schlägt. »Los jóvenes ya no reconocen el amor. Se han vuelto locos. Escapa, no me hagas reír.«
Bitte? Ich erkenne Liebe, wenn ich sie sehe. Charlie und ich jedoch hegen keinesfalls in diese Richtung Gefühle füreinander. Eher friert die Hölle zu, bevor sowas passiert.
»Worüber spricht er?«, hakt Charlie leise nach und rückt ein Stück näher zu mir. Ihr vanilleartiger Duft strömt durch meine Sinne. Auch wenn ich sie nicht ausstehen kann, riecht sie wundervoll. Wie ein leckerer Nachtisch, von dem man nicht genug bekommen kann.
»Das willst du nicht wissen«, flüstere ich ihr zu.
Für einen kurzen Moment sehen wir uns in die Augen. Früher dachte ich immer, dass ihre Iriden blau wie der Ozean sind. Aber das stimmt nicht ganz. Sie sind viel mehr als nur blau. Grüne Sprenkel vermischen sich mit den Tiefen der Meere und lassen es endlos erscheinen. Zuerst würde man denken, dass sie dunkel sind, jedoch strahlen sie wie ein funkelnder grün bedeckter Wald.
Die Zeit scheint still zu stehen, während ich nichts anderes wahrnehmen kann. Als hätte alles um uns herum an Bedeutung verloren, da nur wir beide wichtig sind.
Mein Mund öffnet sich, die Worte liegen mir bereits auf der Zunge, als wir beide zusammenzucken.
Mit geweiteten Augen sehen wir nach vorne. Unser Taxifahrer lächelt uns verschmitzt an und schüttelt zeitgleich den Kopf.
»Y luego dicen que no hay amor involucrado.«
Wieso labert er die ganze Zeit von Liebe? Natürlich ist kein derartiges Gefühl im Spiel, wenn es um uns beide geht. Das wäre das Sahnehäubchen auf der Torte, wenn so etwas passieren würde. Vor allem, wenn man bedenkt, wieso wir eigentlich hier sind.
»Wir da«, sagt er noch auf gebrochenem Englisch und zeigt auf das kleine Haus, mit einem wundervollen Vorgarten.
Endlich. Nichts wie weg von diesem Verrückten.
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