24 | Wunsch
C H A R L I E
Mit erwartungsvollem Blick sehe ich ihn an, nachdem wir im Wohnzimmer Platz genommen haben. Meine Hände sind noch immer abwehrend vor meiner Brust verschränkt. Zudem lehne ich mich zurück, sodass ich einen größeren Abstand zwischen uns schaffen kann. Nicht aus dem Grund, dass ich ihn nicht bei mir haben möchte, sondern weil mich sein Duft einlullt, sobald ich ihn intensiver wahrnehme. Und das wäre nicht hilfreich in diesem Moment.
Noch immer kann ich es nicht glauben, dass er ein Gespräch mit mir möchte und dafür seinen Wunsch hergibt. Nun ja, einfach habe ich es ihm nicht gemacht. Aber ich muss gestehen, dass ich nicht wusste, was ich ihm eigentlich sagen sollte. Und ich muss zugeben, dass ich große Angst vor seiner Erklärung habe.
Was, wenn meine Mutter recht hat und er mir nur etwas vorgemacht hat?
Nachdem ich es nicht über das Herz gebracht habe, ihn wieder fortzuschicken, sind wir schweigend ins Haus hineingegangen. Seit dem schauen wir uns an. Niemand von uns hat bisher den ersten Schritt gewagt und die Stille unterbrochen. Während ich nicht weiß, was ich sagen sollte, sieht Cole nachdenklich aus.
Das Blut rauscht durch meine Adern. Ich kann es hören, so laut ist es. Meine Hände sind nass und ich versuche die Aufregung zu mildern. Was aber alles andere ist als einfach.
Zwar ist das beißende Gefühl des Verrats noch immer da, frisst sich durch mein Inneres und hinterlässt einen üblen Beigeschmack. Trotzdem hat mein Unterbewusstsein die Hoffnung nicht verloren, dass meine Mutter die Worte zu ihren Gunsten verdreht hat. Dass sie mir noch einen letzten Schlag verpassen wollte und mir das zerstört hat, was mir wichtig ist.
Das wäre typisch für sie und nicht das erste Mal, dass es passiert.
Cole räuspert sich kurz und katapultiert mich zurück ins Hier und Jetzt. Ich kann sehen, wie er nach den richtigen Worten sucht, ehe er tief aufseufzt, nachdem er mit den Händen über das Gesicht fährt.
»Es tut mir leid, Charlie. Es tut mir alles so schrecklich leid.«
Dass er seine Worte ernst meint, ist ihm deutlich anzusehen. Von dem charismatischen Mann, der für jeden Spaß zu haben ist, ist nichts mehr zu sehen. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass er Liebeskummer verspürt. Aber das kann nicht sein, oder? Vielleicht ist er aber auch nur müde, jetzt, wo er sich seine eigene Firma aufbauen will.
»Entschuldigung angenommen«, murmle ich leise und versuche mich an einem Lächeln, was mir nicht sonderlich gut gelingt.
Außerdem ist es gerade mehr als komisch. Die Unbeschwertheit ist verschwunden. Nicht einmal nach unseren Bruch in der Highschool hat es sich so angefühlt.
Ist es bereits zu spät, oder können wir das noch retten? Will ich das überhaupt? Alles Fragen, worauf ich keine Antwort habe. Noch nicht.
»Ich weiß, dass ich einen unfassbar dummen Fehler gemacht habe. Es wäre besser gewesen, wenn ich sofort mit offenen Karten gespielt hätte, nur …«
Seine Stimme bricht, bevor er seine Augen schließt und sich verzweifelt durch die Haare fährt.
»Nur was?«, will ich mit schief gelegtem Kopf wissen.
»Du hast so glücklich ausgesehen. Als hättest du dich vom Käfig deiner Eltern befreien können. Da wollte ich mit so etwas nicht die Stimmung kaputt machen«, gibt er zu, ehe er tief Luft holt. »Obendrein war es nicht so, wie es deine Mutter gesagt hat. Wirklich nicht.«
»Wie war es dann?«
»Kannst du dich noch an die rothaarige Frau vom Flughafen erinnern?«
Ich nicke. Worauf will er hinaus?
»Du hast angenommen, dass sie sich mir an den Hals geworfen hat, jedoch stimmt das nicht ganz. Sie ist die Tochter einer guten Freundin meiner Mutter. Als sie uns beide dort gesehen hat, wusste ich sofort, dass sie es ihnen erzählen wird.«
Wie bitte? Die beiden kennen sich? Für mich hat das Ganze damals anders ausgesehen.
»Also hast du danach unsere Eltern benachrichtigt?«, will ich wissen. Langsam füge ich die Puzzleteile zusammen, die mir vorher eine Menge Schmerzen verursacht haben.
»Ich wusste nicht, was ich sonst tun sollte. Sie hätten jemanden geschickt, also habe ich ein wenig Zeit gewonnen. Ich habe meine Mutter angerufen und ihr weisgemacht, dass wir bald wieder zurückkommen. Nie habe ich erwähnt, dass wir trotzdem heiraten werden, jedoch haben sie es angenommen. Wieso auch immer.«
Ruckartig stehe ich auf und tigere im Raum auf und ab. Gleichzeitig wedle ich mit meinen Händen, sodass fast eine Vase zu Bruch geht. Aber das ist mir in diesem Moment sowas von egal.
»Wieso hast du es mir nicht einfach gesagt? Wieso dachtest du, dass es besser wäre, mir sowas zu verschweigen? Hätte ich es gewusst, wäre es anders gekommen und ich hätte meiner Mutter vielleicht nicht geglaubt.«
Cole steht ebenfalls auf und kommt mir einen Schritt näher.
»Im Nachhinein ist mir das auch klar geworden. Aber zu dem Zeitpunkt wollte ich dich nicht traurig sehen. Kuba hat dir gutgetan und dich Dinge fühlen lassen, die ich dir nicht wegnehmen wollte. Heute würde ich es ebenfalls anders machen. Vor allem, da ich dich deshalb verloren habe.«
Ein neues Gefühl macht sich in meinem Inneren breit. Ein Feuer, das in meinem Bauch wütet und alles um mich herum in Asche versetzen will.
Hört er sich überhaupt selbst zu?
»Weißt du, was ich dachte? Dass wir ehrlich zueinander sind. Für einen Moment habe ich wirklich gedacht, dass ich dir vertrauen kann und du hast mich einfach belogen.«
Wir kommen uns immer näher. Mein Finger zeigt auf ihn, bis er sich in seine Brust bohrt. Dabei schauen wir uns in die Augen. Die Stimmung im Raum hat sich mit einem Schlag verändert. Anstatt, dass wir es in Ruhe klären, braut sich ein Sturm zusammen. Oder besser gesagt, ein Tornado. Und ich bin mir nicht sicher, ob wir da wieder heil herauskommen, wenn man zusätzlich das Feuer bedenkt. Keine gute Kombination.
»Ich wollte dich nur aus der Schusslinie ziehen, Charlie! Dass ich ein Idiot bin, ist mir selbst klar. Aber ich habe in dem Moment nur die Frau beschützen wollen, die ich liebe! Ist das so schwer zu verstehen?«
»Du musst mich nicht beschützen, du verflixter Lackaffe! Das kann ich selbst tun!«
Seine Hände legen sich auf meine Schultern, bevor er mich leicht schüttelt. »Hast du mir gerade nicht zugehört? Ich weiß, dass du stark bist und niemanden brauchst, aber trotzdem wollte ich es tun und ich werde es auch weiterhin immer wieder tun, Goldflocke.«
Mit großen Augen blicke ich ihn an. Sein Duft umhüllt meine Sinne und die Berührung löst ein Durcheinander in meinem Inneren aus. Eine Gänsehaut bildet sich auf meinem gesamten Körper, alles kribbelt und ich kann nicht anders, als meine Hände auf seine Brust zu legen.
Sein Herz pocht unter meinen Finger. Schnell und stark. Ich kann seinen Atem auf meiner Wange spüren, während ich tief Luft hole, als wäre ich einen Marathon gelaufen.
Dieser Mann schafft es jedes Mal mich aus der Bahn zu werfen. Funken sprühen, wo wir uns berühren. Der Sturm hat sich mit einem Mal gelegt, wurde durch das bekannte Feuer ersetzt, dass lichterloh brennen möchte.
»Wieso?«, flüstere ich und entlocke ihm damit ein Schmunzeln.
»Soll ich es zum dritten Mal wiederholen, Goldflocke?«, stellt er mir eine Gegenfrage.
»Wieso liebst du mich?«, hake ich genauer nach.
»Ehrlich gesagt, weiß ich es nicht. Du treibst mich in den Wahnsinn, bietest mir die Stirn, was ziemlich nervig ist. Trotzdem hast du es geschafft und dich in meinem Herzen eingenistet. Und irgendwie willst du von dort nicht mehr verschwinden.«
Für eine endlos erscheinende Sekunde bleibe ich still und lasse die Worte auf mich wirken.
»Du nervst mich auch, Cole. Auch wenn es unlogisch ist, liebe ich dich aus diesem Grund.«
Ohne Vorwarnung schließt er seine Hände um mein Gesicht und zieht mich nah an sich heran, bevor er unsere Lippen miteinander verschmilzt. Und ich damit endgültig verbrenne.
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