19 | Einkaufsbummel
C H A R L I E
Der Stoff meines Kleides wirbelt um meine Beine, als ich in die süße Altstadt biege und mich vom Herzen dieses Ortes verzaubern lasse. Ein breites Grinsen ziert meine Gesichtszüge, während ich all diese liebevollen Menschen beobachte. Es ist immer wieder faszinierend, was für eine riesige Lebensfreude hier herrscht. Auch wenn sie bestimmt keinen Schimmer haben, lernten sie mich die letzten zwei Wochen eine ganz wichtige Sache.
Außerdem muss ich zugeben, dass der Lackaffe, der heute am Strand verweilt und die Sonne genießt, ebenfalls Teil davon ist. Seit er mir offenbart hat, dass er mich mag, grinse ich die ganze Zeit wie ein Honigkuchenpferd.
»Buenos días, Charlie«, begrüßt mich Hektor, ein älterer Mann, der mich breit lächelnd anstrahlt.
»Buenos días, alter Mann.«
Seit ich vor einigen Tagen diesen Fleck entdeckt habe, komme ich jeden Morgen hierher. Dieser Ort hat etwas Beruhigendes und Magisches an sich, weshalb ich mich gerne in eine andere Welt entführen lasse. Zudem gibt es hier die besten Früchte, die ich in meinem Leben gegessen habe.
»Wen du alt nennen? Mich?«
Lachend nicke ich mit dem Kopf. »Was gibt es heute Spezielles, was ich unbedingt probieren muss?«
Er zeigt mit dem Finger auf die bräunliche kugelrunde Frucht, die mir bereits einige Male aufgefallen ist. »Mamey. Sehr lecker. Tienes que probarlas. Aber nein, nicht gehen. Du mich alt genannt.«
Schmollend verschränkt er die Arme vor der Brust und blickt auf die Seite. Das Lachen versuche ich dabei zu unterdrücken, aber er sieht echt niedlich aus. Ich räuspere mich, damit er seinen Blick wieder auf mich richtet und zwinkere ihm spielerisch zu.
»Du weißt doch, wenn ich in deinem Alter wäre, würde ich mich sofort mit dir verabreden.«
Sofort hellt sich sein Gesicht auf, während er mit den Fingern durch seine ergrauten Haare fährt. »Du nicht zweimal fragen müssen. Salsa tanzen und genießen mit mir. Ich guter Tänzer.«
»Das glaube ich dir sofort, Hektor. Irgendwann tanzen wir mal zusammen. Versprochen.«
»Entonces es un trato, suerte la mía«, sagt er mit einem breiten Grinsen, ehe er mir die Frucht entgegenhält, da ich wohl das richtige gesagt habe, um ihn wieder umzustimmen. Neugierig nehme ich eine in die Hand. Von außen her erinnert mich die Frucht an Kiwi, nur ist sie etwas größer und fester. »Saftig, lecker und gut. Wirklich gut«, fügt er noch hinzu.
»Okay, dann nehme ich vier Stück davon.«
»Para mí también, por favor«, höre ich plötzlich eine bekannte Stimme neben mir, weshalb ich mich zu der Person umdrehe. »Hola amiguita«, begrüßt mich Romeo mit einem Kuss auf die Wange.
»Wie schön dich hier zu sehen!«, erwidere ich ebenfalls lächelnd und nehme von Hektor die Tasche mit den frischen und exotischen Früchten entgegen.
Seit unserem Abendessen haben wir uns nur noch einmal auf einen Drink getroffen. Leider haben wir es nicht geschafft uns öfters zu sehen. Romeo und Jesus sind wirklich zwei wundervolle Menschen, die ich sehr schnell ins Herz geschlossen habe.
»Mein Mann hat mir eine Einkaufsliste in die Hand gedrückt, bevor er zur Arbeit gefahren ist. Also kannst du dich bei ihm bedanken.«
Zusammen entfernen wir uns von dem Früchtestand, nachdem wir uns von meinem Lieblingsverkäufer verabschiedet haben und schlendern durch die Gassen der Altstadt.
»Soll ich dir Gesellschaft leisten?«
Romeo zuckt bloß mit den Schultern. »Wenn du Zeit hast, wieso nicht. Aber trinken wir zuerst einen Kaffee zusammen«, schlägt er vor und nickt mit dem Kopf in die Richtung eines Cafés mit einer kleinen gemütlichen Terrasse.
»Klar, da kannst du mir auch gleich erzählen, was du die letzten Tage so getrieben hast.«
»Sehr wahrscheinlich weniger als du, wenn ich mir dich so ansehe«, kontert er sofort, weshalb sich eine leichte Röte auf meinen Wangen bildet.
Ist das so offensichtlich?
»Romeo!«, kreische ich und halte eine Sekunde später die Hand vor dem Mund, da uns durch meinen Ausruf alle Gäste anstarren.
»Was denn? Ist doch nichts dabei, Charlie.«
»Doch für mich schon«, protestiere ich, ehe ich mich an den Tisch setze und ihn mit schief gelegtem Kopf anblicke. »Merkt man mir das wirklich an?«
Nein, oder? Wie will man mir das ansehen? Ist ja nicht so, als würde mir auf der Stirn »frisch gevögelt« draufstehen. Oder gibt es da etwas, das ich übersehe? Kurz wandert mein Blick meinen Körper hinab, aber sie können nichts erkennen, was darauf schließen lässt.
Amüsiert funkeln mich seine Augen an, während er die Lippen zusammenpresst, da er sich ein Lachen verkneifen muss. »Hach, amiguita. Du strahlst wie ein glitzernder Diamant und das ist wirklich schön zu sehen. Kann aber auch einfach an uns Kubaner liegen. Unsere Einstellung ist ansteckend.«
»Vielleicht ein wenig von beidem?«, gebe ich beschämt zu und halte mir die Hände vor das Gesicht.
»Ha! Ich wusste es!«
»Psst! Nicht so laut, Romeo.«
Mit zusammengekniffenen Augen mustert er mich haargenau. »Erzähl schon! Du machst mich neugierig.«
Verhemmt schüttle ich mit dem Kopf. »Keine Chance. Von mir erfährst du kein Wort.«
»Spielverderberin.«
Während ich so tue, als würde ich ihn nicht hören, gleitet mein Blick über die Terrasse. Die bunten Blüten ergänzen die Holztische und die Stühle, die aus dem gleichen Material sind, perfekt. Lange kann ich mich aber darauf nicht konzentrieren, da ich bemerke, wie uns die Leute noch immer anstarren und leise miteinander tuscheln.
»Wieso schauen uns alle so an?«, hake ich unsicher nach und rutsche auf dem Stuhl hin und her.
Irgendwie macht mich das ganz nervös, da ich keine Ahnung habe, was hier los ist. Aber es fühlt sich unangenehm an. Zum ersten Mal hier auf Kuba, spüre ich eine andere Stimmung aufkommen, als das unbeschwerte Gefühl, das ich sonst verspüre. Und das nach einem Wimpernschlag.
Romeo schaut sich ebenfalls um. »Keine Ahnung, amiguita.«
Die Kellnerin nähert sich uns, während sie mir ein unsicheres Lächeln schenkt. »Hola! Was kann ich euch bringen?«
»¿Qué pasa aquí, Marina?«
Nur mit einem Ohr höre ich die beiden auf Spanisch miteinander sprechen, da ich sowieso kein Wort verstehe. Viel mehr versuche ich mich auf die Menükarte zu konzentrieren. Das stellt sich schwieriger heraus, als ich dachte. Die Blicke, die wie Feuer auf meinem Rücken brennen, sind nicht gerade hilfreich. Am liebsten würde ich jetzt einfach aufstehen und von hier verschwinden. Einfach die Flucht ergreifen und Cole suchen gehen.
Ein Pfeifgeräusch lässt mich aber wieder aufblicken. Mein Begleiter sieht mich aus großen Augen an, ehe er mir die Zeitung übergibt, indem ein riesiges Foto von mir und Cole abgebildet ist.
Mit großen Buchstaben prangt die Schlagzeile über dem Bild, die ich nicht habe kommen sehen. Mir wird übel, als ich es mir durchlese und mir klar wird, weshalb ich so angestarrt werde.
»Charlie Stuart und Cole Bennett wurden auf Kuba gesichtet. Während ihre Eltern verzweifelt nach ihnen suchen, machen die beiden es sich am Strand gemütlich.«
»Ich wusste gar nicht, dass du eine kleine Berühmtheit in den Staaten bist, amiguita.«
Genau davor habe ich mich gefürchtet. Mein Alptraum ist gerade Realität geworden, auch wenn mir immer klar gewesen ist, dass sie uns irgendwann finden werden. Nur habe ich nicht gedacht, dass es so früh sein wird.
Verflixt! Ich kann das nicht.
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