C O L E
Mit zitternden Händen schließe ich die letzten Knöpfe an meinem Hemd, während ich mich im Spiegel anschaue. Dabei blicke ich direkt in mein Gesicht, auf dem keine Sorgenfalte zu finden ist. Nicht einmal dieser stoische Blick, den ich zu Hause jedem präsentiere, ist vorhanden. Viel mehr haben sich Lachfältchen gebildet, die ich lange nicht mehr gesehen habe. Lachfältchen, die ich nur einem Menschen verdanken kann, von dem ich es niemals für möglich gehalten hätte.
Nur der Gedanke an diese Frau lässt mein Herz schneller in meiner Brust schlagen. Die blonden Locken und die ozeanblauen Augen mit den tannengrünen Sprenkeln lassen sie wie eine Elfe erscheinen. Auch wenn sie alles ist, nur nicht unschuldig. Dafür hat sie eine viel zu spitze Zunge und vertritt ihre Meinung mit einer solchen Überzeugung, die ich selten erlebt habe. Ich würde sogar behaupten, dass nicht mal ein erfahrener Geschäftsmann gegen sie ankommen könnte.
Bei dieser Vorstellung muss ich leise auflachen. Charlie würde ihn in Stücke reißen, wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat und dafür kämpft. Wie eine Löwin, die ihre Welpen schützt.
Einen letzten Blick werfe ich in den Spiegel, ehe ich die Schlüssel für das Auto schnappe, das ich für heute gemietet habe und mich auf die Suche nach meinem Date begebe.
Charlie steht bereits im Wohnzimmer und reibt sich die Arme, während ihr Blick überall umherhuscht. Einen Moment bleibe ich stehen und lehne mich an dem Türrahmen, ehe ich mich leise räuspere.
»Bist du nervös?«
Sofort dreht sie sich zu mir um und fasst sich an die Brust. »Verflixt Cole! Schleiche dich doch nicht so an mich heran.«
Unschuldig hebe ich meine Hände in die Höhe. Trotzdem kann ich nicht verhindern, dass sich meine Mundwinkel leicht nach oben biegen. »Tut mir leid. Seit wann bist du so schreckhaft?«
»Seit jetzt, Cole«, ruft sie aus und wendet sich wieder von mir ab, um ihre Röte zu verbergen, die ihr zauberhaftes Gesicht ziert.
Bevor eine Diskussion zwischen uns ausbricht, beiße ich mir auf die Zunge und schüttle leicht den Kopf. Manchmal ist es eben besser den Mund zu halten, um das Biest nicht zu wecken, dass in ihrem Inneren schlummert.
»Wollen wir? Die Tasche kannst du hier lassen, da du sie nicht brauchen wirst.«
Was sie wohl zu unserem heutigen Programm sagen wird? Vielleicht denkt Charlie, dass ich sie bloß zum Essen ausführe, aber das ist nicht der Fall. Zwar werden wir gemeinsam Essen, aber davor müssen wir etwas anderes erledigen. Meine Finger kribbeln, wenn ich nur daran denke. Das wird ein interessanter Abend und ich hoffe, dass er ihr ebenfalls gefallen wird.
»Nicht? Bist du dir sicher?«, hakt sie zweifelnd nach, sodass ich innehalte und mich zu ihr wende.
Mein Blick gleitet ihren Körper hinab. Sie hat sich meinen Rat zu Herzen genommen und eine erdfarbene Bermudashorts angezogen, zusammen mit einer leichten sonnengelben Bluse. Darunter hat sie noch ein weißes Top an, da es ein durchschimmernder Stoff ist und sonst zu viel zeigen würde.
»Natürlich bin ich mir sicher. Also hopp, raus mit dir. Sonst kommen wir noch zu spät.«
Immer noch unsicher verlassen wir zusammen das Haus, ehe sie vor dem Truck stehen bleibt und mich mit hochgezogenen Augenbrauen mustert. »Größer ging wohl nicht, was Lackaffe?«
»Was meinst du damit?«, hakte ich nach, bevor ich die Tür öffne und ihr über das Dach einen Blick zuwerfe.
»Na ja, wie sagt man doch? Je größer das Auto, desto schlimmer das Ego, oder etwa nicht?«
Perplex blinzle ich einige Male schnell hintereinander, ehe ich in schallendes Gelächter ausbreche. »Oh, Charlie«, stoße ich zwischen den Lacher hervor.
»Was denn?«, murrt sie eingeschnappt und verschränkt ihre Arme vor der Brust.
»Glaub nicht alles, was du hörst, Goldflocke. Und keine Sorge, ein größeres Ego als du, besitze ich definitiv nicht.«
Noch immer beben meine Schultern, als ich den Motor starte, nachdem wir in das Auto eingestiegen sind. Ich kann nicht glauben, dass sie sowas ernsthaft von sich gibt. Woher hat sie sowas? Für mich hört es sich ein wenig klischeehaft an, was nicht immer der Wahrheit entspricht.
Sobald ich den Wagen auf die Straße lenke, greife ich nach ihrer Hand und wie selbstverständlich verschränke ich unsere Finger. Charlie lächelt mich nur an, jedoch kommentiert sie es nicht. Was soll sie auch dazu sagen? Wir wissen beide, dass es sich richtig anfühlt und seit dem wir auf Kuba sind, etwas zwischen uns passiert ist. Und ehrlich gesagt ist es mir egal was früher war, da ich herausfinden möchte, wohin uns das führen wird.
»Wir könnten ein Spiel spielen, Lackaffe«, durchbricht Charlie die Stille und schaut neugierig aus dem Fenster.
»Ach ja? Und was für ein Spiel schwebt dir vor?«
»Na was wohl? Ein Ratespiel. Du gibst mir einen Tipp und ich versuche zu erraten, wohin du mich bringst.«
Das Lächeln auf meinem Gesicht will gar nicht mehr verschwinden. Zudem finde ich ihre Neugierde wirklich putzig. Ich könnte sie den ganzen Tag anschauen und ihre Bewegungen studieren. Wie sie sich auf die Lippe beißt und ihre Nase dabei kräuselt, während sie sich gleichzeitig auf das Kinn tippt. Dabei erinnert sie mich an meine Katze, die ich als Kind hatte, die ebenfalls so verdammt gwundrig war.
»Keine Chance, Goldflocke. Ich werde dir kein Wort verraten. Lass dich einfach überraschen und genieße die Fahrt.«
»Ich versuche es trotzdem«, murmelt sie leise vor sich hin und bringt mich nochmals zum Lachen.
»Ich habe auch nichts anderes erwartet. Also erzähl mal, was denkst du, wohin bringe ich dich?«
Charlie holt nicht einmal Luft, als sie sich zu mir umdreht und mich mit zusammengekniffenen Augen anblickt.
»Also, ich denke jetzt einfach, dass wir miteinander essen gehen werden«, fängt sie an und mustert mich dabei prüfend.
Charlie will keine Reaktion meiner Mimik verpassen. Aus diesem Grund versuche ich die Maske aufzusetzen, die ich jahrelang getragen habe. Nur gelingt mir das nicht so, wie ich es gerne hätte. Außerdem fühlt es sich falsch an, weshalb ich kurz darauf meine Lippen zu einem schmalen Strich verziehe.
Was ist nur los mit mir? Liegt das an Charlie?
Als würde sie nicht bemerken, dass ich in meinem Inneren gerade einen kleinen Kampf ausfechte, grübelt sie laut nach.
»Vielleicht gehen wir mit den Delfinen schwimmen. Aber ist es dafür nicht zu spät? Hm, lass mich überlegen. Es könnte aber auch sein, dass wir in den Vergnügungspark fahren, mit dieser unglaublichen Achterbahn, die einen Looping nach dem anderen dreht. Aber ich weiß noch, wie ich das letzte Mal meinen gesamten Mageninhalt ausgekotzt habe. Nein, das wäre eine schlechte Idee. Sag mir lieber, dass wir nicht dorthin fahren. Bitte.«
Ich hebe bloß eine Augenbraue in die Höhe, da ich genau weiß, was sie da macht. Aber das wird nicht funktionieren.
»Wie gesagt, ich verrate es dir nicht. Aber du kannst gerne weiter rätseln. Mich würde es aber überraschen, wenn du es herausfinden würdest.«
Im Gegensatz zu Charlies Taktik funktioniert meine einwandfrei. Ihre Neugier wird immer größer, was mir ein Schmunzeln entlockt.
»Du bist gemein!«, höre ich sie sagen, ehe sie ihre Unterlippe ein Stück nach vorn schiebt.
»Du kannst so lange schmollen wie du willst, Goldflocke. Ich kann dir aber versichern, dass es dir gefallen wird.«
Da mich Charlie die ganze Zeit über beobachtet hat, merkt sie erst als ich den Motor abstelle, dass wir angekommen sind. Augenblicklich steigt sie aus dem Wagen aus und schaut sich neugierig um. Alle Schilder sind jedoch auf Spanisch, weshalb es schwer für sie ist, etwas zu verstehen. Es sieht hier aber auch gar nicht danach aus, als würden wir etwas unternehmen können, da die Aktivität erst auf der anderen Seite zu erkennen ist.
»Wo sind wir hier?«
Bevor ich ihr darauf antworten kann, höre ich die Stimme von Cecilia, die uns alles zeigen wird.
»Cole! Wie schön, dass ihr da seid.« Ihre Arme schlingen sich um meinen Torso, ehe sie sich mit einem breiten Lächeln Charlie vorstellt und ihr die Hand ausstreckt.
»Du musst Charlie sein. Es freut mich sehr, dich kennenzulernen. Ich bin Cecilia.«
»Ola Cecilia.«
Skeptisch schüttelt mein Date ihre Hand, als sich ein komischer Ausdruck auf ihrem Gesicht bildet. Zusätzlich rückt sie ein Stück näher an mich heran. Unverzüglich lege ich meinen Arm um ihre Schultern und hauche ihr einen sanften Kuss auf den Scheitel.
Kann ich einen Hauch Eifersucht in ihren Augen erkennen?
Zärtlich lege ich meinen Finger unter ihr Kinn und drehe ihr Gesicht in meine Richtung, damit wir uns ansehen können.
»Kannst du dich noch erinnern, wie du mich in der Highschool beim Klettern geschlagen und mich danach vier Wochen damit aufgezogen hast?«
Zuerst zieht sie ihre Augenbrauen zusammen, ehe eine Sekunde später ihre Augen zu funkeln beginnen. »Wie könnte ich das vergessen? Das war so genial und hat total an deinem Ego gekratzt.«
Mein Lächeln wird breiter, als ich sie herausfordernd anblicke. »Na ja, ich will eine Revanche, Goldflocke.«
Strahlend hüpft sie auf und klatscht in die Hände. »Wir gehen klettern? Wirklich?«
»Oh ja, Goldflocke. Und dieses Mal werde ich gewinnen.«
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