Kapitel 52
Zufrieden räkelte ich mich am frühen Morgen im Bett. Der Jungenarm um meinen Körper wand sich fester, an meinem Hintern spürte ich die Erektion des Jungen, der bei mir lag. Ich schluckte. Von der Farbe des Armes ausgehend, war es Mick, der mich festhielt.
„Kannst loslassen, ich bin nicht Sam", wies ich ihn auf seinen Fehler hin.
„Zum Glück, sonst würde ich dich auch kaum festhalten", brummte eine tiefe Männerstimme, die so gar nicht zu Michaele passte. Ich riss die Augen weit auf, sämtliche Müdigkeit verließ fluchtartig meinen Körper. Was bildete dieser Mistkerl sich ein und wie zur Hölle hatte er die Jungen verscheucht? Hatten die ihn etwa freiwillig reingelassen?
„Verzieh dich", zischte ich ihn an. „Wieso bist du überhaupt hier?"
„Ich habe die Jungs beim Sex überrascht und sie dann freundlich davon überzeugt, in mein Zimmer zu gehen, damit wir hier ungestört sind." Er fuhr mit seinen Lippen meinen Hals entlang zur Halsbeuge, verteilte federleichte Küsse. Mein Unterleib zog sich verräterisch zusammen. Gleichzeitig stellten sich die Härchen auf meinen Armen auf. „Eine ausgezeichnete Idee von mir, nicht wahr?" Wie bitte? Ich schlug die Fingernägel in seine Hand. Die Jungs hätten mich niemals einfach so im Stich gelassen. Da steckte mehr dahinter. Mir kam eine miese Eingebung.
„Du hast sie bedroht." Eine reine Feststellung. Ich kannte ihn zu lange. Ein bitterer Beigeschmack.
„Du glaubst nicht, wie schnell man jemanden überzeugt, freiwillig das Feld zu räumen, wenn man dessen Partner eine Knarre an den Kopf hält." Seine selbstzufrieden klingende Stimme verursachte mir Übelkeit. Ich kämpfte stärker gegen seine Umklammerung an. Er seufzte nur, rührte sich kein Stück. „Letzte Nacht hat es dir auch gefallen, in meinen Armen zu liegen."
„Da wusste ich auch nicht, dass du es warst." Wieso war er nur so ein Arsch? Bedrohte seine Familie, nur um seinen Dickkopf durchzusetzen.
„Gewöhn dich daran. In ein paar Wochen heiraten wir." Er gähnte leise, küsste mein Schulterblatt. Liebevoll, als wäre nie etwas Negatives zwischen uns vorgefallen. Toller Sinneswandel. Erst scheuchte er mich weg und dann erwartete er, dass ich freudestrahlend mit ihm vor den Altar trat.
„Das kannst du dir abschminken." Ich schloss resignierend die Augen. Das würde nur eine unnötige Diskussion geben, an deren Ende ich vermutlich einlenkte, weil ich ein braves Mädchen war. Schon immer. Als Stiefvater mich zu Harold schickte, in Kalifornien im Mafiahaushalt, nach der Rückkehr bei meinen Eltern, die erwarteten, dass ich für mich alleine sorgte, während sie auswärts aßen. Ich presste die Zähne fest aufeinander, um nicht laut zu schreien. Ich hatte von Bevormundungen die Schnauze voll.
„Dann viel Spaß dabei, meinen Vater vom Gegenteil zu überzeugen." Raffa biss mir sanft in den Nacken. „Komm, lass uns duschen. Wir werden zum Frühstück in der Villa meines Onkels erwartet." Die Wärme an meinem Rücken verschwand. Ich öffnete die Augen, starrte stur die Wand an. Wenn ich ihm nun folgte, sah er das nur als Ermunterung, sich noch mehr zu erlauben. Ich hörte eine Tür dichtfallen, gefolgt vom Geräusch strömenden Wassers. Erleichtert drehte ich mich um, kletterte aus dem Bett, um mich anzuziehen. Die Haare kämmte ich mit den Fingern durch, flocht sie danach zu einem lockeren Zopf. Mit einem flauen Gefühl im Magen glitt mein Blick zur Badezimmertür. Dies war womöglich die einzige Chance, die ich bekam.
„Du lässt mir keine andere Wahl", flüsterte ich, schlich zur Schublade, wo ich am Vorabend den Brustbeutel mit Ginas Telefonnummer hineingestopft hatte. Ich zog den Zettel heraus, vergewisserte mich, dass ich die Nummer auswendig kannte, und verließ leise das Zimmer. Unten in der Eingangshalle winkte ich Alfonso zu, der sich mit seiner Frau unterhielt. Von Raffas Familie war niemand zu sehen. Ungehindert schlüpfte ich aus dem Gebäude, lief die Straßen entlang. Erleichtert atmete ich auf. Freiheit.
„Nie wieder lasse ich zu, dass jemand über mein Leben bestimmt", murmelte ich. Die Zeit war endgültig vorbei. Gina würde mir mit Sicherheit einen Job geben. Ihre Mafiafamilie schien mir am freundlichsten von allen zu sein. Die Hoffnung auf ein Leben fernab krimineller Geschäfte hatte ich in dem Moment aufgegeben, als ich auf dem Parkplatz abermals eine Waffe in die Hand nahm und auf einen der Angreifer schoss. Ich seufzte leise. Wäre meine Kindheit und Jugend nicht ein einziges Drama, wie ich mittlerweile kapiert hatte, würde ich mich fragen, warum jetzt alles schieflief. Doch so empfand ich eher eine tiefe Dankbarkeit, dass mir das Verhalten anderer, allen voran Raffaeles, die Augen öffnete.
Ein Scheppern hinter mir riss mich aus meinen Gedanken. Ich warf einen Blick über die Schulter, erwartete, einen mir bekannten Italiener vorzufinden. Stattdessen sah ich einen Mann mit Dreitagebart, nach hinten gegelten blonden Haaren und enganliegenden Klamotten. Neben ihm auf dem Boden lag eine umgekippte Mülltonne, dessen Inhalt sich über den Bürgersteig verteilte. Der Typ wandte eiligst seinen Blick von mir ab. Mein Magen zog sich zusammen. Ich sah besser zu, dass ich schnellstens von hier verschwand.
Meine Schritte hallten unnatürlich laut auf den Pflastersteinen, mischten sich mit dem Pochen meines Pulses zu einem unheimlichen Trommeln in meinen Ohren. Folgte der Mann mir? Ich wagte es nicht, mich umzuschauen. Stattdessen huschte ich an Fußgängern vorbei, quetschte mich zwischen ihnen und Häuserwänden hindurch. Wo wurde ich ihn am besten los, falls er sich wie ein Bluthund an meine Fersen heftete? Das Einkaufszentrum! Ich bog in die nächste Straße ein, beschleunigte das Tempo. Dort im Gewusel fand er mich unter Garantie nicht. Ich verschwand im Gebäude, mischte mich unter die Shoppingsüchtigen, die mich immer weiter weg vom Eingang in ruhigere Gänge führten. Erst dort wagte ich einen Rundumblick. Der Mann vom Bürgersteig war nirgends zu entdecken. Ich atmete tief durch, beschloss, einige Zeit zwischen den Regalen mit Kochtöpfen zu verbringen, bevor ich ein Telefon suchte. In Gedanken wiederholte ich Ginas Nummer. Jetzt war es noch wichtiger, diese nicht zu vergessen. Natürlich wäre es das Klügste, stattdessen Dante oder Raffaele anzurufen, doch dann ließen die mich nie wieder nach draußen und endete ich schneller als ich um Hilfe rufen konnte, als Ehefrau eines Mafioso.
„Na sieh mal einer an. Wen haben wir denn da?" Die Frauenstimme jagte mir einen eisigen Schauer über den Rücken. Vor Schreck hielt ich den Atem an. Was suchte sie denn hier?
„Schlaf gut", fügte ein Mann hinzu. Im gleichen Augenblick spürte ich einen Einstich am Hals und wurde die Welt um mich herum schwarz.
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Das lief dann wohl nicht wie erwünscht. Wer ist wohl die Frau, die da aufgetaucht ist?
Könnt Ihr nachvollziehen, dass Lina vor Raffa abgehauen ist?
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