Kapitel 5: Ein gemeinsames Projekt


Die Tage vergingen, und mit jedem neuen Unterricht in Zaubertränken wurde Hermine das Gefühl nicht los, dass etwas sich in der Luft verändert hatte. Draco Malfoy war nicht mehr der feindselige, überhebliche Schüler, den sie aus früheren Jahren kannte. Stattdessen war er oft still, beinahe nachdenklich, und wirkte so, als ob er in einer Welt gefangen war, die er selbst nicht vollständig verstand. Doch was sie noch immer nicht ganz greifen konnte, war, warum er plötzlich versuchte, mit ihr zusammenzuarbeiten, obwohl die Spannungen zwischen ihnen immer noch spürbar waren.

Es war der dritte Tag in Folge, an dem sie Seite an Seite am Zaubertrank-Arbeitsplatz standen. Professor Slughorn hatte sie zusammen ein Projekt zur Zubereitung eines besonders schwierigen Heiltranks durchführen lassen. Hermine hatte anfangs gezögert, als sie die Anweisung erhielt, mit Draco zusammenzuarbeiten, doch sie hatte sich selbst gesagt, dass es nicht länger an der Zeit war, sich von der Vergangenheit und ihren Vorurteilen leiten zu lassen. Sie wollte sich nicht von alten Konflikten beeinflussen lassen, wenn es um das Lernen ging.

„So, was haben wir hier?", fragte Draco mit einem Hauch von Skepsis, während er das Rezept durchblätterte. Hermine spürte, wie er sie dabei unwillkürlich musterte. Es war, als ob er versuchte, sie zu messen, sich selbst dabei aber unsicher fühlte.

„Ein Trank zur Heilung von magischen Verletzungen. Aber er ist nicht einfach", erklärte sie sachlich und versuchte, ihre Nervosität zu verbergen. „Er erfordert präzises Timing und die richtige Kombination von Zutaten. Wenn wir auch nur einen Schritt falsch machen, wird der Trank nutzlos."

Draco nickte, aber seine Körpersprache zeigte eine gewisse Zurückhaltung, die sie nicht ganz einordnen konnte. Noch vor ein paar Wochen hätte er sich wahrscheinlich mit einem sarkastischen Kommentar zurückgelehnt und es als unnötige Herausforderung abgetan. Doch jetzt war er ruhig, fast zu ruhig, und schien ihre Anweisungen ohne Widerworte zu befolgen.

„Fang du mit den Zutaten an", sagte Hermine, während sie sich über das Rezept beugte und versuchte, den besten Ansatz für die Zubereitung des Tranks zu finden. Sie wollte keine Fehler machen, vor allem nicht jetzt, da sie mit Draco zusammenarbeitete. Ein falscher Schritt, und sie würden es beide merken. Und das letzte, was sie wollte, war es, in einem weiteren Streit zu enden.

Draco griff nach den Zutaten, und Hermine konnte beobachten, wie er sie mit einer Sorgfalt behandelte, die sie nicht erwartet hatte. Es war fast, als ob er die Gefahr des Tranks mehr ernst nahm als die meisten anderen. Ein Teil von ihr wollte nachhaken, wissen, was genau ihn dazu brachte, so konzentriert zu sein, doch sie behielt ihre Fragen für sich. Es war nicht der richtige Zeitpunkt.

„Du hast den Drachenblut schon bereit?", fragte sie schließlich, als sie den Kessel auf den Feuerrahmen stellte und ihn vorsichtig anheizte.

„Ja, aber ich hab' ein wenig zu viel genommen", antwortete Draco, und als er das sagte, schien er fast ein wenig unzufrieden mit sich selbst. „Ich dachte, ich könnte das besser dosieren..."

Hermine drehte sich zu ihm und hielt inne. Es war der erste Anflug von Unsicherheit, den sie von ihm gehört hatte. Draco Malfoy, der immer mit Überzeugung und Autorität handelte, war plötzlich selbstkritisch. Sie wusste, dass es in der Zaubertrankekunst keine Kompromisse gab, und jedes Detail war wichtig. Doch die Tatsache, dass er so reagierte, überraschte sie.

„Es ist okay. Wir können es anpassen", sagte sie ruhig und reichte ihm den Fläschchen mit der Trankzutat. „Es ist nichts, was wir nicht korrigieren können, wenn wir vorsichtig sind."

„Das klingt, als wüsstest du immer, was zu tun ist", erwiderte Draco und warf ihr einen kurzen Blick zu, als ob er versuchte, einen Funken von seinem gewohnten Sarkasmus zu behalten.

„Nicht immer", sagte Hermine mit einem leichten Lächeln, das jedoch nicht ganz ihre innere Anspannung verbergen konnte. „Aber zumindest versuche ich es."

Draco nahm das Fläschchen, maß die richtige Menge und fügte sie dem Kessel hinzu. Ihre Hände berührten sich flüchtig, als sie ihm das Glas reichte, und ein unwillkürliches Prickeln lief durch ihren Arm. Hermine konnte es nicht verhindern, dass ihr Herz für einen Moment schneller schlug. Sie musste sich zwingen, sich auf den Trank zu konzentrieren und ihre Gedanken wieder zu ordnen.

„Gut", sagte sie schließlich, als der Kessel leicht zu brodeln begann. „Jetzt müssen wir den Zauberstab richtig einsetzen, um die Zubereitung zu stabilisieren."

„Ich weiß, wie man Zauberstäbe führt, Granger", sagte er trocken, aber sein Tonfall war nicht mehr so schroff wie früher. Es war eher eine beiläufige Bemerkung, die keinerlei Angriff in sich trug.

„Nur sicherstellen, dass du dich nicht versprichst", entgegnete Hermine mit einem leichten Lächeln. Es war ein Kommentar, das den Raum mit einem Hauch von Leichtigkeit füllte, der vorher nicht da gewesen war. Sie war froh, dass sie auf eine Art und Weise mit ihm arbeiten konnte, die nicht von ständiger Konfrontation geprägt war. In diesem Moment schien es, als ob sie tatsächlich an einem Strang zogen.

Die Stunden vergingen und der Kessel füllte sich mit einem sanften, goldenen Leuchten. Der Trank war fast fertig, die letzten Schritte waren zu tun, und Hermine konnte nicht umhin, das Gefühl zu haben, dass es dieses Mal wirklich gut laufen würde.

„Wir haben es geschafft", sagte sie schließlich, als sie den letzten Zauber sprach, um den Trank zu stabilisieren. Sie sah zu Draco, der sie mit einem Blick musterte, der sie für einen Moment sprachlos machte. In seinen Augen lag etwas, das sie nicht ganz deuten konnte, aber das so tief und unerforscht war, dass es sie einen Augenblick innehalten ließ.

„Siehst du, es geht doch, wenn wir zusammenarbeiten", sagte sie, ohne ihre Gedanken ganz zu ordnen. „Wer hätte das gedacht?"

Draco öffnete den Mund, als wolle er etwas erwidern, doch dann schloss er ihn wieder und schüttelte leicht den Kopf. „Ja, wer hätte das gedacht", murmelte er nur und verschränkte die Arme.

Es war kein großartiges Gespräch, kein versöhnlicher Moment, aber es war genug. Sie wussten beide, dass es mehr gab, was zwischen ihnen stand, aber in diesem Moment war es der erste kleine Schritt, den sie gemeinsam gemacht hatten, ohne die ständige Feindseligkeit.

„Ich gehe erstmal raus", sagte Draco, als er den Kessel betrachtete. „Aber... gut gemacht, Granger."

Hermine nickte, und obwohl sie keine Antwort gab, wusste sie, dass es ein Beginn war. Ein zögerlicher, aber entscheidender Beginn.

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