Kapitel 15: Der Funke
Der Schneesturm hatte sich bis zum Morgen gelegt, und die Hütte war von einer dicken weißen Decke umhüllt. Das Feuer im Kamin war längst erloschen, doch die Kälte hatte Hermine nicht geweckt. Sie lag auf dem Boden, eingewickelt in ihren Mantel, und hörte das leise Knistern von Holz, als Draco neues Feuerholz in den Kamin legte.
„Du bist wach", bemerkte er, ohne sich umzudrehen.
„Seit wann bist du so fürsorglich?" fragte sie schläfrig, während sie sich aufrichtete und die Decke, die er offenbar über sie gelegt hatte, von ihren Schultern gleiten ließ.
Draco zuckte mit den Schultern. „Ich wollte nicht, dass du dich in eine Eisskulptur verwandelst. Ich hätte es später bereut."
„Wie großzügig", murmelte sie, doch ein kleiner Teil von ihr war überrascht – und vielleicht sogar ein wenig gerührt.
Der Rückweg nach Hogwarts war still. Beide waren in Gedanken versunken und versuchten, den gestrigen Moment zu verdrängen. Doch so sehr sie sich bemühten, die Spannung war spürbar. Ihre Blicke trafen sich hin und wieder, und Hermine konnte nicht leugnen, dass da etwas war, das sie nicht mehr ignorieren konnte.
Als sie endlich durch die Tore der Schule traten, atmete Hermine erleichtert aus. „Ich denke, ich sollte mich umziehen und etwas essen", sagte sie und wandte sich zum Gryffindor-Turm.
„Warte." Dracos Stimme hielt sie auf.
Sie drehte sich zu ihm um. „Ja?"
Er zögerte, und für einen Moment schien es, als würde er wieder etwas sagen, das ihn verletzlich machte. Doch dann verwandelte sich sein Gesichtsausdruck in seinen gewohnten sarkastischen Blick. „Vergiss nicht, das nächste Mal deine Karte des Rumtreibers mitzunehmen, Granger. Vielleicht findest du dann eine Hütte mit einer funktionierenden Heizung."
Hermine schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. „Malfoy, du bist unmöglich."
„Das höre ich oft", antwortete er mit einem schiefen Lächeln, bevor er in Richtung der Kerker verschwand.
Die Woche verging, und die Ereignisse in der Hütte schienen in den Hintergrund zu rücken – zumindest offiziell. Hermine versuchte, sich auf ihre Studien zu konzentrieren, doch immer wieder tauchten Gedanken an Draco in ihrem Kopf auf. Was war das, was sie gespürt hatte? Was war das, was fast passiert wäre?
Auch Draco war abgelenkt. Er konnte sich nicht erinnern, wann er zuletzt so viel Zeit mit Hermine Granger verbracht hatte, ohne dass es in einem Streit endete. Doch was ihn am meisten störte, war das seltsame Gefühl der Unruhe, das sie in ihm hinterlassen hatte.
Einige Tage später fand Hermine Draco in der Bibliothek, vertieft in ein Buch über dunkle Magie. Sie war überrascht, ihn dort zu sehen, doch sie ließ sich nichts anmerken.
„Dunkle Magie? Nicht gerade das, was ein reformierter Slytherin lesen sollte", bemerkte sie, während sie an seinem Tisch stehen blieb.
Draco sah nicht einmal auf. „Manchmal muss man die Dunkelheit verstehen, um sie zu besiegen, Granger. Aber das wusstest du ja schon."
Hermine zog eine Augenbraue hoch. „Interessanterweise stimmt das tatsächlich."
Sie setzte sich ihm gegenüber und begann, ihre eigenen Bücher auszubreiten. Sie hatten lange in ruhiger Koexistenz gearbeitet, bis ein vorbeiziehender Schüler – einer der jüngeren Gryffindors – erstaunt fragte: „Granger? Du sitzt mit Malfoy?"
Hermine sah auf und lächelte knapp. „Es ist eine Bibliothek. Hier geht es um Wissen, nicht um Hauszugehörigkeit."
Draco grinste, doch sein Blick war irgendwie sanfter. „Hörst du das, Granger? Du bist doch ein wenig Slytherin."
Später an diesem Abend trafen sie erneut aufeinander, als sie den Gang entlangging. Dieses Mal war niemand in der Nähe.
„Was willst du, Draco?" fragte sie, als er sie anhielt.
„Ich wollte nur etwas fragen", sagte er leise. „Warum... warum bist du so verdammt nett zu mir? Selbst nach allem, was ich getan habe?"
Hermine hielt inne, überrascht von der Ehrlichkeit in seiner Stimme. „Vielleicht, weil ich glaube, dass du es verdient hast, dich selbst zu beweisen. Vielleicht, weil ich sehe, dass du dich bemühst."
Er lachte trocken. „Oder vielleicht, weil du ein hoffnungsloser Fall von Gutmensch bist."
„Vielleicht", sagte sie und trat einen Schritt näher, „weil ich weiß, wie es ist, verurteilt zu werden, bevor man überhaupt eine Chance bekommt."
Er sah sie an, und für einen Moment war der Raum um sie herum still. Er hob eine Hand, zögerte, und dann ließ er sie wieder sinken. „Du bist zu gut, Granger."
„Und du bist zu stur, Malfoy."
Ihre Stimmen wurden leiser, die Spannung zwischen ihnen stärker. Doch bevor einer von ihnen den nächsten Schritt machen konnte, ertönte eine Stimme aus dem Hintergrund: „Oh, ihr zwei schon wieder? Solltet ihr nicht längst im Bett sein?"
Es war Peeves, der Poltergeist, und seine Anwesenheit zerbrach den Moment. Draco verdrehte die Augen, und Hermine schüttelte den Kopf.
„Vielleicht nächstes Mal, Granger", murmelte Draco, bevor er in die Schatten verschwand.
Hermine blieb stehen, ihre Wangen gerötet, und wusste, dass dieses nächste Mal nicht lange auf sich warten lassen würde.
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