Kapitel 14: Zuflucht im Sturm
Der eisige Hauch des Winters hatte Hogwarts erreicht, und ein drohender Schneesturm ließ die sonst so belebten Gänge der Schule ruhiger wirken als gewöhnlich. Es war ein Wochenendausflug nach Hogsmeade geplant, und obwohl die meisten Schüler wegen des Wetters zögerten, entschied sich Hermine dennoch, daran teilzunehmen. Sie brauchte dringend eine Pause von den endlosen Essays und den Gedanken, die sie immer wieder zu Draco Malfoy zurückführten.
Draco selbst hatte keinen festen Plan, warum er sich entschieden hatte, in das kleine Dorf zu gehen. Vielleicht war es die Gelegenheit, aus den stickigen Räumen der Schule zu entkommen – oder vielleicht, weil er insgeheim hoffte, einem bestimmten Gryffindor-Mädchen zu begegnen.
Die Straßen von Hogsmeade waren belebt, doch der Schneefall wurde immer dichter, die Böen stärker. Hermine zog ihren Mantel enger um sich und betrat Honeydukes, um sich etwas Süßes zu gönnen. Während sie durch die Regale stöberte, hörte sie eine vertraute, sarkastische Stimme hinter sich.
„Was für eine Überraschung, Granger. Natürlich findest du selbst in einem Süßigkeitenladen eine Möglichkeit, überanstrengend zu wirken."
Hermine drehte sich um und sah Draco, der lässig gegen ein Regal lehnte, ein kleines Lächeln auf den Lippen. „Malfoy", sagte sie trocken. „Was machst du hier?"
„Das Gleiche wie du, nehme ich an. Versuche, dem Chaos von Hogwarts für ein paar Stunden zu entkommen."
„Chaos, das du oft genug selbst verursachst", entgegnete sie, ihre Stimme jedoch weniger scharf, als sie beabsichtigt hatte.
Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Und vielleicht suche ich auch nur eine Gelegenheit, dich zu ärgern."
Bevor sie antworten konnte, öffnete sich die Tür, und ein kräftiger Windstoß ließ die Regale klirren. Ein Mitarbeiter eilte herbei. „Der Sturm wird schlimmer! Ihr solltet besser schnell zurück nach Hogwarts gehen, bevor ihr eingeschneit werdet."
Hermine und Draco tauschten einen Blick, und obwohl sie es nie zugegeben hätten, war beiden klar, dass sie nicht mehr rechtzeitig zurückkehren würden. Der Weg zur Schule war lang und gefährlich, besonders bei diesen Bedingungen.
Die beiden fanden schließlich Zuflucht in einer verlassenen Hütte am Rande von Hogsmeade. Der Raum war kalt und spärlich möbliert, doch es gab einen kleinen Kamin. Hermine schnappte sich sofort einige der herumliegenden Holzscheite und begann, ein Feuer zu entzünden. Draco stand hinter ihr und beobachtete sie schweigend.
„Du könntest helfen, weißt du", sagte sie schließlich, ohne ihn anzusehen.
„Ich beobachte lieber", antwortete er, setzte sich dann jedoch in Bewegung, um ihr zu helfen. Bald flackerte ein warmes Feuer, und der Raum begann, sich zu erwärmen.
Sie setzten sich auf den Boden, das Feuer zwischen ihnen. Für eine Weile herrschte Schweigen, das nur vom Heulen des Windes unterbrochen wurde.
„Warum bist du wirklich hier?" fragte Hermine schließlich und sah ihn direkt an.
Draco hielt inne, als hätte sie ihn ertappt. „Ich habe dir doch gesagt, Granger. Ich brauchte eine Pause."
„Nein, ich meine... warum bist du zurück nach Hogwarts gekommen? Nach allem, was passiert ist? Du hättest dich auch verstecken können."
Er lehnte sich zurück, starrte ins Feuer und wirkte für einen Moment verloren. „Vielleicht wollte ich beweisen, dass ich nicht mehr der bin, für den alle mich halten. Oder vielleicht habe ich gehofft, dass..." Er brach ab und schüttelte den Kopf. „Egal."
Hermine hielt den Atem an. Es war selten, dass er so offen sprach, und sie wollte ihn nicht unterbrechen. „Hofft, dass was?" fragte sie vorsichtig.
Er sah sie an, und in seinen Augen lag eine Ehrlichkeit, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. „Dass ich irgendwann Frieden mit mir selbst schließen kann."
Hermines Brust zog sich zusammen. Zum ersten Mal sah sie nicht den arroganten Slytherin, sondern jemanden, der tief in sich verletzt war. „Das kannst du. Aber nur, wenn du aufhörst, alles mit dir allein auszumachen."
Ein schwaches Lächeln huschte über sein Gesicht. „Immer die Heilerin, Granger. Es überrascht mich, dass du nicht schon mit einer Checkliste und einem Heiltrank angerückt bist."
„Ich kann einen bringen, wenn du willst", erwiderte sie, und zu ihrer Überraschung lachten sie beide.
Das Lachen ebbte schließlich ab, und sie saßen in einem Moment stiller Eintracht. Draußen tobte der Sturm weiter, doch drinnen war es warm – nicht nur wegen des Feuers, sondern auch wegen der unerwarteten Nähe zwischen ihnen.
„Granger", begann Draco leise, „glaubst du, Menschen können sich wirklich ändern?"
„Ja", sagte sie ohne zu zögern. „Aber nur, wenn sie es wirklich wollen."
Er nickte langsam und ließ ihren Blick nicht los. „Und glaubst du, ich kann mich ändern?"
Hermine wusste nicht, warum ihr Herz plötzlich schneller schlug. „Ich glaube, du bist schon dabei."
Für einen Moment war alles still, bis Draco sich leicht zu ihr vorbeugte. Es war keine bewusste Bewegung, sondern etwas Instinktives, Ungeplantes. Doch bevor er sich näher wagte, hielt er inne, als hätte er Angst, eine Grenze zu überschreiten.
Hermine sah ihn an, spürte die Spannung zwischen ihnen und wusste, dass etwas an diesem Moment anders war – und gefährlich. Doch sie tat nichts, um ihn aufzuhalten.
„Draco", flüsterte sie schließlich, nicht sicher, was sie sagen wollte.
Bevor einer von ihnen etwas tun konnte, heulte der Wind lauter, und ein Ast krachte gegen die Seite der Hütte. Der Moment brach, und Draco lehnte sich zurück, als hätte er sich verbrannt.
„Wir sollten versuchen, morgen früh zurückzukehren", sagte er, seine Stimme wieder kühl und kontrolliert.
Hermine nickte langsam, doch das Pochen in ihrer Brust verriet ihr, dass sie noch lange über diesen Abend nachdenken würde.
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