Kapitel 12: Funken im Schein der Kerzen


Das letzte Oktoberwochenende war angebrochen, und Hogwarts bereitete sich auf den traditionellen Halloween-Ball vor. Die Große Halle war in ein schimmerndes Spektakel aus schwebenden Kürbissen, funkelnden Kerzen und goldenem Herbstlaub verwandelt worden. Die Schüler strömten in festlicher Kleidung herbei, die Atmosphäre war voller freudiger Aufregung – und doch verspürte Hermine nichts als Anspannung.

Sie war nicht einmal sicher, warum sie zugesagt hatte, zu diesem Ball zu gehen. Vielleicht war es Ginnys Überzeugungskraft gewesen oder der Drang, wenigstens einmal etwas anderes als Bücher und Verantwortung im Kopf zu haben. Doch jetzt, in ihrem fließenden, smaragdgrünen Kleid, fühlte sie sich fehl am Platz.

„Du siehst großartig aus, Hermine", sagte Ginny, die in einem leuchtend roten Kleid förmlich strahlte. „Wer ist dein Tanzpartner?"

Hermine zögerte. „Oh, ich... äh... habe keinen festen Partner."

Ginny zog eine Augenbraue hoch. „Keine Sorge, ich bin sicher, jemand wird dich auffordern."

Draco Malfoy stand unterdessen am Rande der Halle, ein Glas Kürbissaft in der Hand. Er beobachtete die Menge mit seinem typischen, leicht gelangweilten Ausdruck. Pansy Parkinson stand neben ihm und plapperte unaufhörlich, doch er hörte ihr kaum zu.

„Draco", schnatterte Pansy, „warum tanzt du nicht? Es gibt genug Mädchen, die sich darum reißen würden."

Er schenkte ihr einen kühlen Blick. „Vielleicht, weil ich es vorziehe, meinen Abend nicht mit peinlichem Smalltalk zu verschwenden."

Seine Augen wanderten durch den Raum, bis sie an einer vertrauten Gestalt in einem smaragdgrünen Kleid hängen blieben. Hermine stand am Rande der Tanzfläche, ihre Arme verschränkt, ein leicht nervöser Ausdruck im Gesicht.

„Natürlich ist Granger allein", murmelte er mehr zu sich selbst.

„Was?" fragte Pansy irritiert.

„Nichts", sagte er knapp, setzte sein Glas ab und begann, sich durch die Menge zu bewegen.

Hermine sah gerade zu, wie Harry und Ginny lachend über die Tanzfläche wirbelten, als eine vertraute, sarkastische Stimme sie aus ihren Gedanken riss.

„Granger."

Sie drehte sich um und sah Draco vor sich stehen. Er trug einen perfekt sitzenden schwarzen Anzug, und sein blondes Haar war etwas zerzauster als sonst. Für einen Moment war sie so überrascht, dass sie nichts sagte.

„Was ist?" fragte er und hob eine Augenbraue. „Hast du noch nie einen Mann in anständiger Kleidung gesehen?"

Sie schüttelte schnell den Kopf, um ihre Fassung wiederzugewinnen. „Was willst du, Malfoy?"

Er streckte eine Hand aus. „Tanzen?"

Hermine starrte ihn an, als hätte er den Verstand verloren. „Ist das ein Scherz?"

„Nein, Granger", sagte er mit einem Anflug von Spott in der Stimme. „Ich habe beschlossen, mich für die nächste Stunde selbst zu quälen. Also? Ja oder nein?"

„Warum?" fragte sie misstrauisch.

Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht, weil du da drüben wie ein verlorener Flubberwurm aussiehst. Und weil ich keine Lust habe, mich von Pansy zu Tode langweilen zu lassen."

Hermine zögerte, doch irgendetwas an seinem Blick – eine Mischung aus Herausforderung und einer Spur von Aufrichtigkeit – ließ sie nicken.

„Gut", sagte sie schließlich und legte ihre Hand in seine.

Die ersten Schritte waren angespannt. Draco führte sie mit unerwarteter Präzision, doch Hermine konnte nicht verhindern, dass sie sich steif fühlte.

„Entspann dich, Granger", sagte er leise. „Du machst das ja noch schlimmer als erwartet."

„Entschuldige, dass ich nicht gewohnt bin, mit ehemaligen Todessern zu tanzen", fauchte sie zurück, obwohl ihre Stimme leiser war, als sie beabsichtigt hatte.

Draco verzog das Gesicht, doch er ließ ihre Hand nicht los. „Und ich bin nicht gewohnt, mit Gryffindor-Besserwisserinnen zu tanzen. Scheint also, als wären wir quitt."

Trotz ihres Schlagabtauschs wurde Hermines Haltung allmählich lockerer. Der Rhythmus der Musik schien sie einzuhüllen, und plötzlich bemerkte sie, wie flüssig und mühelos sich ihre Bewegungen anfühlten.

„Du bist gar nicht so schlecht", sagte sie widerwillig.

„Und du bist erstaunlich leicht", entgegnete er, eine Spur eines Lächelns auf seinen Lippen.

Die Musik wurde langsamer, und Draco zog sie ein wenig näher zu sich, als wäre es das Natürlichste auf der Welt. Für einen Moment vergaßen beide, wer sie waren, was sie durchgemacht hatten und was sie voneinander hielten.

„Weißt du, Granger", murmelte Draco leise, „du bist nicht so unerträglich wie früher."

Hermine blickte ihn an, ihre Augen suchten nach einer Spur von Spott in seinem Gesicht – doch da war nichts als Ernst. „Und du bist..." Sie zögerte. „Du bist auch anders."

Seine grauen Augen hielten ihren Blick für einen Moment länger, als es nötig gewesen wäre. „Vielleicht", sagte er leise.

Die Musik endete, und Hermine trat zurück. Sie spürte, wie ihr Herz schneller schlug, und konnte nicht sagen, ob es an dem Tanz lag oder an Draco selbst.

„Danke für den Tanz", sagte sie, ihre Stimme fester, als sie sich fühlte.

„Immer ein Vergnügen, Granger", antwortete er mit einem schiefen Lächeln, bevor er sich abwandte und in der Menge verschwand.

Später an diesem Abend, als Hermine sich auf ihrem Bett zurücklehnte, dachte sie über den Tanz nach. Über die Wärme seiner Hand auf ihrer, über den Moment, in dem er sie so angesehen hatte, als gäbe es niemand anderen im Raum.

Und tief in ihrem Inneren spürte sie, dass etwas begonnen hatte, sich zu verändern – etwas, das sie weder wollte noch kontrollieren konnte.

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