Kapitel 11: Näher, als sie wollen



Die Woche verging schneller, als Hermine erwartet hatte. Zwischen ihrer normalen Arbeit, dem Forschungsprojekt und ihren Pflichten als Vertrauensschülerin blieb ihr kaum Zeit, über die merkwürdigen Momente mit Draco nachzudenken. Doch etwas an der Art, wie er das verzauberte Buch gebändigt hatte – diese Ruhe, diese Selbstsicherheit – ließ sie nicht los.

An diesem Abend war die Bibliothek ungewöhnlich leer. Die Dämmerung war hereingebrochen, und die einzige Lichtquelle waren die schwebenden Laternen, die ein warmes, flackerndes Licht auf die Tische warfen. Draco und Hermine saßen sich gegenüber, beide tief in ihre Bücher vertieft.

„Hier." Draco schob ein Blatt Pergament zu ihr. „Ich habe die Zutatenliste für das Drachenblut-Elixier analysiert. Anscheinend gibt es zwei Versionen des Tranks – eine für Heilzwecke und eine... nun ja, sagen wir tödliche Variante."

Hermine sah auf. „Du hast wirklich beide Varianten recherchiert?"

Er zuckte mit den Schultern. „Natürlich. Nur ein Narr würde sich nicht auf beide Möglichkeiten vorbereiten."

Sie rollte mit den Augen, konnte sich jedoch ein kleines Lächeln nicht verkneifen. „Gut. Ich werde die heilende Version ausarbeiten, während du dir den Rest ansiehst."

„Wie großzügig von dir", spottete Draco, lehnte sich jedoch zurück und widmete sich seiner Aufgabe.

Es schien, als würden sie tatsächlich einen produktiven Abend verbringen, als plötzlich etwas passierte, das alles veränderte.

Ein leises Zischen drang durch die Bibliothek. Hermine blickte auf und sah, wie ein schwaches, rötliches Licht zwischen den Regalen flackerte.

„Hast du das gesehen?" fragte sie und kniff die Augen zusammen.

Draco schaute auf, sein Ausdruck wurde ernst. „Nein. Was?"

Bevor sie antworten konnte, begann das Licht zu wachsen und sich in Richtung ihres Tisches zu bewegen. Es sah aus wie ein magischer Nebel, und die Luft um sie herum wurde plötzlich schwer und warm.

„Das ist keine normale Magie", murmelte Hermine und zog ihren Zauberstab.

Draco tat es ihr gleich. „Das scheint altes Zeug zu sein... vielleicht eine Falle aus der Zeit des Krieges."

Bevor sie reagieren konnten, hatte der Nebel sie eingehüllt. Die Bücher um sie herum schienen zu verschwimmen, die Wände der Bibliothek verzerrten sich wie ein Spiegelbild auf bewegtem Wasser. Hermine spürte, wie ihr Herz raste, als sie das Gefühl hatte, von unsichtbaren Händen gezogen zu werden.

„Halt dich fest!" rief Draco und packte ihren Arm.

Die Welt um sie herum drehte sich, und im nächsten Moment standen sie in völliger Dunkelheit.

Als das Licht wiederkehrte, fanden sie sich in einer Art verstecktem Raum wieder, der tief unter der Bibliothek zu liegen schien. Die Wände waren aus glattem, grauem Stein, und das einzige Licht kam von schwach glimmenden Runen an der Decke.

„Wo... wo sind wir?" fragte Hermine, ihre Stimme zitterte leicht.

Draco ließ ihren Arm los und sah sich um. „Keine Ahnung. Aber ich wette, das war kein Zufall."

Sie zogen ihre Zauberstäbe und begannen, den Raum zu erkunden. Es gab keine sichtbaren Türen, nur die uralten Runen, die ein schwaches Summen von sich gaben.

„Das könnte eine Art Schutzkammer sein", mutmaßte Hermine, während sie die Runen näher betrachtete.

„Oder eine Falle", fügte Draco hinzu. „Wir sollten vorsichtig sein."

Während sie nach einem Ausgang suchten, begann der Raum sich seltsam zu verhalten. Die Temperatur schwankte zwischen eisiger Kälte und drückender Hitze, und immer wieder hörten sie leise Stimmen, die aus dem Nichts zu kommen schienen.

Hermine hielt plötzlich inne. „Draco, hörst du das?"

Er nickte. „Ja. Aber ich kann die Worte nicht verstehen. Es klingt wie... Flüstern."

Die Stimmen wurden lauter, und plötzlich begann der Boden unter ihnen zu beben. Draco griff nach Hermines Hand, um sie zu stabilisieren, und zog sie näher zu sich.

„Bleib bei mir", sagte er leise.

„Ich gehe nirgendwo hin", antwortete sie, ihre Augen fixierten die glühenden Runen, die jetzt heller wurden.

Mit einem letzten, ohrenbetäubenden Krachen hörte das Beben auf, und eine der Wände begann sich langsam zu öffnen, wobei ein schmaler Gang dahinter sichtbar wurde.

„Das war... unerwartet", murmelte Draco, als sie den Gang betraten.

„Das ist Hogwarts. Nichts ist hier jemals normal", entgegnete Hermine, aber ihre Stimme klang abwesend. Sie konnte die Wärme von Dracos Hand noch immer spüren, die er erst losgelassen hatte, als sie sicher im Gang waren.

Der Tunnel führte sie schließlich zurück zur Bibliothek, und als sie auftauchten, war die vertraute Umgebung wie ein beruhigender Anker.

„Das war genug Abenteuer für einen Abend", sagte Hermine und warf Draco einen scharfen Blick zu. „Aber du hast dich überraschend gut geschlagen."

„Du bist auch nicht schlecht unter Druck", erwiderte er mit einem schiefen Lächeln.

Für einen Moment standen sie sich einfach gegenüber, und etwas in der Luft zwischen ihnen fühlte sich anders an – nicht feindselig, sondern... vertrauter.

„Wir sollten die Sache morgen melden", sagte Hermine schließlich und räusperte sich.

„Natürlich", antwortete Draco, bevor er hinzufügte: „Granger?"

„Ja?"

„Das war eigentlich... gar nicht so schlimm."

Hermine hob die Augenbrauen, doch sie konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. „Finde ich auch."

Mit einem letzten Blick ging sie davon, und Draco blieb allein zurück, das schiefste Lächeln auf den Lippen, das er seit langer Zeit gehabt hatte.

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