Kapitel 1: Ein Neuanfang mit alten Schatten
Hermine Granger stand vor den großen, eisenbeschlagenen Toren von Hogwarts. Die kühle Herbstluft wehte ihr die Haare ins Gesicht, während sie den Blick über das Schloss schweifen ließ, das so viele Erinnerungen in sich barg. Nach der Schlacht war nichts mehr, wie es einst gewesen war. Viele Freunde waren gefallen, die Wunden des Krieges noch frisch, und doch verspürte sie eine Art bittersüße Erleichterung, wieder hier zu sein.
„Ein letztes Jahr", murmelte sie zu sich selbst, ihre Finger fest um den Riemen ihrer Tasche geklammert. Sie war zurückgekehrt, um ihren Abschluss zu machen, das Kapitel ihrer Schulzeit abzuschließen und vielleicht endlich ein Stück Normalität zu finden. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass Normalität ein ferner Traum war.
Die Schüler versammelten sich in der großen Halle, und das vertraute Geräusch von Stimmengewirr und klapperndem Besteck erfüllte den Raum. Hermine spürte einen Moment der Ruhe, als sie sich an den Gryffindor-Tisch setzte. Es war ein Ort, der sich fast wie Heimat anfühlte. Doch ihre Gedanken wurden schnell von einem kühlen Lachen am Slytherin-Tisch unterbrochen.
Draco Malfoy.
Er saß dort, etwas abseits von den anderen Slytherins, mit verschränkten Armen und einem Ausdruck, der irgendwo zwischen Langeweile und Gereiztheit lag. Seine blassen Züge waren von der Schlacht gezeichnet – nicht durch körperliche Narben, sondern durch etwas Tieferes. Schuld? Bedauern? Hermine konnte es nicht genau sagen, und es interessierte sie auch nicht. Sie wandte den Blick ab.
„Hast du gesehen, dass er zurück ist?" flüsterte Ginny an ihrer Seite. „Ich hätte nicht gedacht, dass Malfoy jemals den Mut haben würde, wiederzukommen."
Hermine nickte knapp. „Es ist sein gutes Recht. Außerdem war er nur ein Spielball von Voldemort. Das wissen wir beide."
Ginny zog die Augenbrauen hoch. „Du bist viel zu nachsichtig. Ich wette, er ist genauso unausstehlich wie früher."
Hermine wollte widersprechen, doch in diesem Moment trafen sich ihre und Dracos Blicke. Seine grauen Augen wirkten kühler als je zuvor, doch es lag etwas Neues darin – ein Hauch von Müdigkeit, vielleicht sogar Schmerz. Sie hielt seinem Blick stand, bis er schließlich wegschaut und sich mit einem genervten Schnauben an Crabbe und Goyle wandte.
„Ich ignoriere ihn einfach", murmelte sie und richtete ihre Aufmerksamkeit zurück auf ihr Essen.
Der Abend zog sich hin, und Hermine fand sich später im Gemeinschaftsraum der Gryffindors wieder. Sie hatte gerade ihre Bücher ausgepackt, als ein vertrautes Krächzen vom Fenster her erklang. Hedwig? Nein, sie war fort. Es war eine andere Eule mit einem offiziellen Schreiben aus dem Büro der Schulleiterin.
Hermine öffnete das Pergament und las mit wachsendem Unbehagen die Worte:
„Miss Granger,
aufgrund Ihrer herausragenden Leistungen und Ihrer Führungsqualitäten wurde entschieden, dass Sie zusammen mit Mr. Malfoy die Position der Vertrauensschüler übernehmen werden. Ihre erste Aufgabe wird es sein, die Einteilung der neuen Schüler zu beaufsichtigen. Bitte melden Sie sich morgen früh in meinem Büro.
Mit freundlichen Grüßen,
Professor McGonagall."
Hermines Herz sank. „Draco Malfoy? Wirklich?" Sie warf das Pergament auf den Tisch und starrte es an, als könnte es sich von selbst ändern.
Ron, der gerade hereinkam, schnappte sich das Papier und überflog es. „Du machst Witze! Malfoy? Vertrauensschüler? Was denkt sich McGonagall bloß dabei?"
„Sie denkt wahrscheinlich, dass er eine zweite Chance verdient hat", erwiderte Hermine trocken. Doch insgeheim war sie genauso wütend wie Ron. Es war schon schwer genug, den Alltag in Hogwarts wieder aufzunehmen – und jetzt sollte sie auch noch mit Draco Malfoy zusammenarbeiten?
„Ich bin sicher, dass er irgendetwas tun wird, um dich zu provozieren", meinte Ron. „Er kann nicht anders. Das ist Malfoy."
„Vielleicht hat er sich verändert", sagte sie, mehr zu sich selbst als zu Ron. Doch die Zweifel in ihrer Stimme waren nicht zu überhören.
Am nächsten Morgen stand Hermine vor der Tür von Professor McGonagalls Büro und wartete auf Draco. Sie hatte beschlossen, dass sie ihm zumindest eine Chance geben würde – höflich, aber bestimmt.
Die Tür öffnete sich, und Draco trat mit seiner typischen lässigen Haltung ein. Seine Uniform war makellos, sein blondes Haar perfekt gestylt, aber es lag eine Härte in seinen Augen, die Hermine noch nie zuvor gesehen hatte.
„Granger", sagte er knapp und ließ seinen Blick über sie wandern. „Ich hoffe, du hältst dich an die Regeln. Ich habe keine Zeit für Spielchen."
Hermine verschränkte die Arme vor der Brust. „Und ich hoffe, du hältst dich fern von deinem üblichen Sarkasmus. Wir sind hier, um zu arbeiten."
Ein schwaches Lächeln huschte über seine Lippen, kühl und spöttisch. „Dann sind wir uns ja einig."
Es würde kein leichtes Jahr werden – das war klar. Doch Hermine war entschlossen, Draco Malfoy nicht in ihre Pläne für einen Neuanfang hineinpassen zu lassen. Was sie jedoch noch nicht wusste, war, dass dieser Neuanfang für sie beide mehr Veränderungen bringen würde, als sie jemals erwartet hatte.
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