Kapitel 3
„Wie bitte?", rief er aufgebracht, „das ist doch ein übler Scherz oder etwa nicht? Behandle ich dich etwa so schlecht, dass du es bei mir nicht mehr aushältst?" Beleidigt starrte er sie an, denn er fühlte sich im Moment von ihr verraten.
Rosalyn wollte eigentlich etwas darauf sagen, aber ihr fehlten die Worte, weil sie überrascht war, dass er so harsch reagierte. Üblicherweise war er sehr zuvorkommend und die meiste Zeit auch gut gelaunt. Sie wusste, dass er auf eine Antwort beharren würde und meinte deshalb zu ihm: „Es tut mir leid Alan, aber ich schaffe es nicht mehr."
„Was schaffst du nicht mehr?", meinte er böse zu ihr, „hältst du mich persönlich nicht mehr aus, stört dich meine Berühmtheit, oder ist es dir etwa zu viel Arbeit? Möchtest du lieber einen Klienten, bei dem du während der Arbeitszeit Däumchen drehen kannst?" Dass seine schroffen Fragen beleidigend waren, merkte er in seiner Rage überhaupt nicht.
Rosalyn wurde es immer unangenehmer und sie fand seine Aussagen unfair. Zudem stimmte sie es traurig, dass er scheinbar so wenig von ihrer bisherigen Leistung hielt. „Ich ertrage es nicht mehr, so einfach ist das! Es liegt nicht an dir, aber mich nervt das Umfeld hier. Ich vergönne dir deinen neuen Status, den du seit Harry Potter hast, du hast ihn dir verdient. Natürlich ist die Auftragslage seit deiner Rolle als Snape in die Höhe geschossen, aber ich war noch nie arbeitsfaul und die Mehrstunden haben mir auch nie etwas ausgemacht", verteidigte sie sich aufgebracht, denn er hatte mit seinen Worten ein paar wunde Punkte getroffen, „und außerdem hasse ich deine Frau, wie hältst du es überhaupt mit diesem Menschen aus?"
Alan sah sie überrascht an. Er erkannte sie nicht mehr wieder, so bissig war sie noch nie zu ihm gewesen, eigentlich war sie immer recht freundlich und liebenswürdig. Auch wenn er ihr mit Mary irgendwie zustimmte, so fühlte er sich doch persönlich von seiner Assistentin angegriffen, schließlich ging es um seine Frau. „Was ist los mit dir? Nur weil du keine eigene funktionierende Beziehung hast, meinst du, du kannst auf meiner herumhacken? Wenn es dir hier zu viel Arbeit gibt, dann ist es wirklich besser, wenn du gehst!"
Rosalyn fühlte sich, als hätte sie gerade eine Ohrfeige von ihm bekommen. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, riss sie ihre Aktentasche auf und stopfte die wenigen Papiere, die ihr gehörten, hinein. „Dann ist es also besiegelt", meinte sie kurz angebunden zu ihm, „wir sehen uns heute zum letzten Mal." Ohne ihn eines zweiten Blickes zu würdigen stürzte sie in den Vorraum, um sich ihren Mantel und ihre Stiefeln anzuziehen.
Alan hatte nicht mit so einer Eskalation gerechnet. Er wusste auch nicht, warum er so extrem unsympathisch reagiert hatte. Heute war einfach nicht sein Tag, immerhin hatte er schon früh am Morgen mit seiner Frau gestritten. Im Moment drehte sich bei ihm ständig alles im Kreis, wenn es um seine privaten Belange ging. Immer wiederholten sich die selben Fragen und dass seine Rosalyn jetzt auch noch aus der Fassung geriet, gab ihm den Rest.
Seine Rosalyn ... dieser Gedanke wollte einfach nicht mehr aus seinem Kopf verschwinden.
Erst als er das Knallen der Haustüre vernahm, wurde ihm bewusst, dass er keine Assistentin mehr hatte. Zornig fuhr er sich mit seinen Fingern durch die Haare und überlegte, was er als Nächstes machen sollte. Er wollte seinen Manager noch nicht kontaktieren. Wer weiß, vielleicht hatte sie sich bis morgen beruhigt und würde einfach wieder in seinem Büro sitzen und ihren üblichen Arbeiten nachgehen.
Er wusste überhaupt nicht, was heute mit ihr los war, denn sie erledigte ihre Aufgaben immer zu seiner vollsten Zufriedenheit. Auch persönlich hatte er sich mit ihr hervorragend verstanden. Sie hatten hin und wieder netten Smalltalk geführt, wenn es die Zeit zuließ. Vielleicht hätte er sie besser behandeln sollen. Er hätte sich mehr um sie kümmern müssen, immerhin ging er mit seinen Schauspielerkollegen oder mit seiner Frau Mary regelmäßig in Restaurants essen. Er kaufte ständig kleine Geschenke, um ihnen seine Wertschätzung zu zeigen. Warum hatte er das eigentlich nie bei Rosalyn gemacht? In diesem Bereich hatte er wohl komplett versagt, schalt er sich gerade innerlich selbst. Irgendwie hatte er seine Assistentin nie wirklich geschätzt, obwohl sie es mehr als verdient gehabt hätte. Jetzt fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, er hätte sich tatsächlich mehr um sie bemühen sollen.
Enttäuscht über sich selbst, senkte er den Kopf und starrte auf seine Finger, die in seinem Schoss lagen. Die Lust auf seinen mittlerweile kalten Kaffee war ihm sowieso vergangen. Auch Rosalyn hatte ihren Becher nicht angerührt. Er würde es für heute gut sein lassen, aber spätestens morgen, wenn sie nicht zur Arbeit kommen würde, musste ihm etwas einfallen. Warum er in ihre Richtung so unfreundlich reagiert hatte, verstand er überhaupt nicht, wahrscheinlich weil ihm selbst alles im Moment zu viel wurde. Er hatte sie als Ventil für seine eigene angestaute Frustration benutzt. Schwerfällig stand er auf und ging in die Küche. Er leerte die beiden erkalteten Getränke in den Ausguss und entsorgte die Becher im Abfalleimer. Als sein Blick auf die Küchenuhr fiel, wurde ihm bewusst, dass er sich langsam auf den Weg machen sollte, um noch rechtzeitig zu seinem Termin zu kommen.
*
Rosalyn knallte die Haustüre von Alans Villa hinter sich zu. Ihr verhalten war zwar kindisch, aber absolut notwendig, sie musste ihren angestauten Frust loswerden. Das war alles, was er ihr nach dieser gemeinsamen Zeit zu sagen hatte? Sie verlangte nicht viel von ihm, lediglich den Respekt, den sie ihrer Meinung nach verdient hatte. Ihr war immer aufgefallen, wie er seine Kollegen behandelte und dass er diese regelmäßig zum Essen einlud. Sie war nie neidisch oder eifersüchtig gewesen, aber jetzt fühlte sie sich ebenso von ihm hintergangen. Hielt er wirklich so wenig von ihr? Dass er sie beschuldigte faul zu sein, tat ihr furchtbar weh. Mittlerweile war er auch schon eingebildet, dieser Möchtegern Schauspieler, dachte sie boshaft. Na ja, Möchtegern Schauspieler war nicht gerade die richtige Bezeichnung für ihn, denn immerhin hatte er es wirklich zu etwas gebracht. Alan hatte hart an seine Karriere gearbeitet, bis er immer angesehener wurde und seit er bei Harry Potter mitspielte, war sein Bekanntheitsgrad in unermessliche Höhen gestiegen.
Mein Gott, wie konnte sie nur so blind gewesen sein? Warum hatte sie sich auch in ihn verliebt. Sie hätte schon viel früher die Notbremse ziehen sollen. „Ach du kannst mich mal!", schimpfte sie laut vor sich hin und beschleunigte automatisch ihren Schritt und versuchte dabei nicht auf der glatten Straße auszurutschen, denn der Schnee war noch immer nicht von den Fahrbahnen entfernt worden. Rosalyn wollte nicht in ihre kleine Wohnung zurück, sie brauchte unbedingt frische Luft und ein heißer Kaffee würde ihr jetzt auch guttun. Lieber würde sie etwas spazieren gehen, damit sie ihre Gedanken neu sortieren konnte.
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