Kapitel 17

Rosalyn lief in ihrer Wohnung nervös auf und ab. Der Gedanke allein, dass sie sich heute Abend mit Alan treffen würde, machte sie ganz aufgeregt. Sie wusste, dass es nur um die Arbeit ging, aber ehrlich gesagt war sie so überdreht, als hätte sie mit dem Schauspieler ein Date. Was wäre die passende Kleidung für diesen Anlass und über was sollte sie mit ihm reden? Sie wollte einfach alles auf sich zukommen lassen. Lieber ging sie jetzt duschen, denn das Taxi würde in einer guten Stunde vor ihrer Wohnung auf sie warten. Sie wusste nicht einmal wohin die Fahrt gehen würde. Sie war schon sehr gespannt, welches Restaurant er gewählt hatte. Rosalyn war verwundert, dass er sich so spontan bei ihr gemeldet hatte, aber er hatte ihr plausibel erklärt, warum es ihm lieber war, sich heute zu treffen anstatt erst morgen am Telefon darüber zu reden.

Inzwischen saß Rosalyn im Taxi, das sie immer weiter außerhalb Londons brachte. Mittlerweile wunderte sie sich, in welche Gegend sie geraten war. Aber sie machte sich keine Sorgen, da sie Alan schon lange genug kannte, er würde sie niemals in Gefahr bringen. Das Ganze hatte etwas Geheimnisvolles und Verbotenes an sich, sie fragte sich wirklich, warum er am Sonntagabend nichts Besseres zu tun hatte, als sich mit ihr zu treffen. Was wohl seine Frau in der Zwischenzeit machte oder war diese vielleicht unterwegs?

Nach einer gefühlten Ewigkeit hielt das Taxi vor einem kleinen Schloss an. Ob sie hier auch richtig war? Das vermeintliche Restaurant wirkte wie ein Privatbesitz, keine auffällige Neonschrift oder dergleichen machte auf sich aufmerksam. Wahrscheinlich war das Etablissement nur für Eingeweihte. Angespannt stieg sie aus dem Auto und bewunderte das vornehme Gebäude, welches herrschaftlich in der verträumten Landschaft stand. Langsam schritt sie den kurzen Kiesweg entlang und ging die wenigen Treppen nach oben, die zu einem großen Eingangsportal führten. Noch bevor sie die Glastüre selbst öffnen musste, kam ein Butler aus dem Nichts, um ihr diese aufzuhalten.

Rosalyn trat in die große Eingangshalle ein, sie fühlte sich von der edlen Einrichtung sofort eingeschüchtert. Dieser Ort war definitiv nur für reiche Menschen vorgesehen. Noch bevor sie sich fragen konnte, ob sie hier überhaupt richtig war, kam ein Mitarbeiter an sie heran. „Mister Rickman erwartet Sie bereits, ich bringe Sie sogleich zu ihm." Erstaunt, dass dieser Mann sofort wusste wer sie war, folgte sie diesem unmittelbar. Wahrscheinlich sah man ihr schon von weitem an, dass sie nicht zum üblichen Kundenstamm gehörte. So ein Restaurant hatte sie überhaupt noch nie gesehen. Während sie dem Mann folgte, hörte sie durch mehrere Türen vereinzelte Sprachfetzen oder Gelächter. Waren das hier alles separate Speiseräume? Denn sie konnte sonst keine weiteren Gäste erblicken.

Der Mitarbeiter des Restaurants öffnete eine unscheinbare Türe, damit Rosalyn eintreten konnte. Sie hatte überhaupt keine Zeit sich umzusehen, da ihr Blick sofort an Alan hängen blieb. Dieser stand von seiner sitzenden Position auf, um sie angemessen zu begrüßen. „Guten Abend. Schön, dass du gekommen bist und so kurzfristig für mich Zeit hattest." Er geleitete sie zu ihrem angedachten Platz und zog ihren Sessel hervor, damit sie sich setzen konnte. „Was darf ich dir zu trinken bestellen?", fragte er sie aufmerksam. „Ich kann dir einen sehr guten Weißwein empfehlen, wenn Du möchtest."

„Ja sehr gerne", meinte sie zu Alan. Sie konnte ihre Augen nicht von ihm lassen, das dunkelrote Hemd und die schwarze Anzughose standen ihm ausgezeichnet, seine silbernen Haare schimmerten zart im gedimmten Schein des Kronleuchters. Sie durfte ihren Fantasien auf keinen Fall freien Lauf lassen, sie musste sich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Sie wandte ihren Blick vom ihm ab und besah sich lieber den edlen Raum. Die Wände waren mit dunkelgrünen Tapeten und Stuckornamenten verziert. Seitlich am Rand stand eine Bar, auf der alle möglichen Alkoholflaschen zur freien Entnahme bereitstanden. Der runde Esstisch hatte in der Mitte einen großen, goldenen Kerzenleuchter und die Atmosphäre wirkte romantisch. Der Gedanke daran lies Rosalyns Wangen heiß werden.

Sie vermied es noch immer Alan in die Augen zu sehen, obwohl sie seinen Blick auf sich spüren konnte. Langsam fragte sie sich, was dieser Abend alles bringen würde, es fühlte sich wie ein Rendezvous an, der Schauspieler hatte sich mit dem heutigen Treffen offensichtlich große Mühe gegeben. Rosalyn wagte sich nun doch, ihn offen anzusehen. Ihr Herz schlug noch schneller und ihre Hände begannen leicht zu zittern, da ihre Nervosität ungeahnte Höhen erreichte. Kurz bevor sie etwas sagen konnte, um die Situation nicht eigenartig wirken zu lassen, trat der Kellner ein und brachte die bestellte Flasche Weißwein. Der Mann schenkte die edlen Kristallgläser voll und legte zwei Speisekarten auf den Tisch, danach verließ er diskret den Raum.

„Dieses Restaurant ist wohl ein Geheimtipp", mutmaßte Rosalyn in Alans Richtung, damit die Stille im Raum nicht noch länger anhalten würde.

„Ja, da hast du recht", meinte er darauf, „der Besitzer des Schlosses ist ein guter Freund von mir. Ich komme gelegentlich hierher, da man hier genügend Privatsphäre hat. Ich habe mir gedacht, es wäre ein idealer Ort um sich mit dir zu treffen, damit wir alle Details für die Zukunft besprechen können. Wenn du möchtest, sehen wir uns zuerst die Speisekarte an, sodass wir bestellen können. Ich kann dir sehr das Steak oder den Hummer empfehlen." Alan hielt ihr die Karte entgegen, damit sie ihr Essen auswählen konnte.

Als sie die wenigen Seiten durchblätterte, stellte sie sogleich fest, dass keine Preise angeführt waren. Sie wollte überhaupt nicht wissen, was dieser Abend Alan kosten würde. Keine Preise auf einer Speisekarte bedeuteten nie etwas Gutes. Üblicherweise verkehrte sie nie in solchen Lokalen. Woher denn auch? Sie hatte für so einen Luxus absolut kein Budget übrig. Überfordert sah sie auf und blickte zu ihrem Gegenüber. Sofort sah Alan ebenso von seiner Karte auf und lächelte ihr entgegen. „Bitte mache dir keinerlei Gedanken was es kostet, dieser Abend geht auf mich. Ich hätte dich schon viel früher einmal einladen sollen. Du hast mir bereits so oft geholfen, es ist das Mindeste, was ich für dich tun kann."

Abermals lächelte er liebevoll in ihre Richtung. Seine Augen hatten in diesem Licht eine andere Farbe angenommen. Sie leuchteten dunkel, der Schimmer in ihnen wirkte gar verheißungsvoll. Rosalyns Bauch begann zu kribbeln, seine Worte berührten sie. Hatte er doch bemerkt, dass sie mehr für ihn abwickelte, als es notwendig wäre? Den Gedanken an seine Frau konnte sie dennoch nicht vergessen, weshalb sie ihn unbedingt darauf ansprechen wollte. „Hat Mary nichts dagegen, dass du dich heute Abend mit mir hier triffst?" Sofort sah sie in seinem Blick, dass sie eine falsche Frage gestellt hatte.

Alan versuchte die unangenehme Situation mit einem Lächeln zu überspielen. „Mach dir keine Sorgen um sie, sie weiß nichts von diesem Treffen. Ich wollte dich sehen und mit dir reden, davon muss sie ja nicht unbedingt etwas wissen."

„Es tut mir leid. Diese Frage hätte ich dir nicht stellen dürfen, es geht mich nichts an, was du mit deiner Frau besprichst oder eben nicht", meinte sie schnell darauf. Wie konnte sie nur so töricht sein. Musste sie diesen Abend bereits ruinieren, noch bevor er begonnen hatte? Genervt fuhr sie sich über die Stirn, am liebsten hätte sie die Zeit zurückgedreht, um ihre Aussage rückgängig zu machen.

„Schon gut Rosalyn, ich möchte ehrlich zu dir sein. Ich habe ihr nichts darüber gesagt, weil ich keinen Streit zu Hause wollte. Du weißt genauso gut wie ich, dass Mary es nicht gut heißen würde, wenn sie davon wüsste. Aber lass uns nicht mehr über sie nachdenken. Genießen wir lieber diesen Abend. Wer weiß, wann es das nächste Mal dazu kommt." Schnell nahm er einen Schluck Wein, sein Hals war plötzlich trocken geworden.

Seine Worte klangen in Rosalyns Ohren verrucht, als ob sie eine Affäre hätten. Als wären sie zwei Geliebte, die sich heimlich treffen mussten, um sich zu sehen. Der Gedanke fühlte sich gut und doch so unendlich falsch an. Als sie unerwartet Alans Hand auf ihrer spürte, fuhr sie aus ihren fragwürdigen Gedankengängen hoch und blickte ihm überrascht entgegen.

„Es ist alles gut", versicherte er, „du brauchst keine Angst vor Mary zu haben. Ich werde in Zukunft nicht mehr zulassen, dass sie dich fertig macht. Lass uns nun über weniger ernste Themen reden. Bestellen wir doch lieber unser Essen, egal worauf du heute Lust hast, bestelle es dir."

Lust hatte Rosalyn eigentlich auf etwas ganz anderes und seine Worte lösen in ihr noch größere Empfindungen aus, als sie bereits für den Schauspieler spürte. Sie liebte den Mann, der ihr gegenüber saß. Wenn er sie so ansah wie jetzt, konnte sie sich beinahe einbilden, dass er ebenso etwas für sie fühlte. Als die beiden die Speisen ausgewählt hatten, betätigte Alan einen unauffälligen Knopf an der Wand. Kurze Zeit später trat der Kellner ein, um Ihre Bestellung entgegenzunehmen. Abermals legte er seine Hand auf ihre und meinte: „Lass uns über alles reden."

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