Kapitel 11
Er wusste nicht, was in den wenigen Minuten passiert war, aber irgendetwas hatte sich verändert, doch er wollte nicht darauf eingehen: „Natürlich kann es funktionieren, immerhin hat es bis jetzt funktioniert und wenn du in Zukunft von hier aus arbeitest, dann hast du deine Ruhe vor Mary." Der Tag war schon lang gewesen und die täglichen Streitereien mit seiner Frau zermürbten ihn ebenso. Auch die neue Assistentin, die heute dagewesen war, hatte ihn gestresst. Langsam wurde ihm alles zu viel. „Vorausgesetzt du willst überhaupt noch bei mir beschäftigt sein, ich bin mir da mittlerweile selbst nicht mehr so sicher, wenn du so reagierst", sprach er weiter, sein Unterton war bissig geworden.
Rosalyn hätte ihn am liebsten schon wieder vor die Türe gesetzt, so wie gestern. Aber wenn sie von zu Hause aus arbeiten würde, könnte sie ihm wenigstens komplett aus dem Weg gehen. Schließlich würde er nicht extra zu ihr kommen, um mit ihr ein paar Termine zu besprechen, das könnten sie locker am Telefon erledigen. Sie versuchte sich zu beruhigen, immerhin wollte sie nicht schon wieder mit Alan streiten. „Wenn ich von hier aus arbeite, müsste es funktionieren und wir könnten unsere täglichen Gespräche kurz am Handy abwickeln."
Er nahm einen großen Schluck Rotwein, um seine Nerven zu beruhigen. Was war nur geschehen? Aus welchem Grund verstanden sie sich in letzter Zeit nicht mehr so gut. Was war eigentlich passiert? Dass Mary unfreundlich zu seiner Assistentin war, war nichts Neues und das alleine konnte nicht das Problem sein, weshalb sich die Stimmung zwischen ihnen geändert hatte. Abermals sah er in ihre Augen und versuchte zu ergründen, an was es lag. Es schienen Stunden vergangen zu sein, als die beiden durch ein Klingeln an der Türe aus dem Bann gezogen wurden.
Rosalyn wurde aus ihren Träumereien gerissen, sie war so in Alans braunen Augen gefangen gewesen, dass sie gar nicht gemerkt hatte, wie die Zeit davon gelaufen war. „Das muss der Lieferservice sein", rasch ging sie zur Sprechanlage neben ihrer Wohnungstüre, um für den Lieferanten zu öffnen. Es dauerte nicht lange, da trat der Bote auch schon aus dem Lift und überreichte ihnen die Speisen. Das köstliche Aroma von italienischen Kräutern und frischem Knoblauch wehte ihr entgegen, erst jetzt bemerkte sie, wie viel Hunger sie mittlerweile hatte.
Alan folgte ihr umgehend, da er die Speisen bezahlen wollte, doch der Bote sagte ihm, dass die Bestellung bereits auf seine monatliche Rechnung geschrieben worden war und er die Summe somit nicht begleichen musste. Er ließ es sich dennoch nicht nehmen, dem jungen Mann ein angemessenes Trinkgeld zu überreichen. Er dachte nicht weiter darüber nach, ob es ein Problem mit dem Rechnungsbeleg geben könnte, weil die Adresse seiner Assistentin darauf zu finden war. Alan sah Rosalyn dabei zu, wie sie die Behälter nahm und in die Küche trug. Sofort schloss er die Eingangstüre hinter sich und ging ihr unmittelbar hinterher.
Rasch holte sie das Besteck und die Teller für das Essen aus den Schränken und brachte alles zum Tisch, damit sie endlich anfangen konnten. Sie nahm einen großzügigen Schluck des Weines um auf andere Gedanken zu kommen. Eigentlich hatte sie überhaupt keine Lust, denn sie wollte gar nicht wissen, welches davon Mary's Lieblingsspeise war, aber der Hunger überwog.
Alan begann die Essensbehälter zu öffnen und der wunderbare Duft von italienischen Speisen stieg noch intensiver auf. Erwartungsvoll sah er zu seiner Assistentin, doch diese schien nicht wirklich auf die Köstlichkeiten zu reagieren. „Komm, lass uns endlich essen, ich habe großen Hunger", meinte er zu ihr in der Hoffnung, vielleicht eine Reaktion von ihr zu bekommen, doch seine Bemühungen waren vergeblich.
Rosalyn riss sich zusammen, schließlich musste sie heute noch etwas essen. Sie betrachtete die Speisen ausgiebig und entschied sich von den gefüllten Ravioli zu nehmen, die mit Sahnesoße übergossen waren. Sie schaufelte sich eine kleine Portion auf ihren Teller und nahm das Päckchen Parmesankäse, öffnete dieses und streute etwas davon auf ihre Mahlzeit. „Es riecht köstlich", meinte sie abwesend, da sie mit ihren Gedanken in einer eigenen Welt hing. Zum Glück wusste sie nicht, welches Gericht die Lieblingsspeise seiner Frau war. Denn Alan hatte die Essensbehälter so hingestellt, dass sie von beiden Speisen nehmen konnte. Schweigend aßen sie nebeneinander, die Zeit schien nur langsam zu vergehen, da sich die Stimmung nicht besserte, lediglich das Klappern des Bestecks erfüllte die kleine Küche, sonst wurde kein Wort gesprochen. Mittlerweile hatte Rosalyn ihren Rotwein ausgetrunken. Sie verzichtete jedoch darauf etwas nachzuschenken, schließlich wollte sie unbedingt einen klaren Kopf bewahren. „Das Essen war vorzüglich Alan, danke für die Einladung", meinte sie zu ihm, nachdem sie ihre Mahlzeit beendet hatte und sich zurück an den Stuhl lehnte, um zu warten, bis er ebenso fertig gegessen hatte.
„Es freut mich, dass es dir geschmeckt hat und dass ich deinen Geschmack getroffen habe", meinte er glücklich, denn ihm war nicht bewusst, dass er sie mit seiner Auswahl vor den Kopf gestoßen hatte. „Willst du noch einen Schluck Wein? Es wäre genug in der Flasche", fragte er aufmerksam und deutete auf diese, um seiner Frage mehr Ausdruck zu verleihen. Doch seine Assistentin schüttelte nur verneinend den Kopf und mied weiterhin seinen Blick. Nachdenklich blickte er auf Rosalyn, gerne hätte er nachgefragt, was sie bedrückte, er ahnte jedoch, dass es keine so gute Idee sein würde sie jetzt nach ihren privaten Gefühlen zu fragen.
Als ob er ihren Geschmack wusste. Er hatte keine Ahnung, was sie bevorzugte, dachte sie bitter nach und versank weiter in ihren trüben Gedanken. Er hatte einfach nur das Gericht seiner Frau bestellt. Am liebsten hätte sie ihm das an den Kopf geworfen, doch sie waren zwei erwachsene Menschen und wenn ihm sein eigener Fauxpas nicht auffiel, dann konnte sie ihm auch nicht helfen. Was konnte man schon von einem verheirateten Mann erwarten, schließlich war er nur ein Klient für sie, mehr nicht. Warum sollte er sich damit beschäftigen, oder sich Gedanken darüber machen, welche Essensgewohnheiten sie hatte. Rosalyn versuchte den ganzen Umstand zu vergessen, es war kindisch und unreif von ihr, weiter über diese Begebenheit nachzudenken und doch konnte sie es nicht lassen.
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