Kapitel 10
Als sie durch den Spalt der Türe sah, glaubte sie, nicht richtig zu sehen. „Alan? Was machst du denn hier, ich habe geglaubt wir überlegen dieses Wochenende, wie es weitergehen soll?" Verdutzt sah sie ihm entgegen und konnte nicht einschätzen, was er vorhatte.
Er wusste nicht, was er auf ihre Frage sagen könnte, immerhin hatte sie recht. Er kam sich bereits wie der größte Idiot vor. Er streckte die Hand mit dem Wein nach vorne und hielt ihr die Flasche vor die Nase. „Ich weiß", fing er innerlich nervös zu sprechen an, „eigentlich haben wir etwas anderes vereinbart, aber ich wollte nicht das ganze Wochenende warten. Meinst du, wir könnten versuchen, noch einmal über dieses Thema zu reden? Bitte." Flehend sah er sie an und wartete auf eine Reaktion von ihr, denn sie starre ihn an, als ob sie nicht so genau wüsste, ob sie ihm die Türe vor der Nase zuknallen sollte.
Rosalyn fühlte sich von ihm überrumpelt, noch dazu hatte sie bereits gemütliche Kleidung an und wollte so eigentlich nicht gesehen werden, schon gar nicht von ihrem heimlichen Traummann. „Alan, ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist", sagte sie nun schüchtern darauf und sah auf die Flasche Wein, die er ihr noch immer vor ihre Nase hielt.
„Störe ich dich etwa, erwartest du vielleicht Besuch?", fragte er und eine ihm unbekannte Eifersucht überfiel seine Gedanken. Er wäre nie auf die Idee gekommen, dass er sie bei etwas unterbrechen könnte. Eigentlich war es naiv von ihm anzunehmen, dass sie nur auf seine Gesellschaft wartete und sonst keinerlei Privatleben hatte. Innerlich rollte er über seine Dummheit die Augen, aber nun war er bereits hier. Noch immer gab sie ihm keine Antwort auf seine Frage und Alan wurde die gesamte Situation reichlich unangenehm, schließlich stand er im Gang vor der Wohnung herum. „Meine Äußerung tut mir leid, es geht mich selbstverständlich nichts an, was du in deiner Freizeit machst, ich will dich nicht länger stören. Ich wünsche dir einen schönen Abend." Er wollte sich bereits abwenden, um der peinlichen Lage zu entkommen, doch Rosalyn schien nun aus ihrer Starre zu erwachen.
„Nein Alan, du störst nicht, aber du hast mich ehrlich gesagt überrumpelt. Sieh mal, ich habe nicht einmal mehr ordentliche Kleidung an", meinte sie zu ihm. Sein Blick glitt durch ihre Aussage automatisch über ihre Figur, was ihr unangenehm war, schließlich sah sie eher aus wie ein Sack Kartoffeln in diesen lockeren Klamotten.
Mittlerweile hatte er den Rotwein an seine Brust gedrückt und es war ihm unglaublich peinlich, dass er überhaupt daran gedacht hatte sie am Abend zu besuchen. Eigentlich war es mehr als ungehörig von ihm zu erwarten, dass sie sich für ihn Zeit nahm.
Rosalyn merkte, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Nervös knabberte sie an ihrer Unterlippe und suchte fieberhaft nach einer Lösung. „Möchtest du vielleicht hereinkommen? Ich muss aber zugeben, dass ich noch nicht weiter darüber nachgedacht habe, wie es jetzt weitergehen soll."
„Ich komme nur herein, wenn ich dich auch wirklich nicht störe", meinte er nun zu ihr. „Wenn Du möchtest, können wir ein Glas Wein zusammen trinken, vielleicht lässt es sich dann leichter über unsere Probleme reden. Ich habe extra einen vorzüglichen Rotwein ausgesucht, er wird dir bestimmt schmecken", versuchte er abzulenken, denn er kam sich noch immer äußerst fehl am Platz vor.
„Gerne können wir den Wein zusammen probieren, eigentlich wollte ich gerade entscheiden, was ich zu Abend esse, aber ehrlich gesagt habe ich noch keine Ahnung", meinte sie zu ihm und öffnete die Türe weiter für ihn, damit er eintreten konnte.
„Was hältst du davon, wenn wir uns etwas bestellen? Ich bezahle das Essen, als Ausgleich für die Unannehmlichkeit, die ich verursacht habe", meinte Alan zu ihr und trat in den Wohnungsflur, um sich seine Schuhe auszuziehen. Er hielt Rosalyn wieder die Flasche Wein entgegen, damit sie diese in die Küche mitnehmen könnte. „Hier bitte", redete er weiter, „du kannst sie schon einmal öffnen, sodass der Rotwein sein Aroma entfalten kann."
„Selbstverständlich, wird gemacht, Sir", sagte sie mit einem frechen Ton, nahm die Weinflasche an sich und ließ Alan im Flur stehen, damit er sich in Ruhe die Schuhe ausziehen konnte. Sie kramte in der Küchenschublade nach dem Korkenzieher, sie hatte schon länger keinen Wein mehr getrunken, weshalb sie erst danach suchen musste. Während Rosalyn die Flasche öffnete und in zwei große Weingläser füllte, entledigte sich Alan seiner Schuhe, seine Jacke hängte er in der Garderobe auf.
Mittlerweile war es draußen dunkel geworden und Rickman war noch immer der Meinung, dass ihre Wohnung sehr angenehm und einladend wirkte, da die Deckenlampe den Raum in eine gemütliche Atmosphäre tauchte. Langsam trat er an sie heran und begann zu sprechen: „Auf was hättest du Lust, welches Essen soll ich uns bestellen?"
Rosalyn hatte sich über seine Anwesenheit so erschreckt, dass sie beinahe schon wieder etwas in seiner Gegenwart hätte fallen gelassen. „Mein Gott Alan!", meckerte sie, „musst du mich immer so erschrecken? Warum stellst du dich auch jedes Mal hinter mich, wenn du zu reden anfängst." Tadelnd sah sie ihn an und konnte nicht glauben, dass es bald schon wieder zu einem Unglück gekommen wäre.
„Es tut mir leid", erwiderte der Schauspieler verlegen und trat sofort ein paar Schritte weg, „ich habe mir nichts Böses dabei gedacht."
„Schon gut", murmelte sie betreten, denn seine Anwesenheit und seine Nähe machten es ihr noch schwerer, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, „hier bitte, dein Wein." Rosalyn hielt ihm das große Rotweinglas entgegen, damit sie beide trinken konnten.
Alan sah ihr tief in die Augen und prostete ihr mit dem Glas zu. „Ich hoffe auf eine zukünftige und gute Zusammenarbeit, die noch lange anhalten wird."
Sie hob ihr Glas ebenso an und stieß mit ihm an, reagierte aber nicht auf seinen Trinkspruch. Ihre Gefühle waren gemischt, auf der einen Seite war sie froh, ihn als Klienten zu haben, auf der anderen Seite wäre ihr nichts lieber, als ihn nie mehr sehen zu müssen. „Alan, ich habe keine Ahnung was wir essen sollen, bestell etwas, was dir schmeckt, ich bin nicht so wählerisch", antwortete sie nun endlich auf seine Frage, bezüglich der Essensbestellung.
Verwundert sah er sie an, üblicherweise bekam er von Mary genaue Anweisungen, welche Speisen er zu bestellen hatte. Seine Frau wusste immer ganz exakt, was sie essen wollte, oder eben nicht. Etwas ratlos über diese neue Herausforderung kratzte er sich verlegen an seinem Hinterkopf. „Mal sehen", murmelte er, „was hältst du von italienisch, das würde nämlich gut zu dem Rotwein passen?"
„Das klingt wunderbar", meinte sie, „bestell mir ein Gericht, ich lasse mich von dir überraschen."
„Ich soll einfach irgendetwas mitbestellen?", fragte er überrascht nach, denn er war jetzt endgültig überfordert. „Du hast gar keinen speziellen Wunsch, Pizza oder Pasta?", bohrte er überfragt weiter, um wenigstens irgendeinen Anhaltspunkt zu bekommen. Alan stellte sein Weinglas ab und holte sein Handy hervor, damit er den Anruf tätigen konnte. Noch immer sah er seine Assistentin fragend an, doch diese schien ihm keine Antwort geben zu wollen, da sie verneinend den Kopf schüttelte. Verwirrt über die ganze Lage suchte er die Nummer heraus und rief bei seinem Stammlokal an. Unruhig ging er in der kleinen Küche auf und ab und tätigte die Bestellung, die er schnell hinter sich bringen wollte. Zum Schluss nannte er die Adresse von Rosalyn, damit der Italiener zum richtigen Ort lieferte.
Sie hatte die ganze Zeit seinem Anruf gelauscht und ein ungutes Gefühl breitete sich in ihrem Magen aus. Alan hatte nur das Übliche bestellt, zumindest hatte er genau diese Worte benutzt. Es störte sie gewaltig, denn das bedeutete, dass er sich nicht einmal die Mühe machte, sich etwas Neues für sie auszudenken. Scheinbar würde sie heute das Essen bekommen, was üblicherweise seine Frau aß. Enttäuscht über diesen Ausgang starrte sie in die Nacht hinaus und nippte an ihrem Wein. Am liebsten hätte sie jetzt losgeheult, so schlecht fühlte sie sich gerade im Moment. Klar, was konnte sie auch schon von einem verheirateten Mann erwarten, warum sollte er sie mit einer guten Essenswahl erfreuen? Stattdessen hatte er ihr das Essen, das seine Frau für gewöhnlich orderte, mitbestellt. Sie fühlte sich plötzlich so dumm und wertlos. Ihr Herz zog sich schmerzhaft zusammen und sie wusste, dass sie diesen Abend so schnell wie möglich hinter sich bringen wollte.
Als Alan mit seinem Anruf fertig war, drehte er sich wieder zu seiner Assistentin, die gerade aus dem Fenster hinaus in die Nacht sah. „Das Essen kommt in circa zwanzig Minuten", informierte er sie, doch er bekam keine Antwort von ihr. Langsam ging er zu ihr und stellte sich neben Rosalyn und sah nun ebenso aus dem Fenster, hinaus in die Dunkelheit. „Meinst du, wir können eine Lösung finden, damit du weiterhin für mich arbeiten würdest?", fragte er in die Stille hinein und sah sie erwartungsvoll an.
Rosalyn drehte sich zu dem Schauspieler und sah ihm in die Augen, er bemerkte, dass sich ihr Blick komplett geändert hatte und kalt auf ihn wirkte. „Ich weiß nicht Alan, sag du es mir? Kann es noch funktionieren, oder ist es besser, wenn wir getrennte Wege gehen."
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