Alles geschah in Zeitlupe. Glassplitter flogen durch die Luft, als die Frontscheibe des Wagens zerbarst. Sie glitzerten im Sonnenlicht wie kleine Diamanten. Winzig, wunderschön und gefährlich. Wie Regenbögen schimmerte das gebrochene Weiß hindurch, versetzte dem Szenario einen mystischen Schein. Kleine Edelsteine, die vom Himmel regneten und jeden, den sie berührten, gezeichnet zurückließen. Kaum sichtbare Tropfen Blut spritzten von seiner Haut, mischten sich in das atemberaubende Bild. Rot im Tanz mit dem Licht. Eine Aufführung fernab von allem Vorstellbaren, von allem Reellen. Farben im Sog in ein anderes Universum, in eine parallele Welt mit neuen Entscheidungen, anderen Wegen. Angezogen durch diesen Fluss aus Schönheit, flog der silberne Wagen auf ihn zu. Die Schwerkraft schien außer Kraft gesetzt, es konnte einfach dahin schweben. Drehte sich etwas in die eine Richtung, ohne Gleichgewicht, ohne Halt. In den eisblauen Augen der Fahrerin glänzte das Wissen um den nächsten Halt. Wo wollte sie wohl hin? Warum konnte sie bei einem Stau von der Straße abkommen und noch diese tödliche Geschwindigkeit auf die Reifen bringen? Die schwarzen Spuren auf dem flackernden Asphalt verrieten den verzweifelten Versuch, den sie unternommen hatte, um das Unglück aufzuhalten. Ihre Haare wirbelten um ihren Kopf, hoben ab, wie sie es unter Wasser tun. Schwerelos, leicht. Das Geräusch als der Wagen gegen die Steinwand des idyllischen Straßencafés prallte, hallte nur entfernt durch seine Ohren. Das Auto wurde vorn beginnend in sich zusammengequetscht. Immer kürzer und kürzer wurde es, als wollte es in der Wand verschwinden, gesprungen in eine der anderen Leben, in eine andere Entscheidung.
Er spürte, wie jemand ihn sanft nach hinten zog, er entfernte sich immer weiter von dem verträumten Auto, das langsam die Kraft zu fliegen, zu verlieren schien. Es glitt, ähnlich einer Feder, auf den Boden zu. Das Gesicht der Frau lag auf dem Lenkrad, ihre Hände umschlossen einen kleinen Anhänger. Sie hielt ihn fest, als könnte sie so ihr Leben darin einschließen, als baute er ein Schutzwall um sie herum auf, sodass ihr nichts geschah. Die blutverschmierten Haare hingen in verklebten Strähnen an ihrem Kopf hinab und die Tropfen, die nach unten fielen, trommelten durch die Stille der zögernden Zeit wie ein unwillkommener Gast. Tropf - Tropf - Tropf. Er konnte sie hören. Die Uhr, die sich hinter ihnen versteckte. Tick Tack Tick Tack Tick Tack. Ihr Lachen drang durch seinen Körper, ließ ihn Zittern. So bewies sie ihm, dass er gar nichts war. Ohne Bedeutung. Ohne Wert. Ohne Macht. Das Einzige, was zählte, waren die Sekunden die verstrichen, von denen man niemals würde verhindern können, dass sie dies taten. So erklärte sie ihm, dass jede Sekunde wertvoll war, so quälend sie auch ist. Jede war Teil des großen Ganzen, des Lebens und irgendwann sollten keine tickenden Sekundenzeiger mehr da sein, die noch weiterspringen könnten. Irgendwann gab es keine Zeit mehr, die für ihn übrig ist. Das letzte Sandkorn der Uhr ist gefallen. Machte sich auf den Weg zu seinen Brüdern, auf den Weg zu allen Sandkörnern, die je gefallen sind. Zeit lief nicht weiter. Nicht für einen selbst. Nur für andere. Solange, bis auch ihre Zeit stehen blieb. Bis die Batterien aufgebraucht waren, der Sand verbraucht und alle Sekundenzeiger zerbrochen.
Er fiel zu Boden. Nicht schnell, nicht schmerzhaft, aber er fiel. Schon bald konnte er nicht mehr sehen, was sich vor ihm abspielte. Nur der Himmel war wichtig, der wunderschöne, surreale Bauton. Gebrochenes Licht. Keine Person, die ihn jeden Tag mit neuer Farbe streicht, hoffend, dass niemand einen Unterschied bemerkt. Die weißen Wolken, die für ihn schon lange keine Schäfchen mehr sind. Keine friedlichen Tiere, die über die blaue Kuppel wandern und kleine Kinder glücklich machen, sie zum Lachen bringen.
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