„Seit wann müssen kleine Brüder, denn dafür sorgen, dass ihre Schwestern überleben?", fragt sie weiter. Er sieht ihr an, dass sie kurz vor der Verzweiflung steht. Ihr Gehirn will ihr nicht erlauben, zu akzeptieren, was sie akzeptieren muss. „Seit die kleinen Brüder genug von Computern verstehen, um ihre großen Schwestern zu beschützen", antwortet er ruhig. Er hatte sich drauf vorbereitet, mit ihr darüber diskutieren zu müssen. „Du könntest mir genauso gut erklären, worauf ich achten muss!" Er bewundert ihre Willenskraft. Sie will ihn unter keinen Umständen verlieren, aber was sie fordert ist unmöglich. Jeder weiß, dass sie schlau ist, aber für diese Aufgabe wurde er geboren, nicht sie. In seinem Kopf laufen die technischen Mechanismen automatisch ab, nicht in ihrem. Für ihn ist ein Code aus Zahlen, wie normale Schrift, nicht für sie. Er ist es, der in der Schule immer Probleme hatte, weil er normale Buchstaben nicht lesen konnte, nicht sie. Sein Gehirn ist voll und ganz auf so etwas gepolt. Niemand sonst könnte das. Sie weiß es, auch wenn sie es nicht wahr haben will. Tief in ihrem Innern weiß sie es. Er wird ihr auf diese Frage nicht antworten. Sie kämpft mit sich selbst bereits um die Antwort. „Dir ist auch bewusst, wie viel Speicherplatz so eine Aktion benötigt?", Lucas würde immer ein Computerfreak bleiben. Er ist nicht ganz so extrem wie Eldrian selbst, aber seine Gefühle ähneln denen einer Maschine. Während jeder in diesem Raum mit der Gewissheit kämpft, dass sie kaum noch eine Chance haben, hat er berechnet, wie viel Speicher es braucht, den Plan durchzuziehen, ohne einen Geschwindigkeitsnachteil zu haben. „Ja", antwortet er knapp. „Dann wäre es sehr großzügig, wenn du mir mitteilen könntest, wo du so viel Speicher herbekommen möchtest. Das sind riesige Server. Sie müssen gekühlt werden und das macht uns unbeweglich. Außerdem müssten wir eine Quelle von neuem Speicherplatz haben, weil wir nicht wissen, wie lange es dauern wird... Wie genau lautet der Plan?" Fast muss er sich ein Lachen verkneifen. Lucas hatte wirklich jedes Szenario durchdacht. Zu diesem Zeitpunkt erweist sich das jedoch eher als ungünstig. Die anderen im Raum waren für weitere Hiobsbotschaften eigentlich noch nicht bereit. Da er jetzt jedoch keine andere Wahl hat, wird er alle Karten auf den Tisch legen müssen: „Wir werden den Speicherplatz ausreichend für 365 Tage gestalten. Länger wird es nicht dauern -" „Und wenn es das doch tut?", wirft er ein, in seiner Hand hat er zur Berechnung einen Stift. „Dann werde ich vergessen, was 365 Tage zuvor passiert ist." Ein Raunen geht durch die Gruppe. Sie wissen, was das heißt. Wenn ich vergesse, was passiert, dann werde ich irgendwann in diesem Zustand nicht mehr wissen, warum ich überhaupt in dem System bin. Ich werde nicht einmal mehr wissen, was ich eigentlich bin. Nach 365 Tagen werde ich dort leben, ohne etwas anderes gekannt zu haben. Vielleicht werde ich versuchen eine Familie zu gründen oder mich umzubringen, weil die Schutzmaßnahmen, die mich erwarten, mir eine Welt vorgaukeln, in der es sich nicht zu leben lohnt. Wenn das geschieht, dann befinden wir uns in dem Bereich der 97,7%. Das System würde gewinnen. „Dann hätten wir trotzdem weiter das Problem mit dem Kühlen und der Unbeweglichkeit..", Lucas Gefühlskälte ist tatsächlich sehr bemerkenswert. „Hör auf!", seine Schwester ist aufgesprungen. In ihren Augen schimmern Tränen, doch ihr Blick ist entschlossen: „Ich hasse es, dass du so etwas tust, dass du dich einfach so in die Gefahr stürzt, ohne jemanden, der dir hilft -" Er hebt die Hand, um etwas einzuwerfen. „Jetzt rede ich!", stellt sie jedoch klar, „Du bist der Einzige, der von meiner Familie noch übrig ist und du willst trotzdem gehen! Dafür könnte ich dich persönlich erwürgen! -" Sie macht eine kurze Pause. Niemand wagt, sie von den nächsten Sätzen abzuhalten: „Aber! Wenn ich dich erwürge, dann hast du gar keine Chance zu Überleben mehr. Wenn ich dich aber gehen lasse, dann gibt es diese winzige Variante des Erfolgs. Du zwingst mich also, dich in Gefahr zu bringen, damit du mit einer geringen Wahrscheinlichkeit, selbst aus dieser Gefahr wieder herauszukommen." Sie schweigt. Mehr hat sie nicht zu sagen, aber er weiß, dass sie ihre Entscheidung getroffen hat, und dass sich alle anderen anschließen werden. 

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Dieses Kapitel möchte ich Lena12699 widmen, weil sie a) in jedem meiner Bücher mindestens eine Widmung erhält und weil sie b) meine erste Leserin auf Wattpad war. Sie musste also durch alle meine Höhen und Tiefen mit mir (ach und c) sie schreibt immer noch an diesem perfekten Buch "Amber")

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