Kapitel 9 - Kamera! Licht! Action!

„Weißt du was? Ich hasse Pläne!" Ich trat wütend gegen einen Stein.
„Ich denke, du hasst nur den Regen", gab Clint grinsend zurück. So konnte man das auch sehen. Meine Haare klebten an meinem Kopf, so wie meine Kleidung an meinem Körper. Wir hatten noch drei Minuten, bis es los ging. Hawkeye hatte einen Bogen hervorgezaubert und spielte mit seinen Pfeilen.
„Hawky, fang", gab ich grummelnd von mir und warf ihm ein Headset zu. Er fing es.
„Bereit?" Er schaute mich an.
„Kommt drauf an wozu. Also fürs sterben bin ich bestens gewappnet. Ich sterbe schließlich nicht alleine. Ich könnte dich jetzt küssen und dann behaupten, ich wäre mit meinem Lebensgefährten gestorben, aber an deinem Blick erkenne ich, dass ich aufhören sollte zu reden, du siehst nämlich verstört aus." Ich beendete meinen Monolog mit einem Grinsen.
„Soweit kommt's noch, dass ich mit ner Pyschokillerin anbandle."
„Autsch."
Er grinste. „Fünf, vier, drei, zwei, eins..." „...Zero, let's go!"

Der Wind pfiff mir in den Ohren und ich musste feststellen, das Clint schneller war als ich. Empört schnaubte ich und versuchte schneller zu rennen, ließ es dann aber bleiben.

Als ich keuchend vor der Tür zum Stillstand kam, war Clint schon dabei das Tastenfeld mit dem zehnstelligen Code zu füttern.
„Kannst du wieder?", fragte er amüsiert, sein Finger schwebte über der letzten Zahl - übrigens eine sieben -, und grinste. Ich atmete zwei Mal tief durch - Nase ein, Mund aus. Dann nickte ich und zückte den Elektrostab.

Das mit den Plänen war so eine Sache. Ich konnte nicht wirklich vernünftig sterben. Bei genug Adrenalin heilten sogar Wunden wie Durchschüsse der Kehle in Sekunden. Allerdings betraf das nur lebensgefährliche Wunden. Allerdings kam ich, während ich nach und nach Wachen auf dem Weg zum Datenzentrum ausschaltete, nicht drumherum, mir um Clint sorgen zu machen. Erstens, ich war aufgeschmissen, wenn Barton starb. Dann würden S.H.I.E.L.D. und Hydra mich in der Luft zerfetzen, zumindest, nach diesem Tag. Zweitens, war Clint nicht unzerstörbar. Wenn er starb, stark verletzt wurde, oder ähnliches, dann war der Plan gelaufen und ich saß in der Falle. Ich mochte nicht in der Falle sitzen.

„If I die young...", sang ich leise und pfiff dann die Melodie weiter, weil ich den Text nicht mehr wusste.
„Jetzt ladet schon, komm schon, lieber Computer. Mach verdammt noch mal schneller!", zischte ich nervös und schaute auf die Uhr. Wie konnten Computer nur so langsam arbeiten? Machten die das extra, damit es besonders schwer war Daten zu klauen?
Erneut hörte ich laute Schritte. Murrend nahm ich meine Pistole und als die Tür aufflog schoss ich vier Mal während ich auf die Agenten zuging und schnitt einem fünften die Kehle durch.
„Venedig, wie läuft's bei dir?"
„Bestens, und bei dir?"
„Gut."
„Hast du die Waffen?"
„Jep."
„Wir sehen uns dann gleich."
„Beeil dich."
„Immer doch."
Naja. Das mit dem beeilen könnte knapp werden. Entnervt begann ich mit den Fingern auf dem Tisch zu tippen. 75%. Sag mal, hatte sich der scheiß Balken überhaupt bewegt? Leise begann ich zu Fluchen. Italienische Flüche folgten den wenigen deutschen Flüchen, die ich kannte - übrigens auch die einzigen Deutschen Wörter die ich abgesehen von ›Tod‹, ›tot‹, ›krepiert‹ und ›Kuchen‹ kannte.
Dann machte ich weiter mit russischen Flüchen von denen ich eine ganze Palette auspackte und siehe da, der Balken war zumindest schon Mal bei 90%.
„Venedig, deine Zeit läuft ab."
„Das macht den Ladebalken auch nicht schneller", gab ich wütend zurück. Ich hatte ein verdammtes Deja-vu.

Die S.H.I.E.L.D.-Computer vor vier Jahren wollten auch nicht laden. Damals hatte mir so eine braunhaarige Schnepfe ne Kugel durch den rechten Lungenflügel gejagt. Mein Partner hatte mich den ganzen Weg zurück getragen und nebenbei alle Kameras und alle Agenten umgangen.

Erneut ertönten mehrere Schritte vor der Tür. Ich schnalzte mit der Zunge. Ich hatte keine Zeit für minderbemittelte, hirnamputierte Vollidioten.
„Hier Sanders, Eindringling im Datenraum. Ebene 3, Raum 14. Brauche Verstärkung." Leider kein Vollidiot. Verdammt.
„Hawky, vertraust du mir?"
„Kein Stück." Das war ja klar.
„Geh schon mal raus. Ich komme gleich nach." Aus dem Augenwinkel bemerkte ich, wie die 99 endlich zu einer 100 wurde und ich zog den Stick. Sicherheitshalber hängte ich ihn an eine Kette und stopfte mir den Stick umständlich in den BH.

Nicht, dass das im Zweifelsfall irgendwen davon abhalten würde, mir den Stick abzunehmen. Hydra kannte keine Grenzen. Sie machten keinen Halt, auch nicht vor Kindern, besonders nicht vor Kindern, die mit zehn so aussahen wie sechzehn. Ich hatte damit Erfahrung.

Mittlerweile hatte sich eine beunruhigende Stille über den Flur gelegt. Scheinbar wartete dieser Sanders auf Anweisungen. Zeit, das Ganze selber in die Hand zu nehmen. 
„Kommen Sie, Agent Sanders, ich beiße nicht", rief ich mit glockenheller Stimme. Es hallte gruselig. Beiläufig zückte ich einen der Sprengkörper und platzierte ihn an einem der Datenträger. Leise Schritte ertönten auf dem Flur und immer wieder platschte es leise, wenn Sanders in eine Pfütze aus Blut trat. Nach und nach platzierte ich die Bomben, das Messer hatte ich mittlerweile fest in der Hand und dann hörte ich endlich, wie die Tür knarrend aufging.

Ich grinste. Mit Sicherheit machte ich gerade jedem Psychopathen Konkurrenz. Allerdings würde bei mir vermutlich bei den meisten Psychotestes etwas in der Art rauskommen.

Das Grinsen schwand auch nicht, als ich den Mann identifizierte, der sich mit gezücktes Waffe durch die Tür schob.
„Sieh Mal einer an, Sanders. Hätte nie gedacht, dass einige von euch Ratten es tatsächlich vom sinkenden Schiff geschafft haben." Der Mann erstarrte. Er war um die dreißig, breites Kreuz, Muskeln ohne Ende und die stechend blauen Augen waren abstoßender und kälter als selbst meine es in den dunkelsten Stunden meines Lebens waren. Jetzt funkelte aber ein wenig Panik in Sanders Augen auf. Sofort fuhren seine Finger zum Headset.
„Alarmstufe Rot! Projekt 5-B-ZRR-S..." Er brach zusammen. Mein Messer hatte die Linke Augenhöhle getroffen. Es wäre lächerlich gewesen, zu sagen, dass ich es bereut hätte, denn das tat ich nicht. Meistens empfand ich auch keine Freude, nein, ich fühlte einfach gar nichts, wenn ich tötete. Bestimmt dreißig Masken und fünfzig zusätzliche Identitäten lagen zwischen meinen Tötungen und meinem Herzen. Gelassen nahm ich meine Maske ab und platzierte sie auf Sanders Brust. Vermutlich war es ziemlich dumm. Ich war oft dumm, aber ich liebte es manchmal einfach zu sehr, meine Spiele zu spielen.

Ohne mit der Wimper zu zucken nahm ich Sanders das Headset ab und beendete seinen Satz. „1992-S-I, ist hier. Wiederhole, die kleine Soldatin grüßt euch, Jungs." Sie hatten meine Nachricht verstanden. Sie alle hatten es. Der Tag, den sie so sehr herbeigesehnt wie gefürchtete hatten: Die einzig lebende ihrer zwei besten Waffen war zurückgekehrt. Nur leider auf der falschen Seite.

🍁

Clint sagte kein Wort, als die Basis hinter uns in die Luft flog. Ich bemerkte, wie er betont beiläufig auf meine blutverschmierten Klamotten und Hände starrte, dann aber lieber wieder den matschigen Weg vor uns betrachtete.

Er vertraute mir kein Stück. Leise begann ich zu kichern. Nein, er vertraute mir wirklich nicht. Er war gerade mit jemandem, dem er nicht vertraute in eine Hydrabasis marschiert und hatte im Alleingang um die fünfzig Menschenleben ausgelöscht, von denen jeder Familie und Freunde haben konnte. Es war nicht lustig. Nein, eigentlich war es überhaupt nicht lustig, aber in diesem Moment fühlte ich mich high. Ich fühlte mich high, weil ich nicht mehr alleine war.

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