Kapitel 11 - Die Party
Partys gehörten zu den wenigen Dingen, die mich stressten. Sie stressten mich in sofern, dass ich allen alkoholischen Getränken ausweichen musste, da ich ansonsten zu nichts mehr zu gebrauchen war. Normalerweise waren Partys auf meiner Stressskala nicht zu topen. Nun, zumindest bis ich mit Clint auf eine Party ging, der mit seinem Charisma und seine 007-Ausstrahlung eine wahres Licht für all die lästigen Moskitos auf der die erlaubte Dezibelgrenze längst überschritten habenden Party war. In hohen Stöckelschuhen und mit viel Gekicher folgten uns Damen jeder Herkunft, jeder Haarfarbe und jeder Größe mit ähnlich verkorksten Geschmack und zu wenig Kleidung. Obwohl, bei Kleidung durfte ich nicht urteilen. Also nuckelte ich an dem Strohhalm meines alkoholfreien Cocktails und sondierte den Raum, während ich mich durch die Menschenmenge bewegte.
Clint hatte ich irgendwo ausgesetzt. Er sollte gefälligst seinen Mückenschwarm loswerden.
Die Suche nach Johan Henriks erwies sich als schwieriger als gedacht. Das Problem war nämlich, dass die scheinbar eine private Lounge hatten und man da nur mit Einladung reinkam. Einladung.
Oder als hübsches Mädchen.
„Hey, Clint!", zischte ich leise in meinen Earset.
„Wissen wir was zu sexuellen Vorlieben von diesem Kerl?"
„Was hast du vor?", kam es nach einigen Sekunden alarmiert zurück.
„Ich mache das, was ich am besten kann."
Dann ging ich mit einladenden Hüftschwung Richtung Tür, zupfte ein bisschen ein meinem Ausschnitt und setzte ein süßes Lächeln auf.
„Verzeichnung, Signorita, sie dürfen hier nicht rein."
„Oh, das ist Schade. Sie müssen wissen, Ähm, nun ja, ein Freund von Mister Henriks hat mich für heute Abend bestellt, damit der Mal ein bisschen an Anspannung verliert."
Ich behielt mein Lächeln. In Gedanken ging ich den kleinen Zettel zu, der irgendwo in Lons Haus den Weg in meine Tasche gefunden hatte, weil sie genau wusste, welche Infos ich brauchte, obwohl sie es hasste sie mir zu geben.
›Vermutlich dominant, mehrere Anzeigen wegen Körperverletzung, drei davon von Prostituierten.‹ Der Wachmann nickte und öffnete dann die Tür.
„Komm doch später noch mal zu mir." Garantiert, mit einem wirklich scharfen Messer oder einem Wurfstern mit Widerhaken. „Sicher doch, Süßer."
Dominanz war etwas, dass mir grundsätzlich Kopfschmerzen bereitet. Ich musste Menschen gut kennen, damit sie beim Sex ihre Dominanz ausleben durften, zumindest, wenn ich es genießen sollte.
Der Gang war entgegen meiner Erwartungen hell erleuchtet, der Boden war mir dunkeln Teppich ausgelegt. Die Wände waren in einen einladenden Cremeweiß gestrichen und die eine Seite des Flures war verglast, sodass man auf die Rasenfläche und die Lichter der Stadt gucken konnte. Vermutlich war das Glas kugelsicher, schoss es mir noch durch den Kopf, da traf ich schon den ersten Bodyguard.
„Hey, ich habe ein Treffen mit einem Mister Henriks, wissen Sie, wo ich ihn finde."
„Natürlich, Miss..."
„Aquila, Eleanor Aquila."
„Einmal bitte dort entlang, die zweite Tür links, Mister Henriks erwartet sie."
Warme Hände legten sich um meinen Hals und drückten zu, nicht so, als wollte er mich umbringen, sondern so, wie geübte Doms das tatsächlich konnten.
„Ich bin mir sicher, du wurdest eingewiesen.", hauchte er mir ins Ohr.
„Ja, Sir." Mein Blick wanderte zu Boden und ich entblößte meine Kehle, indem ich den Kopf zur Seite lehnte. Es war ja nicht so, als hätte ich das noch nie gemacht.
„Grün, gelb, rot."
Es fühlte sich für mich noch nie wirklich komisch an dominiert zu werden. Ich fühlte mich danach nie leer oder ekelig, als wäre ich missbraucht oder genötigt worden, aber das verdankte ich vermutlich meiner Ausbildung. Sex Education hatte bei uns noch einmal eine ganz andere Bedeutung gehabt.
Seufzend stürzte ich mich auf die Unterarme und befreite mich von den Armen Johan Henriks. Er mochte kein guter Mensch sein, aber schlechtere hatte ich auch schon getroffen. Vorsichtig schlüpfte ich in meine Schuhe, sammelte meinen Schmuck ein und zog mein Kleid an. Ich ließ das Programm die Keycard klonen während ich mit normalen Gesichtswasser, das mir netterweise zur Verfügung gestellt wurde, die normale Schminke entfernte. Ein leises Vibrieren gab mir zu verstehen, dass ich jetzt eine Keycard hatte. Seufzend steckte ich sie in den trägerlosen BH, dann warf ich einen letzte Blick zurück und verließ das Zimmer.
Eigentlich mochte ich es sogar. Verdammt, war ich krank im Kopf.
„Hey, Clint, ich hab die Keycard."
Zuerst ertönte ein sehr erleichtert klingendes Ausatmen, dann ein wütendes Luft einziehen.
„Du hast eine Minute um bei mir aufzuschlagen. Bist du eigentlich verrückt geworden? Wie hätte ich denn mitkriegen sollen, dass du Hilfe brauchst?"
„Ich habe die letzten zwei Jahre keine Hilfe gebraucht. Ich hätte auch dieses Mal keine gebraucht."
„Was hast du dann die letzten zwei Stunden gemacht? Sag mal, sind da-...." Mit einem Ruck wurde mein Kinn nach oben gedrückt und ich unterdrückte den Reflex zuzuschlagen als ich Clint erkannte.
„Sind das Würgemale?", fragte er angespannt.
„Jap. Er war echt gut. Eine der besten Sessions seit Ewigkeiten." Clint schwieg und in seinen Augen wurde Entsetzen zu Verstehen und Verstehen zu Abscheu. Wenn wir uns in diesem Augenblick zum ersten Mal getroffen hätten, dann hätte er nicht eine Sekunde gezögert mich zu erschießen.
„Schockiert?", hauchte ich belustigt, stellte mich auf die Zehnspitzen und zog ihn zu mir runter.
„Du solltest dir gut überlegen, was du als nächstes sagst. Ich bin kein Kind", hauchte ich und legte meine Arme um seinen Hals um den Anschein es verliebten Pärchens zu erwecken, als ich aus dem Augenwinkel jemanden mit Waffe erblickte.
„Du wusstest worauf du dich einlässt, Clint, das hier ist meine Entscheidung, nur weil du nicht mit deiner Leben kannst, bestraf mich nicht für meine."
„Was machst du da?" hauchte Clint zurück, als ich mich drehte.
Er klang immer noch sauer. Ich streckte mich und küsste ihn auf die Wange.
„Beruhig dich, hinter mir, an der Tür, zwei Männer, blond, bewaffnet."
„Hast du die schon Mal gesehen?", flüsterte er zurück und vergrub sein Gesicht in meinem Nacken.
Ich kicherte leise und drehte mich noch Mal.
„Jap, den rechten, Monaco, vor zwei Monaten. Der wurde vermutlich auf mich angesetzt. Ich dachte der gehört zu euch."
„Nein, absolut nicht einer von unseren. Du warst uns einen Großteil der Zeit ziemlich egal."
Meine Finger wanderten hoch in seiner Haare.
„Wir müssen hier weg. Die sind wegen der Basis hier. Wir waren nicht unauffällig genug."
„Du meinst, du warst nicht unauffällig genug", meinte Clint und ich musste schon stark an mich halten um nicht das Gesicht zu verziehen.
„Willst du das jetzt mit mir ausdiskutieren?"
„Nein", murmelte er leise, „die haben uns nämlich erkannt. Lauf." Ich drehte mich um und rannte los.
„Besorg dir irgendwas schnelles. Ich lenk sie ab", rief ich noch, dann verschwand ich in der Menge. Sofort wurden die beiden hektischer. Sie waren also wirklich nur hinter mir her. Gut.
Ich verließ den Hauptraum und rannte einen weiteren Gang entlang. Als ich hinter mir die Tür aufgehen hörte schoss ich in ein Zimmer.
Die Tür lehnte ich nur an, denn ein schließen wäre zu laut gewesen. Ich konzentrierte mich darauf langsam und tief zu atmen und lockerte leicht meine Muskeln. Dann dreht ich die Rose meines Rings ab und ließ die Spitze zum Vorschein kommen. Ich musst nur die Kehle treffen oder den Oberschenkel, aber das war schwieriger.
„Hier Echo 3 an Overwatch, Invisible Soldier wirkt wie vom Erdboden verschluckt. Keine weiteren Infos." Ich wartete noch zwanzig Sekunden, in denen der eine irgendwelche Infos erhalten musste, auf jeden Fall ertönte ein: „Roger, over."
„Wie stellt sich Overwatch das vor? Wir schleppen die Soldatin eben Mal bis zur nächsten Einrichtung? Das klappt doch nie."
„Wir tun, was auch immer Overwatch sagt. Sonst tauschen wir demnächst Plätze mit einem aus den Talentebunker, darauf habe ich keinen Bock."
Ich holte tief Luft und legte den schützenden Mantel der Unsichtbarkeit über mich.
„Du müsstest in den Talentebunker. Die schicken niemanden von Nemesis zu denen."
„Erinnere mich bloß nicht dran."
Damit war das ganze Spiel noch Mal ein bisschen schwieriger geworden.
Nemesis bildete ausschließlich männliche Spione aus. Sogenannte Rachekinder oder eben Nemesis. Die männliche Version der Black Widows. Zusätzlich bedeutete es, der Nemesis wusste, wie er mich anpacken musste.
„Komm raus, Aurora, es wird Zeit zu spielen."
Sagte ich ja, der Nemesis wusste, wie er mich anpacken musste.
Mit einem Ruck riss ich die Tür auf und stürzte vor. Noch bevor der größere blonde reagieren konnte, traf mein Handknöchel zielsicher seine Kehle. Ohne zu zögern setzte ich nach und rammte ihm meinen Ellenbogen in den Solaplexus. Blitzschnell schnappte ich mir sein Messer und umschlang seinen Hals und trat in Richtung des zweiten Agenten.
Er lächelte. Vollkommen offen.
„Spinne."
„Nemesis."
Da wusste ich, dass er mich sehen konnte.
„Du hast ein Gen, nicht wahr?"
„Wärmesignaturen. Deshalb hat Hydra eine halbe Milliarde Dollar für mich gezahlt."
„Süß."
Dann legte ich meine Unsichtbarkeit ab.
„Hast du einen Namen?"
„Hayes."
„Hübsch."
Hinter mir röchelte es leise. Ohne zu zögern drehte ich das Messer in den Fingern und traf zielsicher das Auge.
Es schmatzte leise als ich es wieder herauszog.
„Uh, mieses Ding. Da wird die Tochter wohl ohne ihren Daddy klarkommen müssen."
Hayes hatte Angst vor mir. Das würde mir klar, als ich feststellte, dass er zu Phase 2 übergegangen war. Phase 2 war der psychische Angriff, der Bruchstücke aus der Vergangenheit des Gegners erfordert. Bei allen Nemesis und Red Room Kindern war es ungefähr gleich. Keine Eltern, geschlagen, misshandelt, vergewaltigt und genötigt. Das erste Mal getötet zwischen 8 und 16 Jahren.
„Also, Hayes, was hat man dir erzählt, dass du Angst vor mir hast?"
Er antwortete nicht, sondern blinzelte nur einmal kurz mit den Augen, dann schlug er zu wie eine Schlange. Mit einem Ruck riss ich meinen Arm hoch und stoppte den linken Arm, gleichzeitig winkelte ich das rechte Bein an und schützte meine Rippen und meine Leber vor einem Schlag. Blitzschnell dreht ich mich zu Seite und tauchte unter seinem Arm durch. Mit dem Ellenbogen zielte ich zwischen die Schulterblätter, streifte aber nur den Oberarm. Blitzschnell griff ich nach seinem Arm und riss ihn herum. Dann landete ich den ersten Treffer. Mein Knie fand zielsicher seine Kronjuwelen.
Sofort setzte ich nach und verdrehte seinen Arm. Er zischte leise. Ich schwang mich auf seinen Rücken und riss ihn mit einer Beinschere zu Boden. Mit einem Fauchen vergrub ich meine Zähne in seinem Unterarm und schrie gedämpft, als er mir den kleinen Finger brach.
Ich trat ihn vier Mal, bis er mich losließ, schob mich zurück und rollte mich ab.
Hayes leckte sich über die Lippe.
„Du kleine Schlampe", fauchte der Nemesis.
„Definiere Schlampe."
Im Augenwinkel bemerkte ich die Schusswaffe, ursprünglich wohl seine.
Es dauerte genau drei Sekunden. Auf dem Bauch rutschte ich zu der Waffe und umschloss den Griff. Noch in der Bewegung drehte ich mich und stieß mit dem Rücken an die Wand. Ich schoss. Zwei Mal. Dann warf ich die Waffe weg. Ich hasst Schusswaffen. Das Blut tropfte von der Wand, also mindestens ein Durchschuss.
Kurz musterte ich den am Boden liegenden Hayes. Eigentlich ein hübscher Junge. Dann ging ich.
Die Straße war ruhig. Das bisschen Licht kam aus den Fenstern des Anwesens. Ein leises Brummen ertönte und ich drehte mich um, bereit zu kämpfen. Ein schwarzes Motorrad fuhr aus der Garage, am Steuer ein blonder Mann
„Alles gut?"
Ich seufzte erleichtert auf.
„Hey, Hawkeye, wir müssen hier sofort weg." Ich schwang mich hinter ihm aufs Motorrad.
„Was ist passiert?"
In diesem Moment öffnete sich die Haustür.
„Verdammt. Fahr, fahr, fahr!"
Die ersten Schüsse peitschten über die Straße und Schreie ertönten aus dem inneren des Gebäudes. Clint schnallte sofort. Kreischend fuhr das Motorrad an. Die Luft zog an mir vorbei und ganz kurz fühlte ich mich frei, dann durchzuckte mich der Schmerz so unvorbereitet, dass ich beinahe seitlich vom Motorrad rutschte.
Ich spürte meine Beine nicht.
„Clint", wisperte ich leise.
„Clint, ich würde getroffen."
Er drehte leicht den Kopf.
„Heilst du?"
Eine erneute Schmerzwelle trieb mit die Tränen in die Augen. Ein Schluchzen unterdrückend antwortete ich laut genug, damit Clint mich hören konnte: „Die Kugel steckt und ist aus einem besonderen Metall, es verhindert die Heilung."
„Okay, hör zu, Venedig, du musst wach bleiben, ich kann dich nicht festhalten. Ich bring uns zu dir."
Ich spürte mein Bewusstsein schwinden.
„Hey, Venedig, bleib wach."
„Die Kugel hat die Wirbelsäule getroffen", flüsterte ich, dann wurde ich taub für die Welt. Ich fühlte nur den Luftzug, als ich den Halt verlor und eine dumpfe Kopie des Schmerzes, den ich empfinden musste, als ich auf den Asphalt traf.
Clint hatte häufig auf einem Motorrad die Flucht ergriffen, aber bisher hatte er noch nie jemanden verloren. Es war ein furchterregendes Geräusch, zuerst die Stille, als das schwarzhaarige Mädchen durch die Luft wirbelte und dann ein ekelhaftes, dumpfes, Geräusch, begleitet von einem Knacken, als die Söldnerin auf die Straße krachte. Kreischend ertönten die Bremsen, als er das Motorrad stoppte. Ohne Rücksicht auf die Maschine sprang er ab.
Sie lag regungslos da. Eine Blutlache hatte sich um ihren Kopf herum gebildet und ihr Arm stand in einem unnatürlichen Winkel von ihrem Körper ab.
Die eine Hand an der Waffe, kniete er sich neben das verletzte Mädchen. Ein bisschen Druck fiel von seinen Schultern als er den schwachen Puls des Mädchens fühlte.
Er brauchte Hilfe. Er hatte keine Erfahrung mit der Operation an der Wirbelsäule.
Aber auf die Schnelle fiel ihm nur eine Person ein, der er definitiv vertrauen konnte. Zumindest wenn es um die kleine Spionin neben ihm ging.
Schnell tastete er ihre Beine ab, bis ihm Natashas Worte einfielen.
„Bitte nicht."
›Viele Frauen packen ihr Handy in den BH. Ist effizient. Man kann es unauffällig verschieben. Ansonsten - Slip.‹
„Davon wirst du nie erfahren", murmelte er noch, dann griff er ihr in den BH. Am liebsten hättest er vor Glück geheult, als er tatsächlich ihr Handy fand. Er wollte sich wirklich nicht die Belästigung von bewusstlosen Frauen nachsagen lassen.
Der Code für das Handy war achtstellig und Clint hatte keine Ahnung, wie er ging.
Außerdem stand er unter Zeitdruck. Er hatte den Schützen nicht genau erkannt, aber er hatte den Ausdruck in Aurora's Augen gesehen. Sie hatte keine Angst gehabt, sondern mehr einen tiefen Respekt.
Nachdenklich starrte er auf das Tastenfeld, als ihm ein kleiner Schriftzug in der linken unteren Ecke des Displays auf.
›Notfallpass‹
Ein Versuch war es wert.
Ein Motor ertönte und der Bogenschütze erstarrte. Vorsichtig ergriff er den Körper der jungen Frau und hob sie hoch. Dann trug er sie von der Straße. Schnell schnappte er sich das Motorrad und schlug sich zu ihr in die Büsche. Mit einem lauten aufheulenden Motor schossen zwei schwarze Gefährte durch die Nacht und einer der beiden Fahrer hatte blutverschmierte, blonde Haare.
Im Notfallpass waren zehn Nummer, die meisten davon hatten als Namen nur einzelne Buchstaben.
M
O
N
A
AA
F
J
M
H
L
Hoffentlich war es auch das L.
Dann klickte er auf die Nummer.
„Rora? Ist was schief gegangen? Wo bist du?"
„Hier ist Clint Barton."
„Wer?"
„Der Typ der mit Aurora bei dir war."
„Was ist mit ihr? Ich komme sofort."
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