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»Der Glaube an Götter hat keinen Platz in unserer Kultur. Diese Gläubigen sollten bestraft und vernichtet werden, damit sie keinen Schaden anrichten können.«

~König Tervin, I. seines Namens aus
»Die Schande der Götter«

Große Menschenmassen strömten die Straßen entlang, stets von Gesprächen in vielen verschiedenen Sprachen und Bekleidungen begleitet. Das gute Wetter, mit strahlendem Sonnenschein und nahezu keinem Windhauch, lockte sie alle aus ihren Häusern, welche sich in diesem Stadtteil dicht an dicht nebeneinander anreihten.

Edan betrachtete die schiefen Dächer und dreckigen Fenster, welche sich gegenseitig in ihrem schlechten Zustand zu übertrumpfen versuchen schienen.

Er schob sich durch die Menschenmenge und tat sein Bestes dabei unauffällig zu wirken, während er mit flinken Fingern die ein oder andere Münze aus den Taschen der Menschen um sich herum mitgehen ließ.

Die Hauptstadt war durch die Hochzeit der Prinzessin völlig überfüllt, ein Paradies für Leute wie ihn. In seiner Heimat würde er es niemals wagen Menschen zu bestehlen, doch seine Verachtung für die in der Hauptstadt herrschende Kultur besänftigte sein Gewissen.

Grinsend steckte er sich eine Hand voll Craz ein und genoss das Gefühl wie die glänzenden Münzen seine Tasche beschwerten.

„Edan!" Der junge Mann fuhr herum und blickte in helle braune, fast goldene Augen. Die Frau vor ihm blickte ihn zornig an und zog ihn, sich mühsam durch die Menschenmenge bewegend, an den Rand der Straße.

„Arima was ist los mit dir?", zischte Edan erzürnt, ängstlich die Aufmerksamkeit falscher Personen auf sich zu ziehen. Diese zog ihre dunklen Augenbrauen zusammen. „Was mit mir los ist? Wir hatten eine Abmachung!", flüsterte sie, bemüht ihre Stimme nicht zu erheben.

„Wie hatten die Abmachung, dass ich mich nicht erwischen lasse, bei dem was ich tue." Edan versuchte sich aus Arimas Griff zu winden, doch ihre Finger bohrten sich nur noch tiefer in seine Schultern.

„Sei froh, dass Anculusna dir bisher gnädig war. Fordere deine Chancen nicht heraus", schimpfte sie und schien mit ihren hellen Augen direkt in seine Seele zu starren. Edan schnaubte nur amüsiert und hielt ihrem Blick mühelos stand.

Ein trauriges Lächeln legte sich auf seine Lippen, als er sprach: „Wenn dein Gott gnädig mit uns wäre, würden wir nicht hier stehen Arima." Ihre Augen wurden weicher. „Das hier ist keine Bestrafung Edan. Uns wird die Chance gegeben uns zu beweisen, unsere Kultur stolz zu machen. Die Himmelsgötter sind auf unserer Seite."

Ihre Stimme wurde leiser, als sie die letzten Worte hauchte und Edans Schultern spannten sich an. In dieser Stadt war kein Platz für ihren Glauben und die zwei wussten dies. An jeder Stelle fielen ihnen die Symbole der Tempel, Glaubensbekenntnisse an die Natur ins Auge.

Arima wusste, dass ihre Worte wenig bringen würden, doch sie beließ es bei ihnen und zog den jungen Mann stattdessen mit sich durch die Menschenmenge.

Edan merkte, wie sie bei jedem Schritt ein wenig die Miene verzog und bedacht war möglichst wenig Kontakt zu anderen Menschen zu haben, was ihn veranlasste einen Blick auf den schweren, grünen Stoff ihres Gewandes zu werfen, der besonders an ihrem Rücken dick gewoben war.

„Wie geht es deinem Rücken", versuchte er sie anzusprechen. Arima schüttelte nur den Kopf. „Rais Tinktur wird nicht mehr lange reichen, wir müssen uns beeilen."

Edan seufzte. Das Zeitfenster was ihnen zur Verfügung stand war auch so schon viel zu klein. Sich noch mehr zu beeilen war töricht. Und doch war es nötig.

Vorsorglich befestigte Edan zwei Dolche an seinem Gürtel und fuhr ehrfürchtig über die silberne Klinge seines Schwertes. Kleine Sterne waren am unteren Ende, nahe des Griffs eingeritzt und bildeten ein Symbol, das ihm mittlerweile vertrauter war als sein eigenes Gesicht.

„Kämpfe für deinen Glauben", flüsterte er und betrachtete die feinen Striche, die er einst mit seinem Vater dort hinterlassen hatte. Seine Heimat zählte auf ihn. Die Menschen dort hatten Hoffnung, darauf, dass die Göttin, in deren Namen sie lebten, sie nicht verlassen hatte.

„Steculia, steh mir bei", dachte Edan und befestigte die Waffe an seiner Seite. Mit etwas Glück würde seine eigene Kraft für sein Vorhaben reichen und er würde heute nicht die geschliffene Klinge führen und verunreinigen müssen.

„Die Götter haben uns nicht verlassen, auch wenn du das glaubst Edan", murmelte Arima aus der anderen Ecke des Zimmers. Sie hielt ein Fläschchen in der Hand, dessen farbiges Glas im schwachen Licht schimmerte.

Hinter ihren offenen, stark gelockten Haaren reckten sich feine Flügelspitzen zur Zimmerdecke. Edan konnte sich nicht vorstellen welche Schmerzen es der Fee zufügen musste, die dünnen Flügel permanent unter einer dicken Stoffschicht zu verstecken, besonders jetzt wo das regenerierende Öl, das sie bei sich führte, fast aufgebraucht war.

„Mein Glaube hat nichts mit unserem Vorhaben zu tun", wehrte er ab und drehte der Frau seinen Rücken zu. Diese seufzte und wendete sich ihrer eigenen Vorbereitung zu, was zur Folge hatte, dass sich eine angespannte Stille über den Raum legte.

Langsam wurde das Licht, das durch die schmutzigen Fenster in den Raum einfiel zu einem schwachen Orange, was kaum ausreichte, um die nun, auf einem der Betten ausgebreitete Karte zu lesen.

Schwache Striche bildeten die Umrisse eines Gebäudes und knappe Beschriftungen zeigten verschiedene Routen an. Edan drehte den abgenutzten Kohlestift angespannt zwischen zwei Fingern hin und her, während Arima verschiedene Strecken mit dem Finger nachfuhr.

Es musste alles genau so ablaufen wie es geplant war. Wenn nicht würde es, vor Allem für Arima schwerwiegende Konsequenzen haben. Es war kein Geheimnis wie sehr der König Feen verabscheute und keiner der beiden wagte es sich auszumalen, was geschehen würde wenn man sie entdeckte.

„Es ist Zeit", flüsterte Arima, als die Zeichnung auf dem dünnen Blatt Papier kaum noch auszumachen war. Es war spät geworden und die beiden würden dies nutzen, um in der Schwärze der Nacht unterzutauchen.

Edan schaute sich wachsam um, als er dicht hinter Arima auf die Straße trat. Sein Körper war angespannt, so wie der eines Raubtiers kurz bevor es nach seiner Beute schnappte.

Es war äußerst gefährlich sich in dieser Gegend der Stadt zu bewegen, nachdem die Sonne untergegangen war. Viele Kriminelle streunten die Straßen entlang, auf der Suche nach einer armen Seele, welche sich in ihre Fänge verirren sollte.

Viele von ihnen Standen unter dem Einfluss von Drogen. Drachengift eines der schlimmsten von ihnen. So bewegten sich die beiden schnell und bedacht davor, anderen Gestalten zu bewegen durch die untersten Bezirke der Stadt.

Schon bald wurden die Straßen sauberer und gepflegte Parks stellten eine Abwechslung zu den immer größer und imposanter werdenden Gebäuden dar. Doch je weiter sie in das Innere der Stadt vordrangen, desto wachsamer wurden ihre Blicke und desto angespannter ihre Muskeln.

„Es ist soweit", flüsterte Edan, als sie in einer schmalen Gasse zum Stehen kamen. Arima überreichte ihm ein Halstuch. „Möge Anculusna mit dir sein Edan."

„Möge Steculia dir den Weg leiten", antwortete der junge Mann, ehe er das Tuch über die untere Hälfte seines Gesichtes zog und Arima ein letztes Mal zunickte. „Sollte ich nicht bis zum Morgengrauen am Hafen sein, nimm das nächste Schiff und bring dich in Sicherheit."

Ehe die Frau antworten konnte, war er in der Dunkelheit verschwunden. Von hier aus würden sie ihre Wege alleine gehen.

Das riesige, komplexe Gebäude vor ihm ließ Edan erschaudern. Unzählige Wachen tummelten sich vor den hohen Mauern, die den Palast schützten.

Vorsichtig näherte er sich dem Ort, den er nie in seinem Leben betreten wollte. Er verabscheute König Tervin mit jeder Zelle seines Körpers.

„Steculia steh mir bei", murmelte er, ehe das dumpfe Läuten einer Glocke erklang. Die Wachen begannen sich zu bewegen. Wie in den letzten Nächten, in denen Edan ihre Schichten beobachtet hatte, ergab sich ein kleines Zeitfenster in dem ein, durch eine Wand abgeschirmter Abschnitt frei blieb.

Als der fünfte Schlag erklang sprintete er los. Geübt warf er einen Haken, an dem ein Seil befestigt war, über die Mauer. Edan spürte wie sein Herz in seinem Brustkorb raste, als er, sich an dem Seil festklammernd, die Mauer hinaufkletterte. Der siebte Schlag ertönte zusammen mit Schritten unter ihm. Beim achten stand die Wache still.

Schweiß bildete sich auf seiner Stirn, als er versuchte das Seil ein Stück hochzuziehen und sich parallel dazu daran weiter in die Höhe zu begeben.

Ein falscher Handgriff, ein falscher Atemzug und man würde ihn entdecken. Im toten Winkel ausharrend, wartete er, bis der Soldat auf der Mauer sich in die andere Richtung bewegen würde. Sein Körper zitterte, als Edan sich schließlich mit dem zwölften Schlag auf die Mauer begab, seinen Haken löste, ihn auf der anderen Seite befestigte und die Mauer wieder hinab glitt.

Von hier aus wusste er nicht, was ihn erwarten würde. Er hatte von außen lediglich die Bewachung der äußersten Verteidigungslinie beobachten und analysieren können.

Die Pflanzen des Palastgartens boten ihm ein wenig Schutz, als er auf das Hauptgebäude zu schlich. Als er in seiner Nähe eine Bewegung wahrnahm, holte er tief Luft und zog einen seiner festen Lederhandschuhe aus.

Kleine Funken bildeten sich um seine Finger, als Edan eine Faust bildete, sich in Position begab und schließlich auf die Person zusprang die den säuberlich gepflasterten Weg entlangging.

Die Wache hatte keine Zeit zu reagieren, als Blitze durch ihren Körper zuckten. Sie begann zu zittern, ehe sie zu Boden sackte und dort regungslos liegen blieb. Schnell zog Edan die bewusstlose Wache ins Gebüsch und fesselte sie an einen Baumstamm.

Er spürte, wie die Umgebung um ihn herum langsam begann sich wieder mit Energie zu füllen, bereit dazu von ihm genutzt zu werden. Dies stellte noch einen Grund dar weshalb Edan in den Augen der hier Herrschenden Religion Abschaum war. Er zog Energie aus seiner Umgebung, um diese zu seinem eigenen Zweck zu nutzen.

Dies verstieß gegen den Glauben der Tempel und ihre ehrfürchtige Haltung vor der Natur.

Schon bald spiegelten sich in seinen Augen noch mehr Lichtblitze wieder und es fiel eine Wache nach der anderen seinen Fähigkeiten zum Opfer.

Edans Ziel schien zum Greifen nahe, als er immer tiefer in den Palast vordrang, bereit jede Person anzugreifen, die sich im entgegenstellte.

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By Poldi0710

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