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„Solange meine Blutlinie regiert, schwöre ich, dass die Tempel unserer Natur niemals ihren Einfluss oder ihre Sicherheit verlieren."

~König Tervin, I. seines Namens

Der weiche Stoff des Gewandes umspielte sanft Lacalias Beine, als sie durch den langen Gang schritt. Helles Licht fiel durch die großen, kristallklaren Fenster des Palastes und soweit das Auge reichte zierten Marmor und geschnitzte Ornamente den breiten Flur.

Die Festlichkeiten rund um die Vermählung der Prinzessin würden bald beginnen und das Land war bereits in heller Aufregung. Die Heirat seiner Tochter würde die Macht des Königs und die Regierung durch seine Blutlinie stärken und durch die Langlebigkeit der Elfen für lange Zeit sichern.

Auch die Machtposition der Tempelreligion sollte so gefestigt werden, sowie ein verstärktes Verfolgen der Anhänger der Götter. Trotz dieser fantastischen Aussichten konnte Lacalia ihre Gesichtszüge nicht zu einem ehrlichen Lächeln verziehen.

Ihre Umgebung fühlte sich fremd an und die glatten Flächen um sie herum, welche ihre Gestalt und das einfallende Licht reflektierten, schienen sie zu erdrücken. Zwar war sie dankbar, dass ihr durch ihre bereits hohe Stellung im Tempel, das Beiwohnen der Zeremonien für die Heirat der Prinzessin gewährt waren, doch sehnte Lacalia sich nach dem Silva-Wald.

Die Gänge, Säle und Gärten waren wunderschön, doch sie wirkten etwas zu perfekt. Das ständige Lächeln der Diener wirkte gezwungen und das Essen etwas zu aromatisch. Als würde man versuchen eine fehlerfrei Fassade aufrecht zu erhalten um die bevorstehenden Zeremonien zu beschönigen.

Lacalia blieb stehen. Es passierte schon wieder. Sie durfte so etwas nicht denken. Ihre Hände, die um eine kleine Schale mit Erde gelegt waren zitterten vor Wut. Wut auf die Gedanken, die sie seit dem Versuchten Raub im Tempel nicht mehr losließen. Immer noch plagte sie ein mulmiges Gefühl im Hinblick auf die vermehrten Aufstände der Bevölkerung.

Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und die Elfe fuhr erschrocken zusammen. Ein wenig Erde rieselte auf den perfekt geputzten Boden und zerstörte das makellose Bild des Ganges. Sanfte grüne Augen trafen ihre und warme Hände beruhigten das Zittern ihrer eigenen.

Prafalia lächelte die junge Frau, welche sie aufgezogen hatte, liebevoll an und holte diese aus ihren düsteren Gedanken.

„Hast du die Erde vom heiligen Baum?", fragte sie und begutachtete die Schale mit der braunen Substanz. Lacalia nickte und wollte sie der Priesterin reichen, doch diese lehnte lächelnd ab.

„Das Ritual zwischen den Tempeln und der Prinzessin beginnt in Kürze. Migondra bittet dich allerdings darum, ohne deine Kette teilzunehmen, da sie kein offizielles Schmuckstück der Tempel ist", berichtete Prafalia und strich sich durch das lange, braune Haar.

„Ich beeile mich", versicherte die Elfe und zog zögerlich das schmale Lederband über ihren Kopf. Es fühlte sich falsch an. Ihr Hals fühlte sich leer an und ihre Finger kribbelten sehnsüchtig, als sie die Kette in die Hände ihrer Ziehmutter legte. „Pass bitte gut auf sie auf", murmelte sie und widerstand dem Drang das Schmuckstück wieder um den Hals zu legen.

Prafalia legte eine Hand auf ihre goldene Brosche und nickte. „Komm", sagte sie sanft und schob Lacalia weiter durch den Gang, an dessen Ende sich eine große Flügeltür befand.

Hastig wurde diese durch zwei Wachen geöffnet und Lacalia wurde die Sicht auf den prachtvollen Thronsaal gestattet. Auch dieser befand sich in einem makellosen Zustand, während sie und Prafalia auf den mittleren Teil zuschritten, welcher sich außerhalb der einengenden Mauern des Palastes befand und nur von glatten Säulen geschützt war.

Niara Marberdos und Arlo Summonsdos, die Oberpriester der zwei anderen Tempel standen, gemeinsam mit wenigen Priestern und Rittern, im Zentrum des Saales. Um sie herum befanden sich Kräuter, Fläschchen mit Flusswasser, kleine Steinbrocken und viele weitere Utensilien die für die Zeremonie benötigt wurden.

Lacalia liebte die kleinen Muschelschalen, welche die Mitglieder des Mare-Tempels in den Haaren geflochten trugen. Doch bei Niara wirkten sie ein wenig fehl am Platz, als ihr angespanntes Gesicht von einer verspielt wirkenden Frisur umrahmt wurde.

Auch Arlo, welcher zum Andenken an seinen Tempel kleine, aus Stein geschlagene Figuren als Ohrringe trug, hatte einen harten Gesichtsausdruck aufgelegt.

Im Gegensatz zu den beiden anderen Oberpriestern schien Migondra gut gelaunt. Selbstsicher mischte sie die Erde, welche Lacalia gebracht hatte, mit Flusswasser und Steinstaub und flüsterte ein paar segnende Worte in die Masse.

Die beiden anderen anwesenden Tempelritter hatten ebenfalls ihre Rüstung gegen ein, nur spärlich gerüstetes, Gewand ausgetauscht. Allein ein Schwert in einer Kunstvoll verzierten Schwertscheide kennzeichnete deutlich ihre Berufung.

Plötzlich wurde die Tür zum Thronsaal aufgerissen. Eine Frau mit weißblonden Haaren und stechend grünblauen Augen stolzierte in den Raum hinein. Ihre selbstsicheren Schritte hallten laut von den Wänden, sodass Lacalia bei jedem leicht zurückzuckte.

Die Oberpriester eilten hervor und zögerlich versank Lacalia mit den anderen Anwesenden in eine Verbeugung.

Der Umgang mit der Königsfamilie wurde einem im Tempel schon früh beigebracht. Auf lange Sicht war das Aufeinandertreffen quasi unmöglich, selbst wenn dieses nur entfernt bei einer Veranstaltung war. Die Tempel standen im Dienst des Königs und dieser scheute sich nicht davor, diese in seine Herrschaft einzubeziehen.

Nach ein paar Sekunden erhoben die Priester und Ritter sich wieder, mieden jedoch einen direkten Augenkontakt zur Prinzessin. Diese musterte jeden Einzelnen von ihnen. Lacalia spürte ihren Blick auf ihr. Die Musterung ihrer Kleidung, des Schwertes an ihrer Hüfte und ihrer Ohren, welche länger und spitzer waren als die von Menschen, konnte sie so deutlich spüren, als ob jemand mit seinen Fingern über ihren Körper fahren würde.

Sie zuckte leicht zusammen, als ihre Augen auf die der Prinzessin trafen und senkte schnell den Blick. Furcht machte sich in ihr breit, als Sanenu vor sie trat. Würde sie für ihre schlechten Manieren bestraft werden? Lacalia versuchte aufkommende Tränen zu unterdrücken und biss sich auf die Unterlippe.

Die Hand der Prinzessin erreichte ihr Sichtfeld. Überrascht hob Lacalia den Kopf an. Ein winziges Lächeln hatte sich auf dem Gesicht der Frau gegenüber von ihr gebildet. Die Ritterin beeilte sich mit Mittel und Zeigefinger an die Spitze ihrer Ohren zu fassen und diese gegen die ausgestreckten Sanenus zu legen.

Schon mit jungen Jahren hatte Prafalia der Elfe beigebracht, wie sich Leute Ihresgleichen begrüßten. Daumen und Zeigefinger wurden spitz ausgestreckt, um den Unterschied zwischen Elfenohren und den runden von Menschen zu symbolisieren.

Lacalia verspürte tiefe Erleichterung, als die Prinzessin sie als Angehörige ihres Volkes anerkannte. Es war so, als wäre der Fall, in dem sie sich seit ihrer Ankunft am Palast befand, gedämpft worden und die fremde Umgebung fühlte sich ein Stück vertrauter an.

Die Elfen lösten ihre Fingerspitzen von einander und traten mit einem Nicken begleitet auseinander. Migondra Silvados klatschte begeistert ihre Hände zusammen und zog die Aufmerksamkeit schlagartig auf sich.

„Lasst uns mit dem Ritual beginnen. Es müssen noch viele Vorbereitungen für heute Nachmittag getroffen werden." Sie wies die Anwesenden an, sich in einem Kreis um die Oberpriester und die Prinzessin herum aufzustellen.

Lacalia beobachtete , wie die Oberpriester der der drei Tempel drei Kreise aus Erde, Steinen und Sand auf dem Boden vorbereiteten. Sanenu positionierte sich bei der Schnittstelle dieser, während die Oberpriester in der Mitte stehenblieben.

Das Ziel des Rituals bestand darin, die Macht der Prinzessin, als zukünftige Königin an die Tempel zu binden. Somit sollte sowohl das Hintergehen dieser durch die Königsfamilie, als auch ein Verlust des Einflusses der Naturreligion ausgeschlossen werden.

Auch wenn es bereits seit der Geburt der Prinzessin geplant war, wirkte es für Lacalia wie eine Panikreaktion auf die sich vermehrenden Proteste. Trotz dieser leisen Stimme in ihrem Hinterkopf, welche ihre Gedanken mit Zweifel und Unruhe befeuerte, versuchte sie sich auf die Geschehnisse im Thronsaal zu konzentrieren.

Sanenu stand stolz und selbstbewusst in der Mitte der Versammlung. Lacalia merkte, wie sie die Aufmerksamkeit und den Ausblick auf ihre zukünftige Macht genoss.

„Vom höchsten Punkt der Goldspitzen", setzte Arlo das Gebet an. „Über das Herz des Silberwaldes", echote Migondras Stimme durch den Saal. „Bis zum Grund des Vitus", schloss sich schließlich Niara an, bevor alle Anwesenden einsetzten.

„Schwört Ihr, das zu ehren was Euch ein zu Hause bietet? Es für immer unter den Schutz Eurer Herrschaft zu stellen, so dass es Euch den Frieden gewährt, welchen ihr verschenkt?"

Sanenu lächelte. „Ich schwöre."

Lacalia spürte wie ihre Finger kribbelten, als sie eine Hand auf ihr Herz legte. Ein sanftes Licht breitete sich von den Kreisen auf dem Boden aus und erhellte die Gesichter der umstehenden Leute.

Ein Raunen ging durch die Menge der Anwesenden und Lacalias Herz begann schneller zu schlagen. Aufregung kroch in ihr hoch.

Migondra fuhr fort: „Dann vermählt Euch mit gutem Gewissen, denn die Natur wird Euch gewogen sein." Das Licht erlosch. Enttäuscht löste sich Lacalia aus ihrer Starre. Sie hätte gerne mehr von dem mystischen Licht erlebt und wünschte sich den schwachen Schein erneut auf ihrer Haut zu spüren.

Niara ergriff die zuvor gesegnete Paste aus Erde, Wasser und Steinstaub und begann geschwungene Linien auf das Gesicht der Prinzessin zu zeichnen. Diese schien davon wenig begeistert und schnitt eine, nicht gerade subtile, Grimasse.

Nach weiteren Weihungen, die mit stummen Protesten Sanenus einhergingen, floh diese aus dem Saal. Lacalia meinte ihre schimpfende Stimme zu vernehmen, sobald die Flügeltüren hinter ihr verschlossen waren.

Die Tempelvertreter zogen sich in eine Ecke neben dem Thron des Königs zurück, während sich der Saal füllte. Menschen und vereinzelte Elfen strömten in den gigantischen Raum hinein und ließen seine, vorher noch unendlich groß wirkende Struktur klein und bedrängt wirken.

Bunte Kleider und exotische Schmuckarten füllten ihre Sicht. Banner und Siegel von ausländischen Königsfamilien und und süße Düfte vermischten sich zu einem sinnesübergreifenden Bild.

Schlagartig verstummten die Gespräche und Lacalia sank auf die Knie, als König Tervin zu seinem Thron schritt. Wie seine Tochter verfügte er über eine enorme Ausstrahlung, sodass Lacalia es nicht wagte vom Marmorboden aufzusehen.

„Erhebt euch", donnerte die Stimme des Königs durch den Raum. Zaghaft wurden wenige Unterhaltungen wieder aufgenommen, doch nicht ohne immer wieder ängstliche oder bewundernde Blicke zu dem Herrscher Vedecras zu werden.

Lacalia zitterte und umklammerte ihre Kette, welche Prafalia ihr zuvor zurückgegeben hatte, während sie versuchte sich an dieser zu orientieren. Diese blieb, auch als die Türen sich nach einigen Stunden erneut öffneten und Sanenu gemeinsam mit zwei Dienern eintrat, entspannt und niemals das breite Lächeln auf ihren Lippen verlierend.

„Meine verehrten Untertanen, ich heiße euch zu diesem besonderen Tag herzlich Willkommen."

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By Poldi0710

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