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„Ich verpflichte mich hiermit, zwischen meinem 20. und 26. Lebensjahr einen Prinzen zu heiraten, der aus einem anderen Königshaus stammt. Ich schwöre bei den vier Tempeln, dass ich meine Pflichten als Thronfolgerin erfüllen werde."

~Prinzessin Sanenu, I. ihres Namens

Die junge Fee stand am Rande des Zimmers und sah einer Zofe dabei zu, wie sie Prinzessin Sanenus volles, blondes Haar zu zwei kunstvollen Zöpfen flocht. Eine andere Zofe brachte Schmuck aus reinem Gold an den Ohren und dem Hals der Elfenprinzessin an, während eine dritte das knappe Tuch über der Brust ein letztes Mal zurecht zupfte.

„Ilayda, trete näher", befahl Sanenu und winkte die junge Dienerin ungeduldig zu sich.

Langsam trat Ilayda näher und stellte sich hinter die Prinzessin um mit ihr gemeinsam in den Spiegel zu sehen. Sanenu sah wahrlich aus wie eine Göttin. Alles an ihr wirkte perfekt, ihr Haar, ihre Kleidung, ihre Ausstrahlung. Selbstsicher sah die Prinzessin sich selbst in die Augen.

„Ihr seht fabelhaft aus, Prinzessin." Ilayda lächelte und versuchte damit zu verbergen, dass die Schmerzen zurückgekehrt waren und ihr beharrlich Stück für Stück die Fassung raubten.

„Ich weiß", entgegnete die Prinzessin und schob eine Strähne ihres Haares zurecht. „Aber bevor du mich in den Thronsaal begleitest, will ich, dass du Roy Bescheid sagst und dich umziehst. Ihr zwei seid die einzigen, die halbwegs ansehnlich aussehen, und eine Prinzessin erscheint stets mit ihren Dienern. Aber so kann ich dich unmöglich mitnehmen, du siehst noch schlimmer aus als sonst."

Ilayda war beinahe belustigt darüber, wie entsetzt Sanenu sich anhörte. Sie nickte ergeben. „Natürlich. Ich mache mich sofort auf den Weg."

„Beeile dich lieber, du willst doch nicht, dass mein Vater davon erfährt."

Ilayda nickte und verließ schnellsten Schrittes den Raum. Oh wie sie diesen Umhang hasste. Seitdem sie mit Veda gesprochen hatte, war es von Tag zu Tag unerträglicher geworden und es fiel der jungen Dienerin immer schwerer, den Tag durchzustehen. Sie wusste nicht, wie sie das ihr ganzes Leben lang so weitermachen sollte.

Schnell eilte die Fee durch die Gänge zu den Unterkünften der männlichen Diener. Sie klopfte dort an der Tür zu dem Hauptflur. Ein junger Mann öffnete. Zuerst blinzelte er verschlafen, dann schaute er verwirrt drein.

„Kann ich Roy sehen? Ich soll ihm etwas von der Prinzessin ausrichten."

„Ilayda?"

„Äh, ja." Ilayda rieb sich etwas ungeduldig über die Stirn und sah den Blonden abwartend an.

„Was willst du von Roy?"

„Sag ihm, er soll sich für den Empfang ordentlich einkleiden. Die Prinzessin wünscht sich, dass Roy und ich sie geleiten."

Der junge Mann musterte sie von oben bis unten, als überlegte er, ob man ihr trauen konnte. Dann nickte er und trat zurück, bevor er ihr die Tür vor der Nase zuschlug.

Empört runzelte Ilayda die Stirn und wandte sich ab. Solch ein Verhalten musste sie nicht verstehen.

Ilaydas Schritte führten sie in den Frauentrakt. In den Waschräumen nahm sie sich schnell einen frischen Umhang und wusch sich hastig, darauf bedacht, dass niemand ihre Flügel sah, die sich gierig nach Freiheit sehnend der Luft entgegenstreckten.

In Windeseile hatte Ilayda sich wieder eingekleidet und rannte beinahe zurück in ihr Zimmer. Dort setzte sie sich an ihr kleines Tischchen mit dem fleckigen Spiegel und versuchte, ihr Haar irgendwie zu richten, sodass es ansehnlich genug aussah. Plötzlich klopfte es an ihrer Tür und Ilayda fuhr erschrocken zusammen. Kurz überprüfte sie, ob ihre Flügel auch ja verdeckt waren, dann bat sie die Person, einzutreten.

Es war Veda, die ein zusammengefaltetes Stück Stoff auf dem Arm trug. „Ilayda, Liebes", sagte die alte Frau und legte den Stoff auf dem schmalen Bett ab. „Die Prinzessin verlangt, dass du das hier anziehst. Und sie hat mich geschickt, dir eine ordentliche Frisur zu machen."

Ilayda nickte nur und ließ sich von Veda helfen, das neue schlichte Gewand und den neuen Umhang anzulegen. Beinahe ehrfürchtig strich die Fee mit ihren Fingerspitzen über den feinen Stoff und die sorgsam gearbeiteten Stickereien in Gold.

Sogleich machte Veda sich dann auch an die Arbeit und steckte Ilaydas langes, rotblondes Haar zu einer einfachen Frisur zusammen und befestigte eine Spange daran, die vermutlich teuerer war, als alles was sie jemals in ihrem Leben besessen hatte. Zufrieden sah Veda über die Schulter der jungen Dienerin in den Spiegel.

„Du siehst bezaubernd aus, mein Kind", sagte Veda und lächelte. „Nun komm aber, die Prinzessin wartet."

Ilayda nickte und war kurz darauf schon wieder in schnellem Tempo unterwegs zu den Gemächern der Prinzessin. Dabei wäre sie beinahe mit Roy zusammengeprallt, der ebenfalls mit hastigen Schritten auf die privaten Zimmer Sanenus zueilte.

„Entschuldige", sagte Roy und packte sie am Ellenbogen, damit sie nicht umfiel. Ilayda presste sich die Hand auf die Brust um ihren in die Höhe geschnellten Herzschlag zu beruhigen.

„Schon gut", sagte Ilayda und ging sogleich wieder los. „Wir müssen uns beeilen, sie wartet."

Schweigsam passierten sie die Wachen und klopften an den Flügeltüren der Gemächer. Nach einem ungeduldig klingenden „Herein" betraten die beiden Diener den Raum.

Sanenu stand in der Mitte ihres Zimmers und ließ ihren Rock und ihre Frisur noch ein letztes Mal von den Zofen richten, während sie Ilayda und Roy scharf musterte.

„Ihr habt euch ganz schön Zeit gelassen", giftete die Prinzessin und riss einer Zofe den Pinsel aus der Hand, mit dem sie etwas Puder auf dem Gesicht der Prinzessin hatte verteilen wollen. Ängstlich wich die Zofe zurück.

„Es tut mir leid, meine Prinzessin", sagte Roy samtweich und trat einige Schritte auf sie zu. „Wir mussten sichergehen, dass wir angemessen gekleidet sind, bevor wir Euch hinausgeleiten."

Seine Worte waren süß und samtig und die Prinzessin schien beinahe dahinzuschmelzen. Ihre Gesichtszüge wurden augenblicklich weicher und sie ließ ein perlendes Lachen ertönen.

„Natürlich Roy", sagte sie und ließ sich von ihm die Hand küssen.

Es war unter den Dienern schon lange kein Geheimnis mehr, dass Roy der Liebling der Prinzessin war– und das in vielerlei Hinsicht. Nicht selten trafen andere Diener ihn des Nachts in den Fluren, wenn er sich von den Gemächern der Prinzessin zurück in den Dienertrakt stahl. Viele der Dienerinnen und Diener redeten nur mit schlechter Zunge von Roy, doch Ilayda konnte nicht anders, als Roy zu danken. Wenn er bei der Prinzessin gewesen war, war sie zumeist sehr viel umgänglicher.

Als die Zofen mit der Prinzessin fertig waren, schickte Sanenu sie zu Roy und Ilayda. Schnell puderten sie die Gesichter der beiden und richteten ein letztes Mal die Haare, bevor es erneut an der Tür klopfte.

Ein Soldat trat herein und verbeugte sich tief bevor er zu sprechen begann.

„Prinzessin, Ihr werdet erwartet."

Die Prinzessin nickte und winkte Roy und Ilayda zu sich. Hoch erhobenen Hauptes schritt Sanenu auf den Flur, begleitet von sechs Wachen und ihren Dienern.

Sie gingen durch unzählige Gänge und Ilayda spürte die Aufregung der Prinzessin immer deutlicher. Heute waren viele junge Königssöhne aus unterschiedlichen Ländern angereist, die für eine Heirat in Frage kamen. Und auch wenn Sanenu die freie Wahl hatte, lastete doch ein Druck auf ihr. Sie war bereits 26 Jahre alt und auch wenn es für Elfen üblich war aufgrund ihrer Langlebigkeit später zu heiraten, konnte man den Aufruhr im Land spüren.

Die zwei Jahre davor hatte Sanenu sich stets geweigert, einen der jungen Prinzen zu heiraten, doch dieses Jahr musste sie sich entscheiden. Ihre Heirat war essenziell für die Stärkung der Macht, die der König über dieses Land hatte.

Die Prinzessin und ihr Gefolge kamen an den riesigen Torflügeln zum Thronsaal an und die dort postierten Wachen öffnete sie nach einer tiefen Verbeugung.

Musik ertönte von den Seiten und Menschen begannen zu tuscheln, als Sanenu hoch erhobenen Hauptes in den Saal schritt. Hunderte Untertanen warteten auf sie und verbeugten sich oder machten einen tiefen Knicks.

Der Thronsaal war riesig und erstreckte sich weit in den Palast hinein. In der Mitte wurde er unterbrochen von einem breiten, überdachten Gang, der den Palastgarten im Inneren unterbrach und in zwei Hälften unterteilte. Säulen stützten den Gang. Sie waren aus Marmor und so glänzend glatt geschliffen, dass Ilayda ihr Spiegelbild darin sehen konnte.

Früher einmal, das hatte Veda ihr zumindest immer erzählt, waren die Marmorsäulen voller Verzierungen gewesen, die die großen Taten der drei Götter darstellten. Als der König jedoch an die Macht kam, hatte er die Steinmetze dazu beauftragt, die Verzierungen zu entfernen.

Auch am Rande des Ganges standen Menschen, dieses Mal waren es jedoch Untertanen aus anderen Reichen, die ihren Prinzen nach Vedecra gefolgt waren. Ehrfürchtig betrachteten sie die stolze Prinzessin, die an ihnen vorbei schritt.

Schon erreichten sie den nächsten Teil des Thronsaals, der sich wieder im Inneren des Gebäudes befand. Und dort, am Ende des Saals, saß der König.

König Tervin war furchteinflößend. Anders konnte Ilayda es nicht beschreiben. Seine Augen waren so kalt und blau wie Eis und sein Haar war weiß wie Schnee und ging ihm bis zur Schulter. Die Krone ruhte wie ein Mahnmal auf seinem Kopf, und die Schatten, die sie auf das Gesicht des Herrschers warfen, verliehen seinen Zügen etwas Unnahbares und Kantiges.

Die Prinzessin und ihre Gefolgschaft versanken in tiefe Knickse und Verbeugungen.

Eine Weile herrschte Stille und Ilayda meinte den den kalten Blick des Königs zu spüren. Angstschweiß sammelte sich auf der Stirn der jungen Dienerin. Was wenn man ihre Flügel sehen konnte? Wenn sie sich unter dem Umhang abzeichneten oder gar durch den Stoff hindurchschimmerten, war sie erledigt.

Sie hätte ihren Umhang nicht austauschen dürfen. Vielleicht wäre es sogar besser gewesen, gar nicht erst die Prinzessin zu begleiten. Doch jetzt blieb ihr keine andere Wahl, als zu hoffen. Zu beten. Auch wenn es verboten war, so betete sie insgeheim mit geschlossenen Augen zu den drei Göttern.

Bitte, dachte Ilyda, Bitte lasst ihn nichts bemerken.

Dann hörte sie, wie der König sich erhob. Es war so still, dass man eine Feder hören könnte, die sanft zu Boden trudelt.

„Meine verehrten Untertanen, ich heiße euch zu diesem besonderen Tag herzlich Willkommen", dröhnte seine Stimme durch den Saal.

Der Bann war gebrochen und Ilayda erhob sich wieder mit zittrigen Beinen. Unauffällig versuchte sie, ihre Atmung zu beruhigen. Dann hob sie den Kopf und sah dem König direkt in die Augen.

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By LLNQueenOfFantasy

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