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»Der Palast, in dem der König residiert, birgt viele Geheimnisse. Verborgenes aus längst vergangenen Zeiten, weggesperrt von Ketzern die sich den Göttern widersetzen. Doch diese werden auferstehen, die Geheimnisse, die der König zu wahren versucht, werden ans Licht kommen. Im Namen Steculias.«

~ aus »Die Chroniken der Sternengöttin«

Lacalias Hand zitterte. Ihre Finger, welche sich um den Schwertgriff klammerten, fühlten sich taub an. Sie war nicht in dem richtigen Zustand, um kämpfen zu können.

Die Elfe versuchte um Hilfe zu rufen, doch es war aussichtslos. Wenn er bis hierher vorgedrungen war, dann würde niemand in der nähren Umgebung zur Stelle stehen. Sie war die einzige Tempelritterin, die in diesem Abschnitt des Schlosses residierte. Die übrigen von ihnen waren um die Gemächer der Oberpriester stationiert, in denen sich zweifellos die restlichen Priester für ein nächtliches Gebet aufhielten.

Der Mann schritt mit langsamen Schritten auf sie zu. Sein Gesicht wurde schemenhaft vom einfallenden Mondlicht erhellt und seine Augen blitzten ihr wie zwei Smaragde entgegen.

Lacalia keuchte leicht auf, als eines ihrer Beine einzuknicken drohte, doch sie blieb standhaft und blickte ihm fest und unerschrocken in die Augen. Ein leises Lachen erreichte ihre spitzen Ohren und ihre Augenbrauen zogen sich zusammen. Er machte noch einen Schritt auf sie zu.

„Du bist geschwächt, wieso stellst du dich mir entgegen?", raunte er, während er näher kam. Seine Stimme war durch das schwarze Tuch vor seinem Mund gedämpft. Lacalia versuchte einen Schritt zurück zu machen, doch ihre Beine gehorchten nicht.

„Ich besitze noch genug Kraft, um dich zu besiegen", antwortete die Elfe mit kratziger Stimme und schob ihr Schwert vor sich, um ihn davon abzuhalten einen weiteren Schritt auf sie zu zumachen.

Er lachte nur und senkte seine eigene Klinge. „Wie wäre es, wenn du einfach vergisst, dass ich hier war. Es steht einem Herren schließlich nicht zu, eine geschwächte Dame anzugreifen."

Lacalias Mund verzog sich zu einem leichten Grinsen. „So? Dann erlaube mir den ersten Schritt zu machen", flüsterte sie und führte mit schnellen, gezielten Bewegungen ihre Waffe gegen seine. Jede dieser Bewegungen löste ein schmerzhaftes Brennen in ihren Muskeln aus. Doch auch, als die Schmerzen begannen Überhand zu nehmen, parierte und attackierte sie sauber und geübt.

Sie schwang ihr Schwert als wäre es eine Verlängerung ihres Arms und ihr Gegenüber schien dies zu bemerken. Doch seine Miene blieb unbewegt. Er verbarg etwas. Seine Bewegungen waren zu entspannt, zu mühelos. Er wusste, dass er die Oberhand in diesem Kampf hatte und allein diese Tatsache jagte Lacalia einen eiskalten Schauer über den Rücken.

Mit letzter Kraft schlug sie seine Klinge aus seiner Hand und richtete die Spitze ihrer eigenen auf seinen Hals. Bei den Goldspitzen, wie konnte dieser Mann nur so gelassen sein?

Seine Gesichtszüge waren entspannt und in seinen Augen lag ein geheimnisvolles Funkeln, wie wenn die Sonne zwischen dem dichten Blätterdach des Silberwaldes hervor blitzte und auf eines der dunkelblau schimmernden Gewässer traf, in denen sie und Amistea sich nach einem langen Tag abkühlten.

Was ihre beste Freundin wohl gerade im Tempel tat? Wahrscheinlich schimpfte sie immer noch, dass sie hatte zurückbleiben müssen, statt mit Lacalia die Hauptstadt zu erkunden.

Die Elfe musste daran denken, wie das Mädchen mit ihrem Schwert ausgeholt hatte, um es auf die nächstbeste Trainingspuppe niedersausen zu lassen. Ihre kinnlangen braunen Haare hatten sich bei jedem Schlag sanft aufgefächert, nur um beim Aufprall ihrer Klinge auf das Stroh, einen Schatten über ihre Gesichtszüge zu werfen.

Erst nach einer Weile hatte sie sich beruhigt, war neben Lacalia in ihr Bett gekippt und hatte sich von dieser mit süßen, in bunten Blütenblättern eingewickelten Teigbällchen namens Tridulo füttern lassen.

Plötzlich nahm Lacalia ein leises Knistern wahr. Verwundert löste sie sich von den Augen des Mannes und horchte wie das leise Geräusch immer lauter wurde und zu einem regelrechten Dröhnen in ihren Ohren anwuchs. Wie war sie nur so ins Träumen verfallen? Ihr Zustand musste daran schuld sein, sonst würde sie niemals etwas so aus der Bahn werfen. Die Luft um sie herum schien sich aufzuladen und wären nicht im selben Moment, in dem hunderte Blitze auf sie zugeschossen kamen, ihre Beine weggeknickt, wäre die Elfe zum zweiten Mal in nur wenigen Stunden von Schwärze umgeben worden.

Dennoch schlug ihr Kopf unsanft auf dem Boden auf und das eben noch von Außen stammende Dröhnen, schien nun von innen auszugehen. Etwas benommen nahm sie ein Seufzen wahr und schloss schnell ihre Augen, als sie auf ihr Bett gehoben und mit Schnellen Bewegungen gefesselt wurde. „Ich hatte dich gewarnt", murmelte der Mann und Lacalia musste sich zurückhalten ihn nicht erneut anzugreifen.

Sie durfte ihr Stärke nicht überschätzen. Es war besser einen kalkulierten Angriff zu starten. Lacalia schauderte, als der Anblick tausender Blitze in ihrer Erinnerung auftauchte. Sie war ihr Leben lang vor solchen Menschen gewarnt worden. Energiefreier beuteten die Natur aus. Sie stahlen ihr ihre Lebensenergie, um sie für ihr eigenen Zwecke auszunutzen.

Ein ungewohntes Gefühl von Hass stieg in ihr auf. Wie konnte dieser Widerling es wagen in das Schloss vorzudringen und die Leute, die versuchten, seine Sünden im Sinne der Natur auszubügeln, anzugreifen?

Niemals würde sie sich so jemandem geschlagen geben. Sie wusste, wie dumm ihr Vorhaben war, doch in ihrem Kopf hallte nur ein einziger Gedanke wieder. Sie musste diesen Mann so schnell wie möglich aufhalten und an die Wachen ausliefern.

Die Elfe biss die Zähne zusammen und wartete, bis nach ihm die Tür ins Schloss fiel. Dann begann sie, sich aus ihren Fesseln zu befreien. Die Knoten waren in Eile gebunden worden und somit ein leicht zu überwindendes Hindernis.

Nicht so leicht zu überwinden war das dumpfe Pochen, welches von ihrer Schläfe ausging. So schnell es ging sammelte die Elfe ihre Waffe auf und trat auf den Flur hinaus.

Flackerndes Licht umrahmte ihren Schatten, als sie so leise es ging den, im langen Gang verklingenden, Schritten des Mannes zu folgen versuchte. Ihr Körper zitterte und immer wieder musste sie sich für einen kurzen Augenblick gegen die Wand lehnen, um nicht zusammenzubrechen.

Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken, als sie das dumpfe Geräusch, einer auf den Boden aufschlagenden Wache hörte. Wie konnte ein Palast von solcher Größe nur so anfällig für diesen Eindringling sein?

Wütend beschleunigte sie ihr Tempo, bemüht nicht bei jedem Schritt der Länge nach auf den fein polierten Boden zu stürzen.

Es schien so als würde der Mann Schwierigkeiten haben sein Ziel zu erreichen oder überhaupt aufzuspüren. Immer wieder musste die Elfe inne halten, um ihm nicht zu begegnen, wenn er in einem der langen Flure kehrtmachte und einen anderen Weg einschlug.

Das Nachschleichen erinnerte Lacalia an ihre Kindheit, in der sie und Amistea oft zwischen den alten, knorrigen Bäumen des Silberwaldes verstecken gespielt hatten. Doch statt des von Laub bedeckten Waldbodens glänzte edler Mamor unter ihren Füßen, dessen dunkle Schlieren sich wie ein sanfter Nebel abhoben und in ihren geschwächten Augen zu tanzen schienen.

Während ihre eine Hand den Griff ihres Schwertes so fest es ging umklammerte, spielte der Daumen ihrer anderen zittrig mit dem Silberring an ihrem Mittelfinger.

Einzelne Strähnen ihres dunkelblonden Haares hingen schlaff in ihr Gesicht herunter, doch dies konnte sie in dem Augenblick, in dem die Schritte des Fremden endlich zu einem Halt kamen nicht weniger stören.

Vorsichtig lugte Lacalia um eine Ecke, dessen Kante mit einer glatten Marmorsäule verziert war. Sie waren tief in das Palastgebäude eingedrungen und ohne die vielen Fenster, welche das Mondlicht in den Palast einluden, waren vereinzelte Laternen an den Wänden die einzige Lichtquelle.

Die schemenhaft erleuchtete Gestalt ein paar Meter von ihr entfernt fuhr vorsichtig mit ihren Händen über die Steinwand vor ihr. Immer noch schien die Luft um den Mann herum zu knistern und Lacalia zwang sich, nicht auf die ohnmächtigen Wachen neben ihm zu blicken.

Nach einem kurzen Augenblick trat er einen Schritt zurück. Er wirkte erleichtert, als er langsam mit einem Arm ausholte und sich etwas breitbeiniger hinstellte. Seine Haltung spannte sich an, als er seine Hand zu einer Faust ballte und vorsichtig nach rechts bewegte.

Lacalia kniff die Augen zusammen, als kleine helle Funken von ihm auszugehen schienen, welche ihren Blick verschwimmen ließen und ihr Körper drohte nach hinten zu kippen. Sie sog scharf die Luft ein, klammerte sich am kalten Stein der Säule fest und kämpfte, um bei Bewusstsein zu bleiben.

Erst als ihr Herzschlag sich normalisierte und das Organ nicht weiter drohte aus ihrer Brust zu springen, löste sich das leise Rauschen in ihren Ohren. Stattdessen drang ein leises Klicken zu ihr.

Und ein nächstes. Klick. Klick. Klick. Es hallte in ihrem Kopf wieder, schien die Wände um sie herum vibrieren zu lassen. Lacalia schauderte, während das Geräusch immer weiter anschwoll.

Und dann. Stille.

Lacalia erschrak, als die steinerne Wand sich langsam öffnete. Ihren müden Augen nicht trauend, lehnte sie sich zaghaft nach vorne. Langsam verschwand die polierte Säule, an der sie sich festhielt aus ihrem Augenwinkel, als ihre Waffe klirrend zu Boden fiel, dicht gefolgt von ihrem geschwächten Körper.

Bevor sie endgültig das Bewusstsein verlor, nahm sie wahr wie grüne Augen über ihrem Gesicht aufblitzten.

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By Poldi0710

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