@Vikkilitschi

    
꒷⏝꒷꒦꒷⏝꒷꒦꒷⏝꒷

    
𝖠𝗅𝗂𝖼𝖾: "𝖶ü𝗋𝖽𝖾𝗌𝗍 𝖽𝗎 𝗆𝗂𝗋 𝖻𝗂𝗍𝗍𝖾 𝗌𝖺𝗀𝖾𝗇, 𝗐𝗂𝖾 𝗂𝖼𝗁 𝗏𝗈𝗇 𝗁𝗂𝖾𝗋 𝖺𝗎𝗌 𝗐𝖾𝗂𝗍𝖾𝗋𝗀𝖾𝗁𝖾𝗇 𝗌𝗈𝗅𝗅?" -
"𝖣𝖺𝗌 𝗁ä𝗇𝗀𝗍 𝗓𝗎𝗆 𝗀𝗋𝗈ß𝖾𝗇 𝖳𝖾𝗂𝗅 𝖽𝖺𝗏𝗈𝗇 𝖺𝖻, 𝗐𝗈𝗁𝗂𝗇 𝖽𝗎 𝗆ö𝖼𝗁𝗍𝖾𝗌𝗍", 𝗌𝖺𝗀𝗍𝖾 𝖽𝗂𝖾 𝖪𝖺𝗍𝗓𝖾.
 

Taehyung klappt das Buch zu. Er kann sich ohnehin nicht auf die Wörter konzentrieren. Sie verschwimmen vor seinen Augen. Wohin möchtest du? Was für eine Frage... Taehyung hat vergessen, dass sie überhaupt existiert. Und er wird gleich wieder vergessen haben, dass er an sie erinnert wurde. Für ihn gibt es nur noch eine Frage. Und die lautet: Wie lange?

Denn…

…1…2...3...

Wenn dein Herz aufhört zu schlagen, verlierst du bereits nach fünf bis zehn Sekunden das Bewusstsein. Nach 120 Sekunden setzt deine Atmung aus. Innerhalb von 300 Sekunden bist du tot. Okay, besondere Fälle halten bis zu 600 Sekunden durch, aber Taehyung hat sich nie für einen besonderen Fall gehalten. Auch wenn die Ärzte stets betonen, dass er sehr besonders ist. Taehyung glaubt, dass sie damit nur umschreiben, dass er besonders schwierig ist.

Also zurück zum …16…17…18… Thema. 300 Sekunden. Das ist echt ein verdammt kleines Zeitfenster. 300 Sekunden. Das sind gerade mal 5 Minuten. Und der Bewusstseinsverlust setzt schon nach gut fünf Sekunden ein? Wo bleibt denn da die Zeit, um nach Hilfe zu rufen?

Im Moment ist alles gut. Aber in 300 Sekunden könntest du tot sein.

In 300 Sekunden könnte Taehyung tot sein.

Das ist …41…42…43… Das ist echt verdammt scheiße.

Taehyung kann über nichts anderes nachdenken als über dieses winzige Zeitfenster. Und das meint er wortwörtlich. Über nichts anderes. In seinem Kopf befindet er sich in einem dunklen Tunnel. Von der Decke baumelt eine einzelne Glühbirne. Er stößt sie an und beginnt zu zählen (aber in Wahrheit macht er nur weiter, denn er hört nie wirklich damit auf).

126…127…128 […]

Bis er bei 300 ist. Immer weiter.

298…299…300.

Er zwickt sich, um es zu überprüfen. Ist er noch da? Lebt er noch? Ja. Er ist noch da. Er lebt noch. Aber nur in seinem Kopf, oder? Wenn Taehyung nach oben blickt, dann ist da keine Decke und erst recht kein Himmel. Da ist nur Dunkelheit, ganz egal, wo er ist.

Die Glühbirne hat fast ihrem gesamten Schwung verloren. Taehyung stößt erneut dagegen und das Intervall wiederholt sich.

1…2…3… […]

289…299…300.

Er zwickt sich. Da ist ein großer blauer Fleck auf seinem Arm, der nie vollständig verblasst, weil er alle fünf Minuten erneuert wird. Das hat nichts mit selbstverletzendem Verhalten zu tun. Wie schön es wäre, wenn das seine Diagnose wäre (nein, wäre es nicht, aber manchmal denkt Taehyung das, weil es immer besser wäre etwas anderes zu haben als das, was man dann im Endeffekt hat). Er zwickt nur aus Testzwecken. Muss es überprüfen. Ist er noch da? Lebt er noch?

Zählen. Zwicken.

Ja. Er ist noch da. Er lebt noch.

Und von vorne.

Ein erneuter Stoß gegen die Glühbirne.

1…2…3… Das Intervall hört niemals auf und Taehyung kann nicht aufhören zu zählen. Dieser Tunnel ist ein Gefängnis, die Glühbirne sein Wärter und die Zahlen seine Strafe.

1…2…3… […]

289…299…300.

In fünf Minuten könnte Taehyung tot sein. Das ist zu wenig Zeit. Fünf Sekunden bis zum Bewusstseinsverlust. Was soll er tun? Was kann er tun? Wo soll er hin, wenn es nur diesen Tunnel gibt? Wie kann er die Zeit nutzen, die ihm noch bleibt? Taehyung weiß es nicht. Er weiß doch nicht einmal, ob es die letzten fünf Minuten sind. Er weiß nur, dass die Zeit, die ihm noch bleibt, zu wenig ist.

Er zwickt sich. Diese fünf Minuten waren nicht seine letzten. Werden es die nächsten sein?

1…2…3…

So geht es den ganzen Tag. Die ganze Nacht. Den ganzen Monat. Das ganze Jahr. Sein ganzes Leben.

Als Taehyung das nächste Mal bei 300 ankommt, öffnet sich seine Zimmertür.

„Guten Morgen Taehyung“, begrüßt ihn eine fremde Stimme und reißt ihn aus den Zahlen, die seine gesamte Gedankenwelt widerspiegeln, „hast du gut geschlafen?“ Taehyung findet schnell dort hin zurück. 7…8…9… Er hat überhaupt nicht geschlafen. Er hat die ganze Nacht gezählt. Wie kann es jetzt schon Morgen sein? Ist wieder so viel Zeit vergangen?

Durch die Vorhänge seines Fensters dringt träges Sonnenlicht. Es ist noch verschlafen und nicht ganz hell. Eher orange. Taehyung kann sich nicht daran erinnern, wann er sich das letzte Mal hell gefühlt hat. Oder zumindest orange. Er fühlt sich dauerhaft schwarz. Nur die Glühbirne in seinem Kopf leuchtet weiß. Vielleicht bedeutet sie Taehyung deswegen so viel. Sie ist der einzig helle Fleck in seinem Bewusstsein. Aber selbst an ihr ist nichts Warmes. Ihr Licht ist so steril, wie das Licht einer Dentallampe beim Zahnarzt.


Taehyung vergisst zu antworten. 25…26…27… Er war wieder die ganze Nacht wach und hat es nicht einmal mitbekommen. Die Zeit läuft ihm davon und egal, wie sehr Taehyung sich bemüht, er kann sie nicht festhalten. Er zwickt sich, er ist noch da und deswegen stößt er die Glühbirne in seinem Kopf erneut an und beginnt zu zählen.

„Das hab‘ ich mir gedacht“, antwortet die fremde Stimme, als würden sie sich kennen. Taehyung schenkt ihm einen Blick. Sie kennen sich nicht. Die andere Person ist neu. Er trägt die Arbeitskleidung der Klinikmitarbeiter. Also ist er vermutlich ein neuer Krankenpfleger und kennt damit Taehyungs Krankenakte. Die meisten verwechseln das. Dass sie Taehyung kennen, nur weil sie seine Krankenakte studiert haben.

Der Krankenpfleger hat einen Putzeimer für Taehyung mitgebracht. Er stellt ihn neben der Tür auf den Boden. Taehyung wendet den Blick ab und der Sonne zu. Immer noch orange. Es ist noch nicht so viel Zeit vergangen, aber Taehyung kommt es zu viel vor. So viel ungenutzte Zeit. Wie soll er seine Zeit nur nutzen?

„Heute ist Putztag“, erklärt der Krankenpfleger freudestrahlend, „die Uhren müssen ab. Obwohl ich sie cool finde. Ich male auch gern. Guck mal.“ Taehyung folgt der Anweisung automatisiert. Es bringt nichts, nicht auf die Anweisungen der Pfleger und Ärzte zu hören. Im Endeffekt ist er freiwillig hier. Taehyung will, dass es aufhört. Aber seine vorherigen Versuche, dass es endlich aufhört, waren nicht von Erfolg gekrönt. Und sie haben Jimin verstört. Seinen besten Freund. Also hat Taehyung ihm versprochen, etwas anderes auszuprobieren.

Der Krankenpfleger streckt ihm seine Handoberfläche entgegen. Er sieht dabei so aus, als würde er einen Witz erzählen. Taehyung versteht ihn nicht, aber lässt gehorsam seinen Blick zu den Handflächen wandern. Sie sind überdeckt mit verschiedenen Tattoos. Auf den Fingerknöcheln stehen jeweils einzelne Buchstaben. Zusammen ergeben sie bestimmt ein Wort. Taehyung kneift beim Versuch sie zu lesen die Augen zusammen, aber der Krankenpfleger bewegt die Finger zu schnell. Er grinst, als wäre das Absicht und Taehyung versteht nicht nur den Witz nicht, nein, er versteht auch nicht dessen Erzähler.

„Ich habe alle selbst gezeichnet“, erklärt der Krankenpfleger mit einem Unterton in der Stimme, den Taehyung als Schalk interpretiert. Seine Augen blitzen. Taehyung blickt weg und auf die Uhren an der Wand. Taehyung hat die digitalen Zeitanzeiger auch alle selbst gezeichnet. Sie sind ein weiterer Teil des Gefängnisses, dass er für sich selbst errichtet hat.

„Vielleicht können wir ja irgendwann mal was zusammen zeichnen?“, schlägt der Krankenpfleger vor und seine schelmische Aura löst sich auf. Sie hinterlässt ein Lächeln, das nun nichts mehr als freundlich ist. Mit übergroßen Schneidezähnen, die ihn wie ein süßes Kaninchen wirken lassen. Jeon Jeongguk steht auf dem Namensschild des Krankenpflegers. Daneben ist tatsächlich die schematische Zeichnung eines weißen Kaninchens abgebildet. Zum allem Überfluss hält sie eine Taschenuhr in der Hand.


149…150…151... dröhnt es tickend in Taehyungs Kopf. Er versucht, die Fassung nicht zu verlieren. „Ja, vielleicht“, stimmt er zu und versucht sich zu konzentrieren. Allen Mitarbeitern wird ein Tier zugeordnet. Ein bisschen ist es wie im Kindergarten mit dem Gruppen. Taehyung wird meistens von Elefanten betreut. Seine Psychotherapeuten sind Eulen. Nur der Hase? Der Hase ist neu.

„Ich höre nur das Ja und ignoriere das Vielleicht. Lass uns bald zusammen zeichnen, Kim Taehyung“, erklärt sein Gegenüber feierlich. Taehyung antwortet nicht, weil es egal ist. Er geht ohnehin regelmäßig zur Kunsttherapie. Heute auch, oder? Welcher Tag ist heute? Nicht, dass es relevant wäre, aber er kann trotzdem nicht aufhören, es sich zu fragen. Welcher Tag ist heute??

„Ich würde mich sehr darüber freuen“, sagt der Krankenpfleger. Er streicht sich eine Haarlocke aus dem Gesicht. Seine Haare sind mittellang, gehen ihm fast bis zum Kinn. Seine Aussage klingt ehrlich, aber das ist vielleicht auch nur eine erlernte Fassade aus seiner Ausbildung.

Taehyung ignoriert es deswegen. „Wie viel Uhr ist es?“, fragt er stattdessen und obwohl er weiß, dass es sinnlos ist. Niemand darf ihm auf diese Frage antworten. Auch der neue Krankenpfleger scheint das bereits zu wissen, denn er schenkt ihm das nächste mitfühlende Lächeln.

„Du weißt, dass ich dir das nicht sagen darf.“

„Es hätte sein können, dass du das noch nicht weißt.“

„Willst du mit mir zum Frühstück gehen?“, übergeht diesmal Jeongguk seine Aussage. Er lächelt immer noch. Das weiße Kaninchen mit der Taschenuhr auf seinem Namensschild macht Taehyung verrückt. Er weiß doch bestimmt, dass Taehyung nicht mit der Zeit konfrontiert werden darf. Nicht umsonst, haben sie ihm alle Uhren weggenommen. Alle Medien, welche die Zeit anzeigen können. Sogar die Kalender. Alles, was ihm geblieben ist, sind die Uhren an den Wänden, die er selbst zeichnet.

„Es dauert 533 Sekunden, um zum Frühstückssaal zu kommen.“

„Wow“, zeigt sich Jeongguk beeindruckt. Wahrscheinlich ist es gespielt und er will nur höflich sein. Das ist nicht so schlimm. Taehyung weiß, dass er schlecht in Konversationen ist, und es deswegen zu schätzen, wenn sein Gegenüber ihm trotzdem zuvorkommend begegnet.

„Das ist eine lange Strecke.“

„Es ist eine kurze Strecke“, widerspricht Taehyung. „Eine lange Strecke beginnt erst bei 4 x 300 Sekunden.“

„Also bei 20 Minuten?“

„Ja.“

„Gut zu wissen.“

Es ist nicht gut zu wissen, dass man in 300 Sekunden tot sein könnte. Mit dieser Information hat bei Taehyung alles angefangen. Er wünschte, er hätte sie nie bekommen.

Er bleibt auf dem Bett liegen, bis sich das Intervall das nächste Mal der 300 nähert. Jetzt geht es ihm gut. Aber in 300 Sekunden könnte er tot sein.

Er zwickt sich. Er ist noch da. Er ist noch am Leben. Und wenn er noch am Leben ist, dann sollte er essen, damit dieser Zustand beibehalten werden kann.

Taehyung schwingt sich aus dem Bett und steht auf. „Jetzt können wir gehen“, sagt er und gibt der Glühbirne in seinem Kopf einen neuen Stups. Sie beginnt zu schwingen.

1…2…3…

Sein Herz galoppiert im Sekundentakt aufgeregt gegen die Innenwände seiner Brust. Das macht es immer. Sein Herz will frei sein, aber die Wände seiner Brust fühlen sich ebenfalls an wie ein Gefängnis. Es ist nicht nur Taehyungs Kopf. Es ist sein Körper. Es ist sein gesamtes Leben.

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

  

Jeongguk begleitet ihn zum Frühstück. Taehyung darf sich grundsätzlich allein in der Einrichtung bewegen, aber er hat wenig Interesse daran. Am liebsten verbringt er die Zeit in seinem Zimmer. Dort stört ihn niemand beim Zählen. Jeongguk neben ihm summt eine Melodie, die ständig ihren Rhythmus ändert. Das macht Taehyung verrückt. Seine Zahlen müssen gleichmäßig gezählt werden. Wie kann er sich sonst sicher sein, dass er die Zeit nicht aus den Augen verliert? Sie darf ihm nicht verloren gehen.

Sie legen einen kurzen Zwischenstopp bei der Medikamentenausgabe ein und Taehyung erhält einen weißen Pappbecher mit drei bunten Pillen. Es ist wie im Film. Er legt den Kopf in den Nacken und schluckt die Pillen wie jeden Morgen ohne mit der Wimper zu zucken. Er wird mit Fluvoxamin, Anafranil und Diazepam behandelt, aber vorrangig ist das Fluvoxamin. Das sind Serotonin-Wiederaufnahmehemmer und er erhält die höchste Dosis. Die anderen Medikamente wirken nur unterstützend und sind nicht ansatzweise so hoch dosiert. Anti-Depressiva und angstlösende Mittel nimmt heutzutage doch ohnehin fast jeder. Taehyung fühlt sich also ziemlich normal. Zumindest was das angeht.

Seine Zwangsgedanken sind das nicht. Normal. Er weiß, dass er damit abseits der Norm läuft. Zu gerne würde er sich in der Spur wieder einreihen. Seit er in der Einrichtung ist, erhält er zusätzlich kognitive Verhaltenstherapie. Sie soll ihm dabei helfen, die Spur wiederzufinden. Was nicht so schwer sein sollte. Der Tunnel in seinem Kopf ist eine Einbahnstraße. Und seit er sie betreten hat, geht es für ihn nur bergab.

In der Cafeteria herrscht reger Betrieb. Die üblichen Gruppen sitzen zusammen und unterhalten sich lautstark. Ganz vorne sitzen die Depressiven, die Magersüchtigen gleich daneben. Die Sozialphobiker besetzen den Tisch in der Ecke. Er steht etwas weiter weg von den anderen. In der Cafeteria der psychiatrischen Klinik besetzen die Kranken die Tische wie Schubladen. Als würden sie sich mit den Problemen der anderen anstecken, wenn sie eine Mahlzeit miteinander teilen. Taehyung ist nicht der einzige Patient, der unter Zwangshandlungen und Zwangsgedanken leidet. Sein Krankheitsbild füllt auch einen ganzen Tisch, nur Taehyung hat keine Zeit dafür, sich mit ihnen abzugeben. Also nimmt er sich sein Müsli und setzt sich auf die Fensterbank. Die Sonne ist ein kleines Stück gewandert. Es sind 8 Minuten und 37 Sekunden vergangen, seit er das letzte Mal aus dem Fenster seines eigenen Zimmers gesehen hat.

„Es ist sooo cool, dass das Personal hier kostenfrei essen darf. An meiner alten Arbeitsstelle gab es das nicht“, schwärmt Jeongguk. Ohne zu fragen, hat er es sich neben Taehyung auf der breiten Fensterbank bequem macht. Er hat sich gleich drei Stücke Karottenkuchen auf den Teller geladen.

„Wo hast du vorher gearbeitet?“, fragt Taehyung. Dann überlegt er kurz und ergänzt mit einem Blick auf den Teller des Krankenpflegers: „Ich brauche zweimal 300 Sekunden, um mein Müsli zu essen. Jeder Bissen muss zehn Sekunden gekaut werden. Deinen Kuchen solltest du besser fünfzehn Sekunden kauen.“

„Danke für den Hinweis“, erwidert Jeongguk und nimmt den nächsten Bissen von seinem Kuchen. Taehyung zählt mit, während er sich einen Löffel von seinem Müsli in den Mund schiebt. Exakt fünfzehn Sekunden. Er lässt den Blick zufrieden wieder aus dem Fenster wandern.

„Bei einem Hutmacher“, antwortet Jeongguk. Taehyung hat die Frage schon wieder vergessen und schenkt ihm einen verwirrten Blick. „Du hast mich gefragt, wo ich vorher gearbeitet habe. Ich war Aushilfe bei einem Hutmacher, aber ich habe das Berufsfeld gewechselt.“

„Ah. Cool“, antwortet Taehyung. Aber was er eigentlich denkt, ist: 1…2…3…Bei etwa 72 unterbricht er sich noch einmal selbst. „Ist der Hutmacher jetzt ganz allein?“, fragt er und fühlt sich an den Tunnel in seinem Kopf erinnert, in dem er auch immer allein ist.

„Nein. Es gab noch eine weitere Aushilfe. Er ist gekommen, kurz bevor ich gegangen bin. Wir haben uns nur ein paar Tage lang kennengelernt, aber er hilft dem Hutmacher jetzt.“

Taehyung fühlt sich kurzzeitig aufrichtig erleichtert. „Gut“, seufzt er. Niemand sollte lange allein sein. Dann übernehmen wieder die Zahlen die Kontrolle über sein Denken.

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

  

Sie verbringen auch den restlichen Tag zusammen. Jeongguk gibt an, dass er ihn zu all seinen heutigen Terminen begleiten will. Welche auch immer das sein werden. Taehyung hat keinen festen Zeitplan. Die Ärzte sagen, dass das für ihn kontraproduktiv wäre. Er braucht nicht noch mehr Tagesstruktur, stattdessen soll er Spontanität lernen. Als wäre das so einfach. Naja, immerhin erwartet hier niemand von ihm, dass es einfach ist.

Nachdem sie Taehyungs Zimmer gereinigt und aufgeräumt haben (sie brauchen dafür exakt 11 x 300 Sekunden, Taehyung ist penibel, wenn es um Ordnung geht), wird Taehyung nicht zur Kunsttherapie abgeholt. Stattdessen bleiben sie in seinem Zimmer. Jeongguk stellt sich als schweigsamer, aber fröhlicher Zeitgenosse heraus. Er summt die meiste Zeit irgendein Lied vor sich hin. Zwischenzeitlich scheint er gemerkt zu haben, dass unterschiedliche Rhythmen Taehyung nervös machen. Seitdem summt er Lieder mit einem gleichbleibenden Tempo.

„Arbeitest du acht Stunden am Tag?“, fragt Taehyung irgendwann.

Jeongguk bejaht.

„Das sind 96 x 300 Sekunden.“

„Wow“, erwidert der Krankenpfleger wieder, als wäre er beeindruckt. „Kannst du das ausrechnen?“

Taehyung schweigt. Mehr Worte wechseln sie nicht miteinander. Sein Zimmer ist jetzt ordentlich. Alle digitalen Uhren an seinen Wänden sind verschwunden. Sie geben ihm nur noch abwaschbare Stifte, weil sie der Meinung sind, dass seinen Zeichnungen keine Dauerhaftigkeit inneliegen sollte. Nicht, wenn Taehyung sie nur malt, um sich selbst zu bestrafen. Taehyung kann das nicht beurteilen. Er legt sich aufs Bett und sieht aus dem Fenster.

1…2…3… […]

298…299…300.

Er zwickt sich. Er ist noch da. Er ist noch am Leben.

1…2..3…[…]

298…299…300.

Die Glühbirne schwingt unverändert in seinem Kopf hin und her.

1…2…3… […]

298…299…300.

„Würdest du Hilfe rufen, wenn ich jetzt ohnmächtig werden würde?“

„Ja.“

„Kannst du reanimieren?“

„Ja.“

Der Gedanke beruhigt Taehyung. Aber nicht genug, dass er aufhören könnte zu zählen.

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

  

Später am Nachmittag (es muss Nachmittag sein, oder? Die Sonne ist gewandert. Sie scheint jetzt nicht mehr direkt in Taehyungs Zimmer. Das tut sie nur morgens) sagt Jeongguk, dass sie losmüssen. Taehyung erschreckt sich, als er seine Stimme hört. Er hat vergessen, dass er da ist. Der Krankenpfleger lächelt entschuldigend. Als wäre es seine Schuld, dass Taehyung verrückt ist.

Er wartet, bis sich das Intervall das nächste Mal der 300 nähert. Dann überprüft Taehyung, ob er noch lebt. Nachdem das getan ist, steht er auf und sieht Jeongguk an. Sie können los.

Schon während sie den Flur entlanggehen, bemerkt Taehyung, dass er heute keinen Termin für die Kunsttherapie hat. Der Zeichensaal liegt in der anderen Richtung. Gerade bewegen sie sich auf den Raum zu, in dem seine Verhaltenstherapie stattfindet. Eine Gänsehaut bereitet sich auf Taehyungs Rücken aus. Die Expositionstherapie hat ihn schon öfter an die Grenzen seiner Belastbarkeit gebracht. Das Reaktionsmanagement hilft ihm kaum.

Das letzte Mal wurde Taehyung mit so vielen äußeren Reizen konfrontiert, dass er sich nicht mehr auf das Zählen konzentrieren konnte. Der Fernseher war an, Musik lief, das Fenster war geöffnet und Stimmen von draußen drangen herein. Auf einem Tablet lief irgendein Film auf Netflix, der Laptopbildschirm spielte ein YouTube-Video. Es war viel. Sehr viel. Sein Therapeut hielt seine Hand, während er nach und nach die Lautstärke der einzelnen Medien erhöht hat. Irgendwann konnte Taehyung die Stimme in seinem Kopf nicht mehr hören. Das war der Moment, in dem er durchgedreht ist.

Zuerst hat er dem behandelnden Arzt seine Hand entrissen und sich panisch gezwickt. In den rechten Arm, immer und immer und immer wieder, bis es geblutet hat. Er war nicht zu bändigen. Dann ist er aufgestanden, hat versucht zu atmen, aber nur hyperventiliert und am Ende gar keine Luft mehr bekommen.

„ICH STERBE!“, hat er blind vor Angst gerufen und: „ICH BIN TOT!“

Sie mussten ihm ein Beruhigungsmittel spritzen. Als Taehyung wieder aufgewacht ist, wusste er nicht mehr, bei welcher Zahl er stehengeblieben ist. Er hat sehr viel geweint in dieser Nacht, während er die digitalen Uhren an die Wand zeichnete. Seitdem geht er nicht mehr so gern zur Verhaltenstherapie. Auch wenn er weiß, dass er sie braucht. Die Tabletten allein werden ihn nicht heilen.

An der Tür verabschiedet er sich von Jeongguk.

„Wie lange geht deine Therapie?“, fragt der Krankenpfleger.

„24 x 300 Sekunden.“

„Das ist eine lange Zeit. Ich hole dich danach wieder ab.“

„Ich weiß nicht, ob ich dann noch lebe.“

Jeongguk schenkt ihm ein breites Grinsen, bei dem man wieder seine Vorderzähne sieht. Taehyung will ihn noch darauf hinweisen, dass er keinen Scherz gemacht hat, aber da öffnet sich schon die Tür zum Therapiezimmer.

167…168…169…

Taehyung wartet, bis er bei 300 ist. Dann zwickt er sich und betritt den Raum.

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

   

„Schön, dass du überlebt hast“, sagt Jeongguk, als Taehyung den Raum verlässt. Er lehnt lässig an der Wand gegenüber und hat die Arme vor dem Oberkörper verschränkt. Über seinen Bizeps spannt sich das Bild von einer Teetasse. Der Rauch der warmen Flüssigkeit bildet das schemenhafte Abbild einer grinsenden Katze. Darum herum wirbeln Worte in einer fremden Sprache, die Taehyung nicht verstehen kann. Er will danach fragen, aber dann fängt er wieder an zu zählen und vergisst es, bevor er den Mund öffnen kann.


Jeongguk scheint mit keiner Antwort zu rechnen und begleitet ihn stumm zur Cafeteria. Wie schon zum Frühstück setzen sie sich stumm nebeneinander auf die Fensterbank. Taehyung hat nichts gegen Gesellschaft, er ist sie nur nicht mehr gewohnt. Bevor er in die Einrichtung kam, hat er viel Zeit mit Jimin verbracht. Dieser hat auch viel mit ihm geschwiegen und alles interessant gefunden, was er ihm erzählt hat. Oft wünscht Taehyung zu, er hätte Jimin besser zuhören können, wenn dieser etwas gesagt hat. Es hat ihn auch interessiert. Aber leider sind Jimins Worte viel zu oft unter der Last der Zahlen eingedrückt worden und verschwunden.

Nach dem Abendessen verabschieden sie sich voneinander.

„Feierabend“, sagt Jeongguk glücklich und lächelt. Das scheint er oft zu tun. Lächelt Taehyung auch manchmal? Er weiß es nicht. „Wir sehen uns morgen.“

„Ich weiß nicht, ob ich morgen noch am Leben bin“, sagt Taehyung. Eindrücklich diesmal und blickt seinem Gegenüber ernst in die Augen.

Wieder grinst der Krankenpfleger seine Aussage hinfort. „Ich verlass‘ mich auf dich“, sagt er und zwinkert ihm zu. Taehyung weiß nicht, was er damit anfangen soll. Er ist es gewohnt, dass die Menschen ihn nicht verstehen. Er dreht sich um und geht in sein Zimmer. Eine Weile sitzt er auf dem Bettrand, beobachtet die jetzt wieder weißen Wände und zählt. Dann greift er nach einem Stift und setzt sich auf den Boden. Er beginnt zu zeichnen.

Es gibt eine Kamera in seinem Zimmer. Sie überwachen ihn und könnten ihn davon abhalten, die Wände zu bemalen. Sie tun es aber nicht. Taehyung ist eben immer noch ein freier (verrückter) Mensch, der seine freien Entscheidungen trifft. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten gewähren sie ihm dieses Recht. Der Einzige, der es ihm nimmt, ist er selbst.

1..2..3… […]

297..298…299…300.

Er zwickt sich. Er ist noch da. Er ist noch am Leben.

Seine Gefängnisstrafe endet nie. Manchmal weiß Taehyung nicht, ob er noch am Leben sein möchte.

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

  

Als er das nächste Mal bei 300 ankommt, öffnet sich die Tür.

„Guten Morgen Taehyung“, begrüßt ihn wieder eine männliche Stimme. Diesmal kann Taehyung sie sofort zuordnen. Es ist wieder Jeongguk. „Hast du gut geschlafen?“

Wann ist die Nacht vorübergezogen? Er fühlt sich erholt. Vielleicht ist sein Körper irgendwann vor Erschöpfung ohnmächtig geworden (oder hat er das Bewusstsein verloren, weil seine Atmung ausgesetzt ist??) und er hat ein paar Stunden Ruhe finden können. Er hat letzte Nacht nicht geschlafen und wer weiß, wie lange zuvor nicht. Taehyung liegt im Bett und blickt aus dem Fenster. Er trägt die gleiche Kleidung wie gestern. Heute muss er sich umziehen.

Die Sonne ist noch verschlafen und schickt müde, orange Strahlen durch sein Zimmer. Wie viel Uhr es wohl ist?

1…2…3…

„Das hab‘ ich mir gedacht“, sagt Jeongguk, obwohl Taehyung auf seine Frage gar nicht reagiert hat. Er hat ihn nicht mal angesehen. Erst das blecherne Geräusch von einem metallischen Gegenstand lässt ihn den Blick vom Fenster abwenden. Jeongguk hat einen Eimer auf den Boden gestellt.

„Heute ist Putztag!“, erklärt er freudestrahlend und wirkt ernsthaft enthusiastisch dabei. „Die Uhren müssen ab, obwohl ich sie cool finde. Ich male auch gern. Guck mal.“ Er streckt Taehyung seine Fingerknöchel entgegen und wackelt mit den Fingern, als hätte er ihm noch nie seine Tattoos gezeigt. Taehyung ist verwirrt. Nicht davon, aber von dem Putztag. Putztag ist nie zweimal hintereinander. Ist das wieder so ein Einfall der behandelnden Ärzte, damit sein Tagesrhythmus gestört wird?

„Ich muss mich umziehen“, sagt Taehyung, zählt bis 300, zwickt sich, steht auf und geht zu seinem Kleiderschrank. Angrenzend zu seinem Zimmer ist ein kleines Badezimmer. Er betritt es, ohne Jeongguk begrüßt zu haben. Der Krankenpfleger scheint nicht überrascht davon zu sein. Er hat ja gestern schon erlebt, wie seltsam Taehyung sein kann.

Als er nach 3 x 300 Sekunden aus dem Bad kommt, wartet Jeongguk in seinem Zimmer auf ihn. Er hat ein paar geschlossene Briefumschläge in der Hand.

„Liest du deine Post nicht?“, fragt er und klingt zum ersten Mal aufrichtig verwirrt.

„Ich probiere es manchmal“, antwortet Taehyung ehrlich. Er hat in der Therapie gelernt, auf Fragen, insofern es ihm möglich ist, ehrlich zu antworten. Nur sprechenden Menschen kann geholfen werden. Voraussetzung: Sie lügen nicht.

Jeongguk nickt verstehend.

„Sie kommen alle von einem gewissen Park Jimin. Wer ist das?“

„Mein Freund.“

„Mhm. Du musst ihm viel bedeuten. So oft, wie er dir schreibt.“

Alle Briefe auf dem Tisch stammen von Jimin. Jimin bedeutet Taehyung auch viel. An guten Tagen nimmt er sich vor, seine Briefe zu lesen, bevor die Zahlen ihn übermannen und er vergisst, dass er überhaupt einen Vorsatz gefasst hatte.

„Gehen wir zum Frühstück?“, fragt er anstelle einer Antwort. In seinem Kopf ist er bei 280. Sie müssen bald los.

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

  

Auf dem Weg zur Medikamentenausgabe summt Jeongguk erneut seine unsteten Melodien. Taehyung kann sich nur schwer von einem unzufriedenen Knurren abhalten, aber versucht Verständnis zu zeigen. Die Menschen in der psychiatrischen Einrichtung haben die seltsamsten Morgenrituale. Er selbst ist ja auch keine Ausnahme davon. Und vielleicht hilft es dem Krankenpfleger dabei seinen Arbeitstag zu beginnen. Wer weiß das schon.

Taehyung weiß es nicht. An der Medikamentenausgabe nimmt er seinen Becher in die Hand, nimmt die drei Pillen und dreht sich wieder um.

1…2…3…

Ein halbes Intervall später betreten sie die Cafeteria. Es ergibt sich das gleiche Bild wie jeden Morgen. Vorne sitzen die Depressiven, ganz hinten die Sozialphobiker. Sie reden über die immer gleichen Themen, denen Taehyung nicht folgen kann, weil er mit den Zahlen in seinem Kopf beschäftigt ist.

300. Er zwickt sich. Er ist noch da. Er ist noch am Leben. Er macht sich auf den Weg zur Essensausgabe, um sich ein Müsli zusammenzustellen. Der Platz auf der Fensterbank ist frei für ihn. Erst als er sich setzt, bemerkt er, dass der Krankenpfleger erneut neben ihm Platz genommen hat. Auf seinem Teller sind drei Stücke Karottenkuchen. Es scheint auch eine Routine zu sein. Wie die Melodien? Unweigerlich fühlt sich Taehyung verbunden mit ihm.

„Es ist soooo cool, dass das Personal hier kostenfrei essen darf. An meiner alten Arbeitsstelle gab es das nicht.“

„Als Hutmacher?“, fällt es Taehyung zwischen zwei Zahlen ein. Den verwirrten Blick, den Jeongguk ihm schenkt, bemerkt er nicht.

„Woher weißt du das?“

Taehyung blickt aus dem Fenster. Das müde, orange Licht der Sonne ist sein Liebstes. Der beste Kontrast zu dem sterilen Weiß der Glühbirne in seinem Kopf. Selbst jetzt ist es in dem Tunnel dunkel. Manchmal, wenn Taehyung sich umblickt, wird er von den Uhren an den Wänden verfolgt. Er blickt sie an, begierig die Zeit zu erfahren, begierig darauf nichts zu verpassen, aber sie springen und ändern die Reihenfolge, sie laufen nicht nach Plan. In seinem Kopf läuft nichts nach Plan. Er lässt die Stirn an die Fensterscheibe sinken.

300. Zwicken. Er wählt diesmal eine andere Stelle an seinem Arm aus, um dem blauen Fleck die Möglichkeit zu geben, zu verheilen. Sollte er solange noch leben. Er nimmt einen Bissen von seinem Müsli. Noch ist alles gut. Aber in 300 Sekunden könnte er tot sein. Er würde es nicht einmal mitbekommen, weil er vorher das Bewusstsein verliert.

„Ja, als Hutmacher“, greift Jeongguk das Gespräch wieder auf, als hätte es keine Unterbrechung gegeben. „Ich habe das Berufsfeld gewechselt. Aber nicht nur wegen dem kostenlosen Essen.“

„Wie lange hast du gebraucht, um einen Hut zu machen?“, fragt Taehyung, während er den nächsten Bissen zehn Sekunden lang kaut. Dabei bemerkt er, dass Jeongguk nicht fünfzehn Sekunden lang kaut, obwohl er es ihm gestern gesagt hat.

„Das kann ich nicht sagen… unterschiedlich, auf jeden Fall. Das kam immer auf das Modell an und wie… extravagant das Ergebnis werden sollte. Ich habe gerne an ausgefallenen Exemplaren gearbeitet. Die haben in der Regel ihre Zeit gebraucht.“

„Ich habe nicht genug Zeit“, fällt es Taehyung ein und seine Hand beginnt zu zittern. Der Löffel schlägt rhythmisch gegen die Außenwand seiner Müslischale. Als er ihn zu seinem Mund führen will, landet ein Teil des Müslis auf seinem Pullover. Taehyungs Atem beschleunigt sich. 121…122…123… Wenn seine Hand so zittert, wird er nicht rechtzeitig fertig mit seinem Müsli.

Jeongguk erwidert etwas, aber Taehyung kann ihm nicht mehr zuhören. Auch der nächste Löffel des Müsli geht daneben. Das wars. Jetzt kann er es unmöglich noch schaffen. Seine beiden Hände beginnen noch stärker zu zittern. Milch schwappt über den Rand der Schale und durchweicht seine Hose.

Eine beruhigende Stimme spricht mit ihm. Jemand nimmt ihm die Müsli-Schale aus der Hand. 189…190…191... Die Sicht vor Taehyungs Augen verschwimmt. Da ist jetzt keine orange, warmmüde Sonne mehr. Da ist nur der Tunnel und weiß, steril, dunkel, leer, kalt. 298…299…300. Taehyung will der Glühbirne neuen Schwung geben. Sie darf nicht anhalten. Sie darf niemals anhalten. Wenn sie anhält, dann ist alles vorbei. Dann kann er nicht mehr zählen, dann hört sein Herz auf zu schlagen, dann verliert er das Bewusstsein, dann ist er…

Er zwickt sich. Nein. Er ist noch da. Er zwickt sich erneut. Und nochmal. Und nochmal. Nein. Fester. Noch fester. Kann er das spüren? Fester. Nein. Nein. Nein. Ist er noch da? Ist er noch am Leben?

„Ich bin noch am Leben“, schluchzt Taehyung. „I-ich b-bin noch am L-leben…“

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

  

Später am Nachmittag (es muss Nachmittag sein, oder? Die Sonne ist gewandert. Sie scheint jetzt nicht mehr direkt in Taehyungs Zimmer) erwacht Taehyung in seinem Bett.

Eins, ist das erste, dass er denkt. Danach: Sie müssen mir wieder Beruhigungsmittel gegeben haben. Er verträgt sie nicht gut auf nüchternen Magen. Dann knockt es ihn meist für mehrere Stunden komplett aus. Wie viel Zeit er wohl verloren hat?

„Oh, du bist wach“, sagt Jeongguk. Er hat sich einen Stuhl neben Taehyungs Bett geschoben und liest ein Buch. Alice im Wunderland. Jimin hat es ihm damals geschenkt, als sich Taehyung für die Einweisung in die psychiatrische Klinik entschieden hat. Bislang konnte er es nicht lesen. „Wie geht es dir?“

„Wie viel Uhr ist es?“

„Auf die Frage darf ich dir leider nicht antworten.“

Taehyung setzt sich auf und bemerkt mit verkniffenem Gesichtsausdruck das Rumoren in seinem Bauch. Aber als er die Augen schließt, bemerkt er zufrieden, dass die Glühbirne in seinem Kopf weiterschwingt. Sie ist noch da. Unverändert. Ein Segen (oder ein Fluch).

„Du solltest etwas trinken“, führt Jeongguk an und legt das Buch weg, um Taehyung ein Glas Wasser zu reichen.

Ein paar Minuten vergehen in einvernehmlichem Schweigen. Jeongguk fragt nicht, was los gewesen ist. Wahrscheinlich kann auch die Krankenakte ihm diese Frage beantworten. Und warum es passiert ist, ist etwas, dass Taehyung mit seinem Psychiater besprechen muss.

„Du hast gleich eine Therapiestunde. Wenn du dich bereit genug dafür fühlst, bringe ich dich hin. Wir können auch vorher noch einmal in die Cafeteria und etwas essen.“

„Heute ist doch Putztag.“

„Das können wir auch noch morgen machen.“

„Falls wir dann noch am Leben sind.“

„Davon gehe ich aus“, erwidert Jeongguk leichtherzig. Er hat den Ernst der Lage immer noch nicht begriffen. In 300 Sekunden könnte Taehyung tot sein. In 300 Sekunden könnte er selbst tot sein.

Sie entscheiden sich für die Cafeteria und für die Therapiestunde. Taehyung weiß, dass sie wichtig sind und auch, wenn er am liebsten für immer im Bett liegenbleiben würde, weiß er auch, dass er dafür nicht hier ist.

An der Tür des behandelnden Arztes verabschieden sie sich voneinander.

„Wie lange geht deine Therapie?“, fragt der Krankenpfleger.

„24 x 300 Sekunden“, antwortet Taehyung wie schon hunderte Male zuvor.

„Das ist eine lange Zeit. Ich hole dich danach wieder ab.“

Diesmal sagt Taehyung nichts. Er hat seinen Punkt schon oft genug deutlich gemacht.

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

   

Nach exakt 25 x 300 Sekunden öffnet sich die Tür erneut. Sie haben heute etwas länger gemacht, um den Vorfall von heute Morgen aufzuarbeiten. Taehyung fühlt sich zwar erschöpft, aber wieder besser. Jeongguk wartet wie versprochen auf ihn und weil sie zuvor schon gegessen haben, lassen sie den Weg zur Cafeteria diesmal ausfallen.

„Feierabend“, sagt Jeongguk lächelnd, als er sich vor Taehyungs Zimmertür von ihm verabschiedet. „Wir sehen uns morgen.“

„Ich weiß nicht, ob ich morgen noch am Leben bin“, wiederholt Taehyung, weil er jetzt wieder die Kraft dafür hat und weiß wie das ist, wenn man Dinge nicht beim ersten Mal versteht. Es ist nichts Schlimmes. Schlimm sind nur die Menschen, die kein Verständnis dafür haben.

Wieder grinst der Krankenpfleger seine Aussage hinfort. „Ich verlass‘ mich auf dich“, sagt er und zwinkert ihm zu. Dann ist er verschwunden.

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰
 

 

Der nächste Tag beginnt, ohne das Taehyung Notiz davon nimmt. Er liegt auf dem Bett und starrt ins Nichts. An die Decke des dunklen Tunnels, der sein ganzes Leben umspannt. Er ist noch da. Er ist noch am Leben. Das orange Morgenlicht der Sonne verrät ihm, dass er einen weiteren Tag überlebt hat. Aber es ist nur außerhalb. In seinem Kopf bleibt es weiter düster und weiß-steril.

„Guten Morgen Taehyung“, wird er gewohnt enthusiastisch begrüßt. Diesmal wendet Taehyung schon den Blick zur Tür, als diese gerade im Begriff ist, sich zu öffnen. Es ist wieder Jeongguk, was seltsam ist. Den wie vielten Tag verbringen sie nun schon miteinander? Ob das ein neuer Behandlungsversuch seiner Ärzte ist? „Hast du gut geschlafen?“

„Ich habe geschlafen“, antwortet Taehyung wahrheitsgemäß oder es ist zumindest das, was er für die Wahrheit hält.

„Das hab‘ ich mir gedacht“, antwortet Jeongguk und grinst breit. Er hat einen Putzeimer in der Hand, den Taehyung erst jetzt bemerkt. Schon wieder, denkt er kurz, aber dann: 182…183…184…

Als er mit seiner Aufmerksamkeit schon wieder komplett abschweifen will, unterbricht der Krankenpfleger ihn. „Heute ist Putztag“, sagt er. „Die Uhren müssen ab. Obwohl ich sie cool finde. Ich male auch gern. Guck mal.“

Gestern war Putztag, versucht Taehyung zu denken, aber die Zahlen lassen ihm keinen Platz in seinem eigenen Kopf. 199…200…201... Sie verdrängen jeden anderen Gedanken und etwas erbost, schiebt Taehyung sie zur Seite. Die Zahlen. Und hält sich verbissen an seinen Gedanken fest. Sie haben gestern nicht geputzt. Der Zwischenfall in der Cafeteria hat es verhindert. Kein Wunder, dass Jeongguk es heute erneut versuchen will. Bevor er dem Krankenpfleger antworten kann, schieben sich die Zahlen wieder in den Vordergrund. 213…214…215...

„… alle selbst gezeichnet“, beendet Jeongguk gerade seinen nächsten Satz. Und: „Vielleicht können wir ja irgendwann mal was zusammen zeichnen?“

„Bestimmt“, antwortet Taehyung und konzentriert sich auf seine Atmung, wie er es in der Therapie gelernt hat. Er ist stärker als der Zwang. Er hat ihn erschaffen, also kann er ihn auch kontrollieren. Er ist der Herrscher seines Kopfes. Atmen. Er will den Morgen nicht schon wütend auf sich selbst beginnen, nur weil er mal wieder versagt hat.

„Willst du mit mir zum Frühstück gehen?“, fragt Jeongguk und diesmal ist Taehyung froh über die Ablenkung.

„Einen Moment“, sagt Taehyung und steht auf. Im Spiegel bemerkt er, dass er die gleiche Kleidung wie vor zwei Tagen trägt. Hat er sich nicht gestern umgezogen? Oder spielt sein Gehirn ihm einen weiteren Streich? Er ist der Meinung, er hätte sich gestern umgezogen, aber andererseits ist alles etwas verschwommen. Das liegt an den Medikamenten, mit denen sie ihn ruhiggestellt haben, nachdem er die Fassung verloren hat. Vielleicht war es also wirklich nur Einbildung.

„Ich muss mich umziehen“, führt er aus und das Intervall zu Ende. Erst dann bewegt er sich zum Kleiderschrank und in sein kleines Badezimmer. Die Tür schließt er nicht ab. Wenn sein Herz jetzt aufhören würde zu schlagen, wäre er innerhalb von zehn Sekunden bewusstlos. Würde Jeongguk den Aufprall hören? Würde er Hilfe rufen? Sie haben schon geklärt, dass er reanimieren kann. Das ist gut. Er könnte ihm vielleicht das Leben retten. Taehyungs Atmung beschleunigt sich, während er sich umzieht. Die Panik verdrängt er erfolgreich in die letzte Ecke des dunklen Tunnels. Dort wartet sie auf ihn wie das Monster, das sie ist. Aber diesmal gewinnt Taehyung. Er ist noch da. Er ist noch am Leben. Er zwickt sich und verlässt das Badezimmer.

  

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Jeongguk scheint tatsächlich ein Freund von Gewohnheiten zu sein. Er sitzt wiederum neben Taehyung auf der Fensterbank und isst drei Stücke Karottenkuchen. Taehyung hat sich diesmal für ein belegte Brote mit Frischkäse und Lachs entschieden.

„Es ist nicht gut, jeden Tag das Gleiche zu essen“, sagt er.

„Ist das so?“, fragt Jeongguk interessiert nach und wendet sich ihm zu. Den Teller hält er dicht unter sein Kinn, während er das nächste Stück Kuchen abbeißt und kaut. Seine Nase zieht sich kraus dabei und lässt ihn noch hasenhafter wirken.

„Fünfzehn Sekunden“, wirft Taehyung, einen Impuls folgend, ein. „Du musst fünfzehn Sekunden kauen.“

„Danke für den Hinweis.“

Taehyung kaut heute selbst auch fünfzehn Sekunden, bis die Masse in seinem Mund zu einem Brei geworden ist.

„Mach dir keine Sorgen“, sagt der Krankenpfleger und stupst ihn mit der Schulter an, als seien sie Freunde. „Ich frühstücke nicht jeden Tag Kuchen. Aber an meiner alten Arbeitsstelle konnte man nicht kostenlos essen und das Essen hier ist sooo gut.“

Warum sagt er das immer wieder? Es muss ihm wirklich wichtig sein. Oder hatte Jeongguk früher auch mit Zwangsgedanken zu kämpfen? Lassen sie ihn deswegen so viel Zeit mit Taehyung verbringen? Der Gedanke würde Sinn machen, vor allen Dingen wenn man bedenkt… 300. Taehyung zwickt sich. Er ist noch da. Er ist noch am Leben. Er muss der Glühbirne neuen Schwung geben und sie schwingt. 1…2…3…

Heute verläuft das Frühstück ohne weitere Vorkommnisse. Wie geplant, machen sie sich danach auf den Weg in Taehyungs Zimmer, um die Uhren von der Wand zu waschen. Sie brauchen wieder exakt 11 x 300 Sekunden dafür. Solange benötigt Taehyung immer, um sein Zimmer aufzuräumen. Diesmal bleibt er mit seiner Aufmerksamkeit an den Briefen von Jimin hängen. Jeongguks Blick folgt ihm.

„Das sind viele Briefe“, stellt er freundlich fest und fragt etwas zurückhaltend nach: „Liest du deine Post nicht?“

„Kann nicht“, antwortet Taehyung wieder ehrlich. Das wurde ihm in der Therapie ja schließlich geraten. Offen darüber sprechen, was er kann und was nicht kann, was er denkt und was ihn belastet. Nur sprechende Menschen können verstanden werden. Wenn sie genug sagen. Scheinbar war seine letzte Aussage nicht genug, deswegen ergänzt Taehyung diesmal: „Kann mich nicht lang genug konzentrieren.“

„Aaahhhh“, reagiert Jeongguk mit einem langgezogenen Laut. „Ich verstehe.“ Er geht ein paar Schritte auf Taehyung zu, bis er direkt neben ihm und vor den Briefen steht. „Darf ich?“, rückversichert er sich und Taehyung nickt. Der Krankenpfleger greift nach dem Stapel Post und sieht sie interessiert durch.

„Sie sind alle von einem gewissen Park Jimin.“

Er reagiert nicht, weil sie diesen Punkt bereits geklärt haben und auch, weil das nächste Intervall gerade abgelaufen ist. Ist er tot? Nein. Er zwickt sich. Er ist noch da. Er ist noch am Leben. Dieser Gedanke lenkt ihn ab. Jetzt ist alles in Ordnung, aber in 300 Sekunden könnte er tot sein…

„Soll ich sie dir vorlesen?“, schlägt Jeongguk vor. „Du kannst auch Nein sagen. Natürlich kannst du auch nein sagen“, beeilt er sich zu versichern. „Ich möchte nur helfen, verstehst du? Vielleicht würde es dir helfen.“

„Ich kann auch nicht lange zuhören“, wendet Taehyung sich ab. Er nimmt sich einen Stift und setzt sich vor die frisch geputzte Wand. Eine Weile konzentriert er sich auf sich, seine Atmung, das Schwingen der Glühbirne in seinem Kopf. Er muss warten. Dann… 300. Er zwickt sich und er beginnt zu zeichnen. Eine digitale Uhr an seine Wand. Das hier wäre kein Gefängnis, wenn die Gefängniswärter auf einmal verschwunden wären. Jeongguk sagt nicht dazu, obwohl sie die Wand gerade erst geputzt haben. Irgendwann vergisst Taehyung, dass er überhaupt im Raum ist.

  

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„Guten Morgen Taehyung. Hast du gut geschlafen?“

„Heute ist Putztag. Die Uhren müssen ab. Obwohl ich sie cool finde. Ich male auch gern. Guck mal.“ Der Krankenpfleger zeigt Jeongguk die Tattoos an seinen Händen. Taehyung versucht die Buchstaben darauf zu erkennen, aber wie immer verschwimmen sie, weil Jeongguk die Finger zu schnell bewegt.

Wie immer?, denkt Taehyung und glaubt, etwas Wichtiges zu verpassen. Jeongguk sieht ihn interessiert an, als würde er sein Stocken bemerken, aber als keine weitere Reaktion von Taehyung erfolgt, sagt er: „Ich habe alle selbst gezeichnet.“

….

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

  

„Guten Morgen Taehyung. Hast du gut geschlafen?“

Moment, denkt Taehyung wieder. Etwas ist falsch. Was ist falsch? Er braucht einen Moment. Er klammert sich an der Zeit fest, als könne er sie festhalten. Anhalten.

1…1…1…, zählt er im verzweifelten Versuch, den Fehler zu erkennen.

Was hat er da an? Hat er nicht…?

Der Krankenpfleger wirkt wieder interessiert, neugierig beinahe. Er beobachtet Taehyung ganz aufmerksam und dann sagt mit einem Unterton, den nur Schelmen benutzen: „Heute ist Putztag…-“

  

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„Guten Morgen Taehyung. Hast du gut geschlafen?“

Stopp, denkt Taehyung und diesmal zwingt er sich mit aller Willenskraft, die er aufbringen kann, dazu, die Zeit anzuhalten. Es braucht nur einen klaren Moment. Einen einzigen Moment ohne die Zahlen. Und dann macht es klick.

Die letzten Tage waren ein einziges Déjà-vu. Jeden Morgen ist er in der gleichen Kleidung aufgewacht, auch wenn er sich am Tag zuvor umgezogen hat. Jeden Morgen wurde er von Jeongguk begrüßt. Jeden Morgen sind sie zusammen zum Frühstück gegangen. Selbst die Gespräche der anderen Cafeteriagäste sind gleichgeblieben (die paar Gesprächsfetzen, die er aufgeschnappt hat, waren immer dieselben). Jeden Tag war Putztag. Jeden Tag Therapiestunde. Jeden Tag hat Jeongguk auf ihn gewartet und sich später von ihm verabschiedet.


Als sich die Tür also an diesem Morgen öffnet, begreift Taehyung es endlich.

Dieser – Tag – wiederholt – sich.

Er ist in einer Zeitschleife gefangen. Der Gedanke ist erschreckend genug, dass er ihn ein paar Momente lang von den Zahlen in seinem Kopf ablenken kann. Die Glühbirne flackert. Der Tunnel ist nicht mehr zu sehen und Taehyung schwankt zwischen dem Gefühl, nun endgültig eingesperrt zu sein (nicht nur in seinem Kopf, in diesem Zimmer, in diesem Leben, sondern jetzt auch noch in der Zeit) oder endlich frei zu sein.

Er beschließt, diesen Tag nicht als der Verrückte anzugehen, der er nun mal ist. Stattdessen wird er heute in eine Rolle schlüpfen. Er wird ein Forscher sein. Und wie ein empirischer Forscher, der all seine Erhebungsmethoden vergessen hat, wird er versuchen seine Hypothese zu verifizieren.

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

  

„Guten Morgen Taehyung. Hast du gut geschlafen?“

„Guten Morgen Taehyung. Hast du gut geschlafen?“

„Guten Morgen Taehyung. Hast du gut geschlafen?“

Taehyung forscht mehrere Tage lang. Er weiß nicht, wie viele es am Ende sind, bevor er sich endgültig sicher ist: Er ist in einer Zeitschleife gefangen. Seine Kleidung ändert sich nicht. Die von Jeongguk tut es auch nicht. Nicht mal die von irgendwem anders. Die Uhren an den Zimmerwänden von Taehyung sind jeden Morgen die Gleichen, unabhängig davon, ob sie am Tag vorher abgewaschen und neu gezeichnet worden. Taehyung versucht, Zettel zu schreiben, damit er sich Details merken kann und sie nicht von den Zahlen in seinem Kopf überdeckt werden. Am Anfang funktioniert es nicht so gut, aber mit jeder Wiederholung wird er besser darin. Er stellt Jeongguk eine Frage und erhält die immer gleiche Antwort im immer gleichen Wortlaut. Selbst wenn er nichts sagt, beginnt Jeongguk das Gespräch stets auf die gleiche Weise. Aber es ist nicht nur der Krankenpfleger, der sich nicht verändert. Auch sein Therapeut sagt dasselbe, wenn Taehyung die gleichen Gedanken äußert. Nie unterscheidet sich auch nur ein Wort. Oder auch das, ein eindeutiges Indiz: Die Frau an der Medikamentenausgabe hat etwas zwischen den Zähnen (Rettich vielleicht? Das Wort ist auf Taehyungs Notizzettel mit einem Fragezeichen versehen). Es ist jeden Tag da. Immer an der gleichen Stelle. Und Taehyung hat sie gefragt, ob sie sich die Zähne putzt. Welche andere Möglichkeit sollte es also geben?

Seine Forschung lässt daher nur eine Schlussfolgerung zu:

Er ist nicht mehr nur ein Gefangener der Zeit. Er ist gefangen in der Zeit.

Und was macht er nun damit?

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

  

Zunächst einmal tut Taehyung gar nichts mit der Erkenntnis. Er lebt in den Tag hinein, wie er es immer getan hat. Er zählt, er zwickt, er ist noch da. Er gibt der Glühbirne in seinem Kopf neuen Schwung, beobachtet das weiße Licht und die dunklen Tunnelwände. Er denkt an das Gefängnis, in dem er lebt, und alles, was dabei rauskommt, ist: 1…2…3….

Frühstück mit Jeongguk. Aufräumen. Putzen. Therapiestunde. Abendessen mit Jeongguk. Nochmal. Nur ein weiteres Intervall, das ihn versklavt.

Zählen. Zwicken. Da sein. Nochmal. Taehyung lebt, aber eigentlich überlebt er nur.

Und dann macht es klick. Nochmal, nur diesmal viel, viel deutlicher. Denn das Klicken nun ist das eigentlich Wichtige. Taehyung denkt nicht 1…2…3…, sondern: Wenn ich diesen Tag immer und immer wieder erlebe, bedeutet das auch… ich… über… lebe.

Ich… zur Hölle. WAS?

Ich… überlebe…

„Ich… überlebe…“, perlt es auch von seinen Lippen wie eine übersprudelnde Quelle. Die Worte können nicht in seinem Inneren eingesperrt bleiben. Sie müssen entweichen und Taehyung muss es erneut sagen in der Hoffnung, dass er es diesmal verstehen wird: „Ich überlebe.“

„Ja, Taehyung“, antwortet Jeongguk und etwas in seinen Augen flackert schalkhaft auf. „Du wirst überleben.“ Sie haben sich gerade begrüßt. Taehyung hat auf seine allmorgendliche Begrüßung nicht reagiert. Es ist das erste Wort, dass er für heute an ihn richtet und doch scheint Jeongguk schon wesentlich mehr zu verstehen, als Taehyung es tut.

Für den Bruchteil einer Sekunde trifft Taehyungs verwirrter Blick das Namensschild des Krankenpflegers. Neben den Schriftzeichen ist immer noch die schematische Zeichnung eines weißen Kaninchens mit einer Taschenuhr zu sehen. Es kommt ihm bekannt vor und kurz fühlt Taehyung sich so, als wäre er kurz davor das Rätsel lösen. Jeongguks Hände bewegen sich nicht. Auf seinen Fingerknöcheln vom Zeigefinger bis zum kleinen Finger ist jeweils ein Buchstabe tätowiert. Da steht: TICK. Und auf der anderen Hand: TACK. Taehyungs

Gesichtszüge müssen für einen Moment die Fassung verloren haben. Als er die Kraft findet, um den Blick zu heben und Jeongguk erneut ins Gesicht zu sehen, blitzt Amüsement aus seinen Augen, als hätte er gerade den besten Witz aller Zeiten gerissen. Und warum auch immer, ist das der Moment, in dem Taehyung die Bedeutung seiner Erkenntnis trifft wie ein tonnenschwerer Meteoriteneinschlag.

ER ÜBERLEBT. Dieser Tag wiederholt sich. Taehyung hat ihn nicht nur schon einmal erlebt, nein, er hat ihn auch überlebt. Die logische Konsequenz daraus: Er wird ihn auch noch einmal überleben.

1…2…3… zwängen sich die Zahlen wieder in den Vordergrund seiner Gedanken, aber Taehyung stemmt sich mit aller Kraft dagegen. Er liegt nur regungslos auf dem Bett, starrt die Decke an und bewegt sich nicht. Den Blick von Jeongguk hat er abgewandt. Er erträgt ihn nicht. Aber trotzdem kämpft Taehyung wie ein Löwe. Nur nicht mit Jeongguk. Das ist jetzt nicht wichtig. Und nicht alle Kämpfe sind von außen sichtbar. Die härtesten davon tragen wir mit und in uns selbst aus.

Taehyung schmeißt sich gegen die Wände des Tunnels in seinem Kopf. Er schlägt mit den Fäusten dagegen, holt aus und tritt zu. ER ÜBERLEBT. Er rauft sich die Haare. Läuft aufgeregt hin- und her. Er darf die Zeit nicht aus den Augen verlieren. Er darf die Zeit nicht aus den Augen verlieren. Er darf nicht… NEIN. NEIN. NEIN. Er darf. Oh, er darf. Endlich. Heute ist es egal. In 300 Sekunden ist er tot? Nein. Nicht heute. NICHT HEUTE. Er darf leben. Einen Tag in einer Zeitschleife. Egal. Er darf leben.

4…5…6… Taehyung brüllt auf. Er fährt die Krallen aus und kratzt an den Wänden entlang. Er schreit und krümmt sich. NICHT HEUTE. Heute wird der Zwang ihn nicht besiegen, den ganzen Tag spielen wie ein Puppenspieler seine Marionetten. Er hat die Fäden in der Hand und wenn es nur für einen Tag sein wird. In all seiner Verzweiflung tritt Taehyung auf die Glühbirne zu. Wie schon tausende Male zuvor, stupst er sie leicht an, sodass sie beginnt zu schwingen. Sie flackert immer noch. Immer, wenn das weiße, sterile Licht verschwindet, verschwinden auch die Konturen des Tunnels. Taehyung beobachtet das Schauspiel eine Weile aufmerksam. Die Hände fest in den Haaren vergraben, jederzeit bereit dazu, daran zu ziehen, sollten die Zahlen wieder übermächtig werden. Er wird sie mit Schmerz bekämpfen, wenn es sein muss. Sekunde um Sekunde, Zahl um Zahl.

Dann greift Taehyung noch einmal nach der Glühbirne. Er tut es aus einem Impuls heraus, aus dem Echo seines Herzens heraus, welches lautstark skandiert ICH ÜBERLEBE, ICH ÜBERLEBE, ICH ÜBERLEBE und so schnell pocht, als könnte es Kraft seines Schlagens die Wände um sich herum einreißen. Es wollte schon immer frei sein und im wiederholenden Hier und Heute sieht es endlich die Chance dazu. Taehyung greift nach der Glühbirne und reißt daran. Die Schnur gibt nach, als sei sie spröde geworden. Das Gummi der Zeit zum Opfer gefallen, die sie so kläglich versucht hat festzuhalten. Und Taehyung hält die Glühbirne in der Hand, die nun nichts mehr festhalten kann, und wirft sie auf den Boden. Sie zerspringt beim Aufprall augenblicklich in eintausend kleinste Teile. ICH ÜBERLEBE, brüllt Taehyung wie ein Löwe. Die Wände des Tunnels erzittern und dann zersplittern auch sie. Als das sterile, weiße Licht verschwindet, wird es nicht dunkel, nein. Der zerbrochene Tunnel macht den Blick auf den Himmel frei. Und dieser ist gesäumt von müdem, orangem Sonnenlicht. In Taehyungs Kopf ist es Morgen.


„Willst du mit mir zum Frühstück gehen?“, fragt Jeongguk als wäre nichts passiert, dabei ist Taehyungs Atem so laut und angestrengt, dass er im ganzen Zimmer deutlich zu hören ist. Der Putzeimer steht neben den Füßen des Krankenpflegers und als Taehyung sich endlich im Bett aufsetzen kann und ihn sieht, beginnt er zu lachen. Er beginnt zu lachen und zu lachen und er kann nicht mehr aufhören. Er weiß nicht, was so lustig ist, aber Jeongguk stimmt in sein Lachen mit ein, als hätte er den Witz verstanden. Und Taehyung lacht auch und mit und es bilden sich Tränen in seinen Augen und er weint und er weiß nicht, ob es die gute Art ist oder die schlechte, aber es ist zumindest die Art, die frei macht. Zum ersten Mal seit Jahren fühlt Taehyung sich frei.

  

⊱ ────── ⋅ ⋅ ───── ⊰

  

Von da an wird es nicht gut, aber es wird besser. Es wird nicht leicht, aber es wird leichter. Die Zahlen in Taehyungs Kopf haben seit Jahren die Oberhand über seine Gedanken. Sie geben nicht auf, nur weil sie eine Schlacht verloren haben. Sie kämpfen sich zurück und Taehyung zählt Intervall für Intervall. Er zwickt sich, er sagt, dass er noch da ist. Aber nicht mehr nur für 300 Sekunden. Sondern für einen ganzen Tag. Einen ganzen Tag, an dem er nicht sterben darf. An dem er leben darf. Es ist nicht viel, aber es ist ein Anfang.

Es reicht, damit sich Taehyung auf die Gesprächsinhalte der Verhaltenstherapie konzentrieren kann. Er lernt, die Exposition zu ertragen. Die Zahlen in den Hintergrund zu rücken. Seit da kein Tunnel mehr über seinen Gedanken ist, sondern nur noch der Himmel, funktioniert es. Da ist so viel Platz. Taehyung wirft mit Zahlen um sich und sie über sich in die Luft. Manchmal landen sie auf ihm tonnenschwer und er kann nicht mehr atmen. Dann erinnert er sich an das Reaktionsmanagement aus der Verhaltenstherapie und reagiert. Er atmet. Er erträgt es. Und vor allem: Er überlebt es.

Aber manchmal… da bleiben die Zahlen auch oben. Ganz weit weg von ihm. Schwerelos. Dann ist Taehyung frei von ihnen. Es sind die Momente, in denen er wieder denken kann. Etwas anderes als 1..2..3...

Sein Therapeut lobt ihn für die plötzlichen Fortschritte und Taehyung grinst, weil sie nicht plötzlich sind. Zumindest nicht für ihn. Wie lange steckt er nun schon in dieser Zeitschleife fest? Er weiß es nicht. Aber die Frage – wie lange – kam ihm schon eine ganze Weile nicht mehr so unwichtig vor wie in diesem Moment. Denn die Fortschritte benötigen nun mal Zeit. Zeit, von der Taehyung immer dachte, dass er sie nicht hat. Es vergeht bestimmt ein ganzes halbes Jahr, in dem sich nichts verändert. Das Sonnenlicht am Morgen bleibt gleich. Die Tage werden nicht länger, weil sie sich nicht dem Sommer annähern. Es bleibt Februar. Es bleibt kalt. Ein ganzes halbes Jahr lang. Oder vielleicht auch länger. Und Taehyung fragt sich nicht mehr nur ständig: Ist er noch da?


Die Fortschritte seiner Behandlung breiten sich aus wie eine Schallwelle, die ebenfalls in der Zeit steckengeblieben ist. Sie wird stark verlangsamt, aber sie wird nicht gestoppt. Es beginnt in der Therapie. Dann bei den Gesprächen. Wenn Jeongguk jetzt „Guten Morgen Taehyung, hast du gut geschlafen?“, zu ihm sagt, dann antwortet Taehyung: „Dir auch einen guten Morgen. Ich habe gut geschlafen, vielen Dank.“

Taehyung holt auf, was er in den letzten Jahren seines Lebens verpasst hat. Nachdem er die Unterhaltungen mit Jeongguk managen kann, greift er nach Jimins Briefen. Er beginnt bei:

Lieber Taehyung

Am Anfang schafft er es nicht, sich auf mehr als einen Satz zu konzentrieren.

Später ist er bei:

Ich vermisse dich. Es aufzuschreiben bewirkt nur, dass ich dich noch mehr vermisse. Und: Du weißt alles von mir. Du bist mein bester Freund. Und immer wieder: Ich vermisse dich. Ich vermisse dich. Ich vermisse dich.

Ein ganzer Absatz, bis ihn die Zahlen übermannen und von der Realität wegziehen. Jeongguk kommt nicht mehr in sein Zimmer und spricht die ungeöffneten Briefe an, weil sie jetzt geöffnet neben Taehyungs Bett liegen. Immer, wenn Jeongguk morgens den Raum betritt, ist Taehyung am Lesen.

Manche Worte brechen ihm das Herz. Mehr als einmal. Aber das ist in Ordnung, denkt Taehyung. Er hat Jimin auch oft genug das Herz gebrochen.

Weil Jimin seine Briefe nicht mit einem Datum versehen darf (er weiß, dass es Taehyung in seinem Genesungsprozess stören würde), denkt er sich alternative Angaben aus. Regentag. Sonnentag. Schneetag. Wolkentag. Zu-warm-zum-Rausgehen-Tag. In einem Brief spricht Jimin vom Nie-Wieder-Tag. Er sagt, dass Taehyung den Brief nicht lesen muss, wenn er nicht möchte. Aber Jimin muss es loswerden. Die Gedanken und Bilder, die ihn quälen, und die er nur loslassen kann, wenn er über sie aufschreibt und wegschickt. Nur einmal und nur für sich und dann müssen sie nie wieder darüber sprechen. Der Nie-Wieder-Tag ist der Tag, an dem Taehyung versucht hat, sich umzubringen. Der Tag, an dem der Zwang zu groß geworden ist, viel größer als er selbst, und er eben nicht mehr da sein wollte. Das Zwicken war keine Erlösung mehr. Es war eine Strafe. Also ist er zu dem alten Bahnhof gegangen und hat seinen Kopf gemeinsam mit den fallenden Schneeflocken auf die Bahngleise gelegt. Dann hat er gezählt und gezählt und gezählt. Es fährt nur ein Zug am Tag. Dieser kommt am Abend.

Taehyung weiß nicht, wie lange er dort vor den Schienen kniete. Aber als Jimin ihn gefunden hat, waren seine Haare ganz weiß vom Schnee und seine Lippen blau gefroren. Seine Hände konnte er nicht mehr selbst bewegen und es hat fremde Hilfe gebraucht, bis sie sie von den Bahnschienen lösen konnten. Er wäre beinahe gestorben. Und Jimin schreibt ihm, dass er seine Lippen nie wieder so blau sehen möchte, sein Gesicht nie wieder so blass. Jimin schreibt, dass er froh ist, dass er Taehyung rechtzeitig gefunden hat und dass er ein paar Wochen später die stationäre Behandlung in der psychiatrischen Klinik aufgenommen hat. Jimin schreibt:

Ich hoffe, du bist da sicher. Vor dir selbst und vor deinen Gedanken. Als ich gesagt hab „Auf Wiedersehen“ meintest du: „Ich weiß nicht, ob ich dann noch am Leben bin.“ Erinnerst du dich? Ich will dir nur sagen: Ich weiß, dass du dann noch am Leben sein wirst. Du wirst dich selbst überleben, falls das irgendwie Sinn für dich macht. Du wirst deinen Zwang überleben. Denn du bist mehr als das. Und irgendwann wird dieses Mehr wieder die Kontrolle gewinnen. Ich hoffe, dass die Ärzte dabei helfen können, zu kämpfen. Ich werde auf dich warten, solange es dauert. Wenn ich kann, werde ich mit dir gemeinsam kämpfen. Die Ärzte sagen, dass du im Verlauf der Therapie irgendwann Fortschritte machen wirst und dann wieder Besuch empfangen darfst. Ich steh‘ schon auf der Warteliste!!

Es muss einer der ersten Briefe sein, die Taehyung seit der Behandlung erhalten hat. Nachdem er ihn gelesen hat, ist da wieder so ein Klick-Moment. Er geht zur Therapiestunde und besteht darauf, dass er bereit dazu ist, Besuch zu empfangen. Er möchte Jimin endlich wiedersehen. Nun, wo er sich wieder auf andere Dinge in seinem Kopf konzentrieren kann, muss er ständig an das Lächeln seines Freundes denken. An die Halbmonde, die seine Augen formen, wenn er lacht. Sein Therapeut sichert zu, dass er über Taehyungs Anfrage nachdenken wird, wenn die folgenden Therapiestunden auch so gut verlaufen wie die heutige. Aber am nächsten Tag hats sein Therapeut vergessen, was er Taehyung versprochen hat. Weil sich der Tag wiederholt. Und die letzte gemeinsame Therapiestunde für ihn nie stattgefunden hat…

Also schreibt Taehyung Jimin einen Brief zurück. Auch dafür braucht er mehrere Ansätze und mehrere Tage. Etwas selbst zu schreiben, erfordert noch einmal so viel mehr Aufmerksamkeit, als etwas zu lesen. Aber Jimin ist es ihm Wert. Als er es schließlich schafft, überreicht er Jeongguk freudestrahlend den Brief. Sie lächeln zusammen und diesmal ist da etwas im Blick des Krankenpflegers, was Taehyung mit Stolz bezeichnen würde. Er blickt in den Spiegel und ja. Er kann das Gefühl auch an sich selbst erkennen. Da ist Stolz in seinem Blick, wenn er auf den Brief blickt.

Umso größer ist die Enttäuschung als Taehyung realisiert, dass sein Brief Jimin nie erreichen wird. Jeongguk legt ihn zwar in die Post, aber am nächsten Tag ist er verschwunden, als hätte er nie existiert. Taehyung schreibt wieder. Und wieder. Und kein Brief erreicht jemals sein Ziel. Es ist frustrierend.

Der nächste Klick-Moment.

Ab dann wird die Zeitschleife anstrengend für Taehyung. Die Gespräche mit seinem Therapeuten stagnieren. Er versucht, eine freundschaftliche Verbindung zu Jeongguk aufzubauen und scheitert. Sie starten jeden Tag neu. Keine Unterhaltung kann fortgesetzt werden. Der Krankenpfleger speist ihn immer mit den gleichen oberflächlichen Informationen über sein Leben ab und selbst, wenn Taehyung ihn frustriert anschreit und Vorwürfe macht, die er nicht verstehen kann, ist da nie mehr als Schalk und Schelm in Jeongguks Blick. Als würde er mehr verstehen, als Taehyung jemals verstehen kann.

Klick… Klick… Klick…

Es braucht viele davon. Und einen letzten Brief von Jimin. Es muss der aktuellste sein, denn das Datum sagt: An einem kalten Tag mit Sonnenschein. Hat er ihn heute erhalten? Oder an dem Tag, bevor die Zeit stehengeblieben ist? Taehyung versucht sich daran zu erinnern, wie das Wetter am Tag zuvor war. Er kann sich nicht daran erinnern. Es ist zu lange her.

Jimin schreibt: Ich habe einen neuen Job gefunden. Ich konnte die ollen Schuhe nicht mehr sehen und wollte etwas Neues ausprobieren. Ich arbeite jetzt bei einem Hutmacher – nicht zu fassen, oder? Kannst du das glauben, Kim Taehyung? Ich bin kein Schuhmacher mehr. Ich bin ein Hutmacher!! (Und mein Lehrer sieht aus wie eine Katze) – Bin ich etwa im Wunderland gelandet? Bin ich Alice?

Nein, denkt Taehyung nach einer langen, langen Zeit Februar, du bist nicht Alice. Ich bin es. Es ist genau 300 Tage her, dass die Zeit aufgehört hat zu existieren. Das wüsste Taehyung, wenn er nicht aufgehört hätte, sie zu zählen.

Als Jeon Jeongguk das nächste Mal seine Tür öffnet und sagt: „Guten Morgen Taehyung, hast du gut geschlafen?“, antwortet Taehyung: „Guten Morgen, liebes, weißes Kaninchen. Ich habe sehr gut geschlafen. Würdest du jetzt bitte die Zeit weiterlaufen lassen? Ich glaube, ich weiß nun, wo ich hin möchte.“

- Ende -

     

𝘈𝘭𝘪𝘤𝘦: "𝘐𝘤𝘩 𝘩𝘢𝘣𝘦 𝘪𝘮𝘮𝘦𝘳 𝘨𝘦𝘥𝘢𝘤𝘩𝘵, 𝘥𝘪𝘦 𝘡𝘦𝘪𝘵 𝘸ä𝘳𝘦 𝘦𝘪𝘯 𝘋𝘪𝘦𝘣,
𝘥𝘪𝘦 𝘮𝘪𝘳 𝘢𝘭𝘭𝘦𝘴 𝘴𝘵𝘪𝘦𝘩𝘭𝘵, 𝘸𝘢𝘴 𝘪𝘤𝘩 𝘭𝘪𝘦𝘣𝘦.
𝘈𝘣𝘦𝘳 𝘫𝘦𝘵𝘻𝘵 𝘸𝘦𝘪ß 𝘪𝘤𝘩,  𝘥𝘢𝘴𝘴 𝘴𝘪𝘦 𝘨𝘦𝘣𝘦𝘯, 𝘣𝘦𝘷𝘰𝘳 𝘴𝘪𝘦 𝘯𝘦𝘩𝘮𝘦𝘯 𝘶𝘯𝘥 𝘫𝘦𝘥𝘦𝘳 𝘛𝘢𝘨 𝘪𝘴𝘵 𝘦𝘪𝘯 𝘎𝘦𝘴𝘤𝘩𝘦𝘯𝘬. 
𝘑𝘦𝘥𝘦𝘳 𝘚𝘵𝘶𝘯𝘥𝘦. 𝘑𝘦𝘥𝘦 𝘔𝘪𝘯𝘶𝘵𝘦. 𝘑𝘦𝘥𝘦 𝘚𝘦𝘬𝘶𝘯𝘥𝘦."

        
꒷⏝꒷꒦꒷⏝꒷꒦꒷⏝꒷

Vikkilitschi

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