5│Strafe muss sein

Ich erwachte, als meine Mutter mich auf die Stirn küsste. Was war passiert? Wo war ich? Ich wollte mich aufsetzen, doch der Schmerz zuckte durch meinen Körper wie ein Blitz. Ich stöhnte.

„Du meine Güte, Spätzchen! Du bist aufgewacht! Ein Glück!", seufzte meine Mutter. Es war ihr anzuhören, wie erleichtert sie war. Mein Vater dagegen klang etwas gefasster: „Meine Kleine, wie geht's dir?" Ich gab ein unverständliches Murmeln von mir und musste husten. Als meine Nase vor Schmerz schier zu explodieren schien, fiel mir alles wieder ein. Jeder einzelne Schlag war mir wieder im Gedächtnis.

Als er meinen leidenden Gesichtsausdruck sah, setzte mein Vater eine zornige Miene auf. „Wenn ich den erwische, der dir das angetan hat... Kannst du dich an irgendetwas erinnern?"
Ich zögerte mit der Antwort. Natürlich konnte ich mich erinnern. An alles. Aber eben auch an die Drohung und ich hatte eine Heidenangst vor dem, was Samuel als ‚Schlimmeres' bezeichnete. Deswegen schüttelte ich bloss den Kopf.

„Bist du dir ganz sicher, meine Kleine? Nun, dann müssen wir wohl die Polizei einschalten. Der Übeltäter soll nicht ungeschoren davonkommen!"

So kam es auch. Trotz heftigen Protestierens meinerseits – Was würde Samuel mir antun, wenn sie erfuhren, dass er mich so zugerichtet hatte? – gab er schon am Tag darauf eine Anzeige gegen Unbekannt auf. Seither funkelte mein verkorkster Bruder mich jedes Mal, wenn wir allein waren, hasserfüllt an und erinnerte mich an sein grausames Versprechen.

Ab diesem Tag an, schloss ich meine Zimmertüre immer ab, aus Angst, er könnte mitten in der Nacht mit einem Messer im Türrahmen stehen, während ich schlafe. Ich hoffte so sehr, dass die Polizei keine Hinweise fände und sie den Vorfall vergessen würden. Doch dieser Wunsch ging nicht in Erfüllung. Im Gegenteil, es fand sich ein Zeuge, welcher alles mitbekommen hatte – auch Samuels Drohung.

Es flog also alles auf und mein Psychopathenbruder musste vor das Jugendgericht und bekam Sozialstunden aufgebrummt. Somit war alles wieder beim Alten – er wurde bestraft, ich verhätschelt.

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