27│Gebet

Lieber Jesus

Ich fühle mich komplett bescheuert, einfach so vor mich hinzuplappern. Also höre bitte gut zu.
Rahel hat gesagt, ich darf dir abgeben, was mich runterzieht. Das möchte ich jetzt tun.

Erinnerst du dich an diesen Tag, an dem mein Leben den Bach runter ging? Ich tue es. Dieser Tag scheint für immer in meinem Gedächtnis eingebrannt. Warum? Warum kann ich nicht vergessen? All die Bilder, welche mich Tag und Nacht verfolgen. Wie meine Mutter in die Knie sackt, wie Samuel höhnisch lacht und Vater ihn ungläubig anstarrt.

Ich halte es nicht mehr aus – ich hatte es noch nie ausgehalten!

Jedes Bild reisst mir den Boden unter den Füssen weg, zerschmettert mein Herz immer und immer wieder. Die Tränen, die keinen Weg nach draussen finden, drohen mich innerlich zu ertränken. Ich möchte schreien, aber kein Laut kommt über meine Lippen. Stattdessen ist da Stille. Diese schreckliche Stille, welche gleichzeitig so laut ist, dass mein Trommelfell beinahe zerplatzt.

An diesem einen Tag hatte ich meine ganze Familie verloren. Meine Mutter an den Tod, meinen Vater an die Trauer, meinen Bruder an den Wahnsinn.

Ich habe es so satt, mich alleine durchschlagen zu müssen. Ich kann nicht mehr! Ich will nicht mehr – habe keine Kraft mehr. All das drückt mich zu Boden, verhindert, dass ich mich aufrichten kann.

Hilf mir. Ich flehe dich an: hilf mir! Ich kann das nicht alleine. Bitte richte mich auf, lass mich aufrecht gehen – an deiner Hand.

Amen.

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