7. Kapitel
„Ich kann das nicht!"
„Doch, du kannst. Du bekommst jetzt doch keine kalten Füße?"
„Meine Füße sind schon ziemlich kalt –"
„Du wolltest heiraten, oder nicht?"
„Ja?"
„Ja?"
„Ja..."
„Ich kann dich nicht verstehen."
„JA!"
„Also... warum hast du Angst?"
„Was ist, wenn ich mich verspreche und alle lachen mich aus? Was ist, wenn ich mich nicht verspreche und alle lachen mich aus? Was ist, wenn ich einen Fehler mache?"
„Wie lange kennen wir uns jetzt schon?"
„Ein paar Jahre?"
„Und noch kein einziges Mal habe ich dich so erlebt – warum also drehst du genau jetzt durch?"
„ICH WEIß ES DOCH NICHT!"
„Dann reiß dich zusammen, das hier ist nämlich der schönste Tag deines Lebens! Das hast du jedenfalls gestern gesagt!"
„Was ist, wenn ich mich geirrt habe und es wird der schlimmste Tag meines Lebens?"
„Oh, komme isch schlescht? Isch wollte mit dem Make-Up 'elfen!"
„Nein, nein – komm ruhig rein, Fleur. Nur ganz normale Angst vorm Heiraten."
„Oh, no, no – nischt dosch. Das ist dosch ganz normal! Isch 'abe ausch kalte Füße ge'abt, aber isch 'abe es nie bereut, dass isch Bill ge'eiratet 'abe."
„Das hilft mir irgendwie nicht wirklich Fleur."
„Du wirst wunderschön ausse'en und dann wirst du gar keine Angst mehr spüren! Wer so schick aussie't kann keine Angst 'aben – das 'at Madame Carla mir gesagt."
„Das kitzelt."
„'alte einfasch still!"
„Was ist, wenn ich hässlich aussehe und dann habe ich noch mehr Angst und dann lachen mich alle aus und ich glaube, ich will doch nicht heiraten! Das ist zu viel Stress! Warum tut man sich das eigentlich an? Wie habt ihr beide das ausgehalten? Dieser Stress ist unerträglich! Ich glaube, ich habe einen Nervenzusammenbruch."
„Ich glaube auch, du hast einen Nervenzusammenbruch."
„Nischt dosch! Nischt weinen, du ruinierst nosch dein Make-Up!"
„Entschuldigung..."
„Darf isch dir etwas sagen?"
„Ja?"
„Tia ist ausch wunderschön und ausch ein wenig nervös, aber sie kann einfasch nischt auf'ören zu läscheln – es war schrecklisch ihren Lippenstift aufsutragen!"
„Hörst du, Georgie?", Fred klopfte George auf die Schulter und Fleur sah ihn warnend an, nachdem sie beinahe seinen Eyeliner verwischt hatte, „Tia freut sich schon. Du kannst sie nicht stehenlassen."
„Da hast du wohl recht", George atmete einmal tief durch und fasste sich wieder, „Ich bin einfach nur so aufgeregt."
„Das Gefühl kenne ich", gestand Fred, „Wärst du mein Trauzeuge gewesen, hättest du mitbekommen, wie ich absolute Panik bekommen habe."
„Agnes und du habt ja die Hochzeit nicht in zwei Wochen geplant!"
„Das ist aber nicht unsere schuld, dass ihr es so eilig habt."
„Wir wollten die Flitterwochen noch ohne Kinder verbringen."
„Oui, eine ausgeseichnete Idee!", stimmte Fleur zu, „Man sie't nosch kaum, dass Tia schwanger ist. Ist das nischt aufregend?"
Allein bei der Erwähnung von Georges Baby begann er schon zu strahlen und zusammen mit seinem sehr gelben Aussehen wirkte er wie eine Sonne. „Wir waren gestern bei einem Muggelarzt und die können nachsehen, was es wird – ein Junge oder ein Mädchen! Und ich habe schon die kleinen Ärmchen gesehen und den Kopf!"
„Oh, das ist wunderbar!", rief Fleur entzückt, „Was ist es? Ein Junge oder ein Mädchen?"
George lächelte. „Ja."
Fred runzelte die Stirn. „Das ist keine richtige Antwort auf –"
„Wir wollen das Baby nicht schon in Geschlechterrollen drücken, oder?"
„Isch bin fertig", verkündete Fleur und George sprang von seinem Stuhl auf, zog sich seinen kanariengelben Festumhang zurecht und wuschelte sich noch einmal durch seine roten Haare.
„Dann bin ich bereit! Gehen wir und warten auf meine wunderschöne Braut! Ich hoffe, du hast mich nicht angelogen, Fleur!"
„Tia kann dosch gar nischt 'ässlisch sein – sie 'at –"
„– einfach eine wunderschöne Ausstrahlung, da hast du wohl Recht", stimmte George ihr begeistert zu, obwohl das nicht wirklich das war, was Fleur eigentlich sagen wollte, „Deswegen habe ich mich in sie verliebt!"
„Dann lassen wir sie nicht zu lange warten – sonst bekommt sie auch noch kalte Füße", warnte Fred neckend.
Sofort verschwand das Lächeln aus Georges Gesicht. „Glaubst du, Tia bekommt kalte Füße?"
Fred sah seinen Zwilling unbeeindruckt an. „Nein."
George lächelte. „Gut! Gehen wir!"
George und Tia hatten – im Gegensatz zu Bill und Fleur – auf ein Zelt verzichtet und hatten einfach vor dem Fuchsbau ein paar Tische und Stühle aufgestellt.
Es war ein warmer Tag – eigentlich heiß – und einige Baldachine spendeten Schatten für ein paar Gäste und die Getränke – alle alkoholfrei, wie George und Tia sich geeinigt hatten, obwohl Liza darauf bestanden hatte, dass auf einer Hochzeit kein Alkohol fehlen durfte und jeder, der Liza kannte, der wusste auch, dass man einfach zu ihr gehen musste, um an Alkohol zu kommen und deswegen fand man in den meisten Gläsern trotzdem mindestens einen Schuss Alkohol aus Lizas Vorrat.
Tias Familie kam mit dem Auto an – Arthur Weasley hatte sich bereiterklärt, sie zu fahren und George hatte diese Vorstellung so witzig gefunden, dass er erst einmal geschlagene dreißig Sekunden alleine gelacht hatte, bevor er zugestimmt hatte – ihnen blieb auch nicht viel anderes übrig, denn sonst konnte nicht wirklich jemand Autofahren. Sirius hatte zwar angeboten, dass er das übernehmen konnte, aber aus Gründen, die George unbekannt gewesen waren, hatten sowohl Tia als auch Liza darauf bestanden, dass Sirius niemalswieder Autofahren durfte.
Als Arthur die Familie dann zur Wiese führte, wo die Stühle aufgestellt waren und wo auch die Hochzeit stattfinden würde, redete er noch immer ohne Unterbrechung mit ihnen und fragte sich allerlei Dinge übers Muggelleben. Die Kinder waren amüsiert, Thomas etwas verwirrt und Eva... Eva sah eher genervt aus.
„Wow!", staunte Rosalie, als sie näherkamen und man auch erkennen konnte, was Agnes und Fleur mit der gesamten Umgebung gemacht hatten.
Fleur hatte überall gelbe Blumen wachsen lassen, wie ein Teppich aus... aus gelben Blumen eben und Schmetterlinge flogen durch die Luft – vermutlich waren die von Agnes.
Ein verzaubertes Streichquartett spielte fröhliche Musik und im perfekten Takt dazu trällerten Vögel ihr Lied.
„Ja, sie haben sich wieder einmal selbst übertroffen", stimmte Arthur ihnen zu, klang aber irgendwie weniger begeistert von der Magie vor ihm, als über die ganzen Muggelfakten, die er auf der Fahrt her gelernt hatte, „Ich glaube, Ihre Plätze sind da hinten."
„Wo ist denn der Bräutigam?", fragte Thomas mit höflichem Humor, „Ich habe ihn noch gar nie gesehen."
„Uh, George... ähm...", Arthur sah sich um und eine junge Frau mit Narben im Gesicht und wilden, weißblonden Locken sagte schlicht im Vorbeigehen: „Hat gerade einen Nervenzusammenbruch. Fleur ist bei ihm."
„Aja...", murmelte Arthur, „Dann sollte es wohl nicht mehr allzu lange dauern – setzen Sie sich doch."
Arthur entschuldigte sich und half den anderen dabei, die Gäste zu koordinieren, aber die Familie setzte sich natürlich noch nicht sofort hin. Eigentlich hatte Eva schon das Bedürfnis, sich auf einen fix zugeteilten Platz zu setzen, um in der Menge etwas unterzutauchen, aber ihre Kinder hatten eine andere Idee.
„Wow! Schaut euch das einmal an!", rief Rosalie begeistert, als die Frau von vorhin mit ihrem Zauberstab in der Hand einige Stühle einfach fliegen ließ und diese an einer anderen Stelle absetzte.
Dann kam auch ein riesiger Mann an – mit buschigen Haaren und Bart und einem seltsam aussehenden Mantel, den Eva niemals auch nur angefasst hätte und die Kinder waren begeistert. Stan und Rosalie rannten natürlich sofort hin – Tom versuchte – seinem Alter entsprechend – Haltung zu bewahren, aber selbst er wirkte sehr aufgeregt und begeistert von dieser neuen Umgebung.
„Ich pass auf, dass sie niemanden verärgern", schlug Thomas vor und eilte hinter den Kindern hinterher.
Eva hätte ihm gerne gesagt, dass er sie nicht alleine lassen sollte, aber da war er schon verschwunden und Eva blieb allein inmitten dieser fremden Leute zurück.
Sie kannte niemanden – alle so fremd und seltsam und obwohl sie sich in Menschenmassen schon immer wohl gefühlt hatte, war das dieses Mal wohl nicht der Fall.
„Du siehst aus, als hättest du auch einen Nervenzusammenbruch", bemerkte jemand und Eva erkannte seine Stimme.
Es war Remus Lupin – der Mann, von dem sie gedacht hatte, sie würde ihn nach einer Nacht nie wieder sehen, aber stattdessen hatte er etwas dagelassen, dass sie für immer an ihn erinnern würde, auch dann, wenn sie Tia nicht häufig sah.
Er sah müde aus, aber das tat er eigentlich immer – jedenfalls die paar Male, die Eva ihn gesehen hatte – und er trug einen seltsamen Umhang, der wohl als „schick" in der Zaubererwelt galt.
Das schlimmste war, dass in seinem Arm ein kleines Kind war – ein Mädchen mit goldenen Löckchen, vielleicht zwei oder drei Jahre alt, das sich an seinen Umhang klammerte.
„Remus!", brachte Eva heraus und versuchte irgendwie zu lächeln, aber es war mehr eine Grimasse, „Äh... hi!"
„Hallo, Eva", begrüßte Remus sie ruhig und musterte sie einen Moment lang nachdenklich, „Du bist doch nicht hier, um Tias Tag zu ruinieren, oder?"
„Nein!", rief Eva empört, „Nein, das würde ich nie– niemals!"
„Gut", Remus lächelte leicht, „Ich habe gesehen, deine Kinder sind auch hier? Und dein Ehemann?"
„J-Ja", stammelte Eva. Sie stammelte nie! „Äh... ist diese hier... deine?"
Sie nickte auf das Kind in Remus' Armen und Remus blickte hinunter, als hätte er ganz vergessen, dass er ein Kind hielt.
Offenbar hatte er es aber tatsächlich vergessen.
„Seit wann trage ich ein Kind?", fragte er und das Mädchen kicherte, „Seit wann bist du hier? Warum trage ich dich? Warst du nicht gerade noch bei Dora?"
Das Mädchen kicherte nur und versteckte sich hinter ihren Locken – sie war wirklich niedlich.
Remus blickte auf, als hätte er vergessen, dass Eva noch dastand. „Äh... nein, das ist nicht einmal meine – dieses hier gehört jemand anderen und ich trage sie einfach mit mir herum, wie so ein Accessoire."
„Meinst du das sarkastisch?"
„Nein."
Eva war nur noch verwirrt. Zugegeben, so hatte sie Remus nicht kennengelernt, aber eigentlich hatte sie Remus nie wirklich kennengelernt.
„Wie auch immer", sagte Remus, „Eva, brauchst du irgendetwas? Ich weiß, das alles kann etwas überwältigend sein."
„Nein, nein, alles gut", versprach Eva und räusperte sich, um wieder Haltung einzunehmen.
„Ausgezeichnet – ansonsten kannst du dich jederzeit an einen der vielen Rothaarigen wenden – das ist Georges Familie und sie sind immer freundlich. Und wir gehen jetzt wohl und suchen deine Mum, Marta Junior."
Marta Junior kicherte wieder und Remus ging.
Eva fühlte sich wieder etwas verloren.
Sie wollte nicht direkt behaupten, dass sie es lieber gesehen hätte, wenn Remus irgendwie sein Leben nicht im Griff gehabt hätte, aber irgendwie nagte es schon an ihrem Selbstwertgefühl. Aber das war immer so, wenn sie einem Ex begegnete, der ohne sie ein Leben aufgebaut hatte, obwohl ihr ihr eigenes Leben gefiel, soweit einer Frau wie Eva das typische Hausfrauenleben mit Ehemann und Kindern nun einmal gefallen konnte – als eine Illusion der Perfektion vermischt mit der Vorstellung von Harmonie.
Später, als alle auf ihre Plätze gebeten wurden, setzte sich Evas Familie auf ihre Stühle – eher weiter hinten.
Eva konnte aber durch diese Stuhl-Hierarchie erkennen, wer Tia wichtig war und ganz vorne saßen diese Frau mit den beunruhigenden Narben und einige rothaarige Leute, sowie auch eine Frau mit goldenen Haaren, die wohl ihre Tochter von Remus zurückbekommen hatte, der wohl Tia hineinführen würde. Dort war auch Carla und sie unterhielt sich mit einer ebenfalls rothaarigen, eher dicklicheren Frau.
Ganz vorne bei einem kleinen altarähnlichen Aufbau standen die Brautjungfrauen – zwei Frauen, die eine in einem blassgelben Kleid, die anderen in ebenso blassgelben Hosen mit einem weißen Hemd. Wenn sie Brautjungfern waren, dann waren sie vielleicht die besten Freundinnen von Tia, die Eva nie kennengelernt hatte.
Der Bräutigam betrat zuerst die Szene – er kam von diesem Haus her, das so aussah, als dürfte es eigentlich gar nicht mehr stehen und es schien sich gegen jegliche Naturgesetze zu wehren, aber vielleicht war das auch nur Magie.
Man sah ihn schon von Weitem kommen, denn sein Umhang war knallgelb und diese Farbe stach sich wunderbar mit seinen ebenfalls roten Haaren.
Er grinste breit, als er mit seinem Trauzeugen den Gang zu dem Altar ging und alle Blicke sich zu ihm wandten und Eva war ehrlich gesagt etwas geschockt von seinem Aufzug.
Zuerst dachte sie sowieso, der Trauzeuge wäre der Bräutigam, nachdem er wenigstens ein wenig seriöser aussah, aber dann pfiff ein Mann in der Menge und rief laut: „Gut siehst du aus, Georgie!" und „Georgie" zwinkerte ihm zu und schickte einen Luftkuss in seine Richtung, bevor er seinen Platz vor dem Altar einnahm, während der Trauzeuge sich zu den Brautjungfern stellte.
Der Trauzeuge des Bräutigams hatte ebenfalls rote Haare, aber sein Aufzug – ein seltsamer Umhang – war pechschwarz und erinnerte Eva trotz seiner Eleganz eher an Begräbniskleidung. Erst da fiel ihr auch auf, dass er dem Bräutigam sehr ähnlich sah – zu ähnlich. Eigentlich sahen sie fast identisch aus, wenn man einmal die ebenfalls gelbe Schminke in Georges Gesicht vergaß, die ihn ein wenig wie ein Paradiesvogel aussehen ließ.
Dann kam auch die Braut.
Tia war wunderschön, obwohl auch ihr Aussehen eher an einen bunten – sehr gelben – Paradiesvogel erinnerte. Ihr Kleid war knallgelb – dieselbe Farbe, in der auch Georges Umhang war – aber aus einem seidenen, federleichten Stoff, der das Kleid wie aus Wasser erscheinen ließ, das sich an Tias perfekte Figur schmiegte, wenn sie ging oder sich irgendwie bewegte. Auch sie war auffällig geschminkt mit bunten Mustern im Gesicht, die sich schön von ihrer etwas dunkleren Haut abhoben.
Remus war an ihrer Seite und er strahlte ebenso, als er seine Tochter an den Gästen vorbeiführte, sie aber nicht ganz bis zu George führte, sondern ungefähr bis zum Rand der Sitzreihen, sie dann umarmte und sich selbst dann auf seinen Platz in der ersten Reihe setzte, während Tia die letzten paar Meter bis zu George beinahe schon rannte und sie grinste so breit, wie Eva sie noch nie gesehen hatte – ehrlich glücklich.
„Wow", hauchte Rosalie neben Eva, „Sie ist wunderschön!"
Eva war hin und her gerissen, ob sie ihrer Tochter zustimmen sollte oder nicht – so ein Aufzug war für sie nicht direkt geeignet für eine Hochzeit – obwohl sie die Hochzeitsbräuche von Zauberern nicht kannte – sondern eher für einen Maskenball, aber auf ihre eigene Art und Weise war Tia tatsächlich wunderschön.
Die Zeremonie selbst war... ungewöhnlich.
Irgendwie erinnerten die Worte vom Zauberer, der George und Tia traute Eva an ihre eigene Hochzeit, die aber in einer Kirche stattgefunden hatte. Zwischen diesen bekannten Worten riefen aber andauernd irgendwelche Leute dazwischen und Eva fragte sich, ob das einfach nur Zauberer-Bräuche waren oder einfach die seltsamen Leute, die Tia zu ihrer Hochzeit eingeladen hatte.
Als der Zauberer, der sie traute, fragte, ob jemand Einsprüche hatte, rief tatsächlich jemand dazwischen, aber als hätten sie es erwartet, stürzten sich Remus und die Frau mit den Narben auf diesen Mann und hielten ihn fest und hielten ihm den Mund zu, damit er nicht mehr reden konnte.
Anstatt allgemein in Panik auszubrechen, fanden das alle wohl lustig und keiner hinterfragte es lange. Evas Kinder fanden es auch zum Schießen.
Und dann küssten sich die Braut und der Bräutigam. Rosalie hatte Tränen in den Augen – Evas Jungs sahen beschämt weg.
Leute gingen danach zum Paar, um ihnen zu gratulieren, aber Eva hielt sich noch etwas zurück und brachte auch ihre Familie dazu, zu warten, bis die meisten wieder weg waren.
Erst, als sich alle ein wenig aufteilten und auch noch tanzten, redeten oder tranken, trauten sie sich vor, wobei ihre Kinder wieder einmal überhaupt keine Scham zu kennen schienen und sofort zu Tia eilten und Eva fiel auf, dass Tia sich offenbar tatsächlich freute, ihre Halbgeschwister zu sehen.
„Hey!", begrüßte sie sie, „Schön, dass ihr gekommen seid!"
Tia blickte kurz auf und sah ihre Mutter nur einen Moment lang an, sah dann aber wohl lieber wieder auf die Kinder.
„Du bist wunderschön!", staunte Rosalie begeistert und sah dann zu George, „Und du bist auch wunderschön!"
„Rosalie, bei Männern heißt das gutaussehend", erinnerte Eva sie, aber George schien da anderer Meinung.
„Also, Dankeschön, du bist heute die erste, die das zu mir sagt! Alle anderen denken wohl, nicht dass ich wunderschön bin!"
Tia sah ihren frischen Ehemann amüsiert an. „Du bist wunderschön, van Gogh."
„Danke!" George schien überglücklich zu sein.
Eva kannte ihn jetzt vielleicht ein paar Sekunden und wusste schon, dass er seltsam war.
„Sie sind dann wohl George", stellte Thomas sich höflich vor und schüttelte seine Hand, „Mein Name ist Thomas."
„Ah, der Stiefvater", grinste George, „Sie sehen weniger einschüchternd aus, als der Vater."
„Ich... nehme das einmal als Kompliment."
„Eine ausgezeichnete Entscheidung", lobte George, als würde er Thomas zu seiner Wahl auf der Speisekarte beglückwünschen, „Und ihr drei müsst dann wohl Tom, Stan und Rosalie sein? Lass mich raten... du bist Rosalie?"
George zeigte direkt auf Stan, der lachend den Kopf schüttelte. „Nein! Ich bin Stan!"
„Arg! Knapp daneben!", fluchte George, „Tia hat mir schon einiges über euch erzählt – offenbar kommt ihr Wahnsinn nicht nur von der Lupin-Seite."
Eva war ein wenig empört, dass er den Anstand hatte, das über ihre Kinder zu sagen, aber diese fanden das wohl lustig.
Tom sah George noch etwas kritisch an. „Mister, Ihnen fehlt ein Ohr."
Georges Lächeln verschwand sofort und er griff sich an die Seite seines Kopfes, wo tatsächlich statt einem Ohr nur ein Loch war. Er sah hilfesuchend zu Tia und rief entsetzt: „Tia! Ich habe schon wieder mein Ohr verloren! Tia! Hilf mir, es zu suchen!"
Tia verdrehte nur amüsiert die Augen und erklärte ihren Geschwistern: „Das fehlt ihm jetzt schon ein paar Jahre – deswegen nenne ich ihn van Gogh."
„Wie ist das passiert?", fragte Rosalie neugierig wie immer und Eva schnaubte erschrocken.
„Rosalie! Du kannst doch niemanden fragen, wie er sein Ohr verloren hat!"
„Oh, das ist doch kein Problem", winkte George lächelnd ab, „Mein ehemaliger Zaubertranklehrer hat es mir mit einem eigentlich tödlichen Fluch abgehext, als wir auf Besen versucht haben, Harry Potter von seinem Haus zu entführen."
Die Muggel sahen ihn verständnislos an und Thomas fand als erstes seine Sprache wieder: „Das klingt so absurd, ich fürchte, das stimmt sogar..."
George grinste. „Ihr werdet es wohl nie sicher wissen, oder?"
Später wurden alle versammelt, als sie die Torte anschnitten und die Torte war wirklich riesig und wunderschön.
Mehrstöckig ragte sie in die Höhe mit einem knallgelben Fondant, die den ganzen Kuchen scheinbar zum Leuchten brachte und dazu an einzelnen Stellen mit Blattgold noch verzierte Stellen. Aus der knallgelben Torte schienen Blumen zu wachsen, die im ersten Moment wie echt aussahen, aber auf dem zweiten Blick sich doch nur als Marzipan herausstellten, was diese eigentlich noch beeindruckender machte.
„Agnes hat sich wieder einmal selbst übertroffen", staunte einer der Gäste.
Und dann die Reden, wobei es so begann, dass auf einmal die Frau mit Narben auf einen Stuhl und dann auf den Tisch sprang und mit einem Messer gegen ihr Weinglas stieß.
„Okay, hallo alle zusammen! Ich habe mir gedacht, ich fange hier erst einmal mit einer Rede an! Für alle, die mich nicht kennen – ich bin Agnes und ich bin hier, nicht als Tias neue Schwägerin, sondern als ihre alte Schwester."
Eva stockte. Schwester? War das eine weitere Tochter von Remus? Auf was für einen Mann hatte sie sich da eingelassen?
„Natürlich waren wir nie durch Blut Schwestern, das hat uns das Schicksal wohl verwehrt", sprach Agnes weiter und Eva konnte sich etwas beruhigen, „Aber Tia – und auch Remus und andere hier – haben mir gezeigt, dass Familie nie bedeutet, durch Blut verbunden zu sein. Uns verbindet kein Blut, Tia – und auch kein dämlicher Familienstammbaum! Uns verbindet Freundschaft und viel mehr, als Blut – du hast mir das Leben gerettet und manchmal hast du mir auch gezeigt, dass es sich immer lohnt, weiter zu leben, selbst wenn das Leben immer das Gegenteil zu behaupten scheint. Dafür danke ich dir, Tia und ich verspreche dir, ich werde für dich und George und eure Kinder immer Familie sein, so wie ihr Familie für mich gewesen seid, als ich es am meisten gebraucht habe. Und wenn du und George dann nächstes Jahr zu dieser Zeit schon zu dritt seid –"
„Zu viert!", rief George dazwischen und kurz verstand es niemand.
„Zu... zu viert?", stammelte Remus und wurde seltsam bleich, „George, mein Junge, bitte sag mir nicht, dass es Zwillinge sind."
„Okay", grinste George breit, „dann sage ich das eben nicht... ich erfüllte dir doch immer gerne deine Wünsche, Dad."
Remus schloss langsam die Augen.
„Zwillinge!", rief die rothaarige, etwas dickliche Frau, „Zwillinge! Oh, es werden Zwillinge! Oh –" Sie stockte und wurde ebenfalls etwas bleich. „Oh... Zwillinge...", wiederholte sie, dieses Mal aber eindeutig weniger enthusiastisch und eher... ängstlich? Verstört?
Ein Mann lachte laut – etwas zu laut. „Ha! Ein Weasley-Zwilling bekommt Zwillinge! Die Hölle!"
„Hoffen wir auf gute Gene von Tia", hoffte Remus.
„Moony, hast du dich selbst kennengelernt?", fragte der Mann von vorhin und wackelte mit den Augenbrauen. Remus starrte in die Ferne und hinterfragte wohl gerade seine ganzen Lebensentscheidung.
„Und George", wandte Agnes sich nun auch an den Bräutigam, „Wir wissen beide, dass ich den attraktiveren Zwilling geheiratet habe –"
„Hört, hört!", schrie der Trauzeuge dazwischen und einige lachten.
„– aber du hast eindeutig die schönere Braut. Und damit meine ich nicht das Äußere! Tia ist die schönste Person, die jeder von uns jemals kennenlernen durfte – innerlich, denn sie ist immer fröhlich und immer heiter, selbst in den dunkelsten Zeiten und das haben wir alle gebraucht, oder nicht? Wir brauchen es aber jetzt auch – jetzt, da alles wieder ruhiger ist und ich wünsche euch beiden ein wirklich ruhiges, aber dennoch aufregendes Leben!"
Agnes sprang vom Tisch und stieß Remus nach vorne – offenbar sollte er die nächste Rede halten.
Remus räusperte sich und wollte zu sprechen beginnen, aber der Trauzeuge rief dazwischen: „Auf den Tisch, Remmy!"
Remus funkelte ihn böse an und schüttelte den Kopf, aber dann begannen alle Anwesenden im Chor „Auf den Tisch! Auf den Tisch!" zu rufen, also blieb Remus wohl nichts anderes übrig und eine schwangere Frau mit seltsamen, rosafarbenen Haaren half ihm hinauf.
Remus räusperte sich wieder. „Also... ich bin Remus, der Vater. Zugegeben, ich habe nicht gedacht, dass ich ein Vater werden würde – nicht nur biologisch gesehen, sondern auch... im tieferen Sinne. Ich habe deine ersten Jahre verpasst, Tia und ich werde mir das nie verzeihen, denn vielleicht, wenn du in meinem Leben gewesen wärst, hätte die Welt nicht ganz so hoffnungslos ausgesehen. Und als ich dich dann endlich kennenlernen durfte, habe ich nicht gedacht, dass ich es schaffen würde, dass du mich tatsächlich als deinen Vater sehen würdest und die ersten Jahre war das auch immer etwas seltsam zwischen uns, denn jedes Mal, wenn dir ein papá herausgerutscht ist, war die Situation einfach nur... grauenvoll und zuerst habe ich mir gedacht, dass ich dieses Wort niemals aus deinem Mund hören würde, wenn ich nicht gerade denke, dass du tot bist, wir eventuell gleich sterben oder ich mich von dir verabschieden muss."
Eva hatte keine Ahnung, was im Leben ihrer Tochter passiert war, aber plötzlich fühlte sie doch einen Mutterinstinkt und sie fragte sich, welchen Gefahren Tia ausgesetzt gewesen war.
„Aber dann hast du es zu mir gesagt, als du im Krankenhaus endlich aufgewacht bist und du hast mich angelächelt, als hättest du dich nicht gerade vor mich geworfen, um einen dämlichen Todesfluchabzuwehren –" Remus stockte und plötzlich waren da Tränen in seinen Augen. „Und... und ich habe nur daran denken können, dass du schon wieder eher mich beschützt hast, obwohl es doch genau andersrum hätte sein sollen und jedes Mal bin ich immer zu spät gekommen und ich habe dich immer nur in meinen Armen halten können, nachdem du den Schmerz schon hinter dir hattest und... und ich war einfach wirklich eine Niete als Vater und dann wachst du endlich auf, nachdem ich gedacht hatte, du würdest nie wieder aufwachen und lächelst und sagst einfach –"
„Ich bin froh, dass du da bist, papá", beendete Tia lächelnd den Satz für ihn.
Remus wischte sich tatsächlich eine Träne aus dem Augenwinkel und lächelte verweint. „Ja, genau. Ich... ich bin nicht gut in Redenhalten –"
„Du machst das super, Moony!", rief ein Mann in der Menge.
Remus musste lächeln, fasste sich aber wieder. „– und ich könnte wohl stundenlang Geschichten erzählen – ich kann mich zum Beispiel noch daran erinnern, wie ich George das erste Mal gedroht habe und er sich beinahe in die Hosen gemacht hat –"
„Beinahe?", lachte George nervös.
„– aber das würde wohl ziemlich peinlich werden – hauptsächlich für George, deswegen lasse ich das lieber und sage dir, dass ich dich liebe und ich habe es dir schon einmal gesagt, aber ich könnte nicht stolzer auf meine Tochter sein."
Es hielten auch noch die Brautjungfern eine kurze Rede und sprachen darüber, wie Tia und George sich kennengelernt hatten und der Trauzeuge fügte später noch hinzu, dass das alles nicht funktioniert hätte, wenn George an diesem Tag keinen Euphorie-Trank genommen hätte und der ältere Bruder von George erinnerte alle Anwesenden nur allzu gerne daran, dass Tia George beim Armdrücken geschlagen hatte – nur, damit die Frau mit den goldenen Locken ihn daran erinnerte, dass Tia auch ihn geschlagen hatte.
Die Frau mit den goldenen Locken wurde dann ebenfalls auf den Tisch gebeten und sie drückte das Mädchen mit denselben Locken – wohl ihre Tochter – in die Arme von Agnes, bevor sie hinaufstieg.
„Ähm... ich bin nicht gut in so etwas und ich werde versuchen, nicht die Stimmung zu ruinieren... aber, Tia, ich habe das Gefühl, nach all diesen Dingen, die andere über dich gesagt haben, die heute unter uns sind, solltest du etwas über dich wissen, das jemand von dir gedacht hat, der heute nicht mehr unter uns ist..."
Es wurde sofort still und eine bedächtige Stille legte sich über alle und Eva verstand, dass jemand gestorben war, den Tia gekannt hatte.
Tia sah man nicht an, was sie davon hielt – sie lächelte noch immer leicht und hatte den Kopf leicht zur Seite geneigt.
„Mein Bruder, Konstantin – für alle, die nicht das Glück hatten, ihn zu kennen, sollten wissen, dass er nicht immer einfach gewesen ist. Zu intelligent, zu talentiert und vielleicht auch zu eingebildet, als gut für ihn war. Nichtsdestotrotz hat es wenige Menschen in seinem Leben gegeben, die er geschätzt hat und diesen Menschen gegenüber war er absolut loyal. Ich, Sirius – natürlich, Dumbledore und dann auch noch du, Tia. Und damals, als er das erste Mal mit der Idee gekommen ist, dass wir dich unbedingt in unserer kleinen postapokalyptischen Gruppe brauchen, habe ich es zugegeben nicht verstanden. Ich habe dich kaum gekannt und habe nicht viel von dir gehört und Konstantin eigentlich auch nicht, aber irgendwie hat das wenige, das er über dich gewusst hat gereicht, um dich mitzunehmen. Kein einziges Mal war es ein Fehler. Jeder von uns im Rudel hat seinen Platz verdient und alle haben ihre Rolle gehabt und du warst keinen Moment lang eine Last und keinen Moment lang hat Konstantin an dir gezweifelt. Er hat dich wirklich sehr geschätzt und gemocht und wäre er heute hier, wäre er vermutlich betrunken und könnte gar nicht mehr reden, also sollte das auf jeden Fall nicht als Vorbild zählen, aber er ist ein wirklich wählerischer Mann gewesen, wenn es um seine Freunde ging und er hat kaum jemanden dazu gezählt – aber du warst eine Freundin für ihn."
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