Kapitel 4

"Hey, ich bin James", stellte er sich mit einem Grinsen vor und reichte ihr die Hand. Nur, weil er männlich war und scheinbar interessiert an ihr, griff Ava nach seiner Hand.

"Meinen Namen kennst du", meinte sie und das Grinsen des Jungen wurde nicht weniger.

"Wie alt bist du?", wollte er wissen und schien ihre Worte für bare Münze zu nehmen.

"166", antwortete Ava nüchtern und Phoebe neben ihr versteifte sich, denn das war tatsächlich ihr wahres Alter. Nur konnten Menschen nicht so alt werden.

James lachte lediglich, wie Ava es erwartet hatte. "Nein, ernsthaft", machte er, schien aber amüsiert.

Ava verdrehte die Augen und erhob sich nun endlich, bevor sie ihm ein fast schon schleimiges Lächeln schenkte. "Man fragte Frauen nicht nach ihrem Alter", erklärte sie mit einem Zwinkern und drängte sich ein Stück an ihm vorbei. Dabei lief sie fast in zwei Mädchen hinein.

Eine von ihnen hatte langes, schwarzes Haar, mit auffällig blauen Strähnen und so wie sie sich benahm, schien sie die Anführerin der kleinen Gruppe zu sein.

"Glaub nur nicht, weil du neu bist, dass du einfach so in unserem Revier wildern kannst", sagte sie und warf sich provokant das Haar zurück.

Ava beachtete sie nicht. Mit solchen Frauen oder generell mit Frauen, wollte sie nicht viel zu tun haben. Sie hatte Phoebe, das reichte als Freundin an der Schule.

Das Mädchen mit den blauen Strähnen blickte ihr mit großen Augen hinterher und schien nicht erfreut über Avas Reaktion. Diese konnte an ihrer Aura erkennen, dass sie wütend war und auf Rache sann. Mit ihr hatte sie sich keine Freundin gemacht, doch so wurde es nur interessanter. Sie wollte immerhin nicht, dass die Schulzeit zu langweilig wurde. Obwohl sie eine ganze Menge vorhatte, wenn sie die ganzen Jungen so betrachtete, die sich in den Fluren tummelten.

Luca trat an ihre Seite und kurz darauf kam das Mädchen mit den blauen Strähnen und schmiss sich ihm förmlich an den Arm. "Guten Morgen, Luca", sagte sie und klang verliebt, doch Luca schien sie zu ignorieren. Versuchte sie sogar abzuschütteln.

Ava drehte sich um und lief nun rückwärts, während sie Luca angrinste. "Ist das deine Freundin?", fragte sie mit einem schnurrenden Laut.

Luca schnaubte und löste die Hand des Mädchens von seinem Arm. Diese blieb stehen und erdolchte Ava mit ihren Blicken. "Ella ist keine Freundin", sagte er ruhig und leise, doch Avas Lächeln wurde nicht weniger.

"Sie scheint das anders zu sehen", meinte sie gut gelaunt und fand es lustig, wie beliebt Luca scheinbar war. Sie konnte noch immer die Schüler tuscheln hören. Darüber, dass Luca wohl eine Freundin hatte. Womit sie Ava meinten. Scheinbar wusste nur Dylan, dass sie seine 'Cousine' war. Wobei das natürlich auch nicht stimmte. Als Werwolf war Luca gar nicht mit ihr verwandt. Im Gegensatz zu den Vampiren, die tatsächlich alle mit ihr verwandt waren. Zumindest die reinrassigen.

"Mir egal wie sie das sieht", presste Luca durch zusammengebissene Zähne, aber leise genug, dass die anderen es nicht hörten.

Es gab nur einen Grund, warum er Ella duldete: Er wollte möglichst nicht auffallen. Und wenn er jedes Mal, wenn sie ihn nervte, einen Aufstand machte, würde er unweigerlich auffallen.

Die kleine Gruppe folgte den anderen Schülern und machte sich für die nächste Stunde bereit.

Heute war zum Glück ein recht kurzer Tag, doch die meisten Lehrer schienen der Meinung zu sein, dass sich Ava vor der Klasse vorstellen musste und so zogen sich die Stunden ein wenig. Als es dann endlich Mittagspause war, atmete die Vampirin erleichtert ein. Erst einmal musste sie sich wohl nicht mehr vorstellen oder zuhören. Sie konnte sich ganz darauf konzentrieren den Jungen zu finden, der zu ihr gehörte. Was gar nicht so einfach war. Sie hatte schon sehr viele Jungen gesehen, doch bisher war sie auf keinen angesprungen oder hatte etwas gespürt. Obwohl ihre Nervosität langsam nachließ. Im Grunde ließ man sie in Ruhe. Was vielleicht an Lucas und Phoebes Begleitung lag.

Beide schienen die Leute eher zu verscheuchen, als anzuziehen. Was Ava nicht so ganz verstand. Dennoch war sie froh darüber. Sie wollte nicht schon am ersten Tag von noch mehr Leuten wie Ella und James belagert werden.

Gleichzeitig würde diese Mauer, die beide bildeten, es aber auch schwer machen, mit anderen ins Gespräch zu kommen.

Ava folgte Phoebe und Luca in die Mensa, holte sich an der Essensausgabe etwas zu essen und setzte sich. Als Vampir konnte sie durchaus normale Nahrung essen. Es schmeckte sogar, machte ihr aber in zu großen Mengen Bauchschmerzen. Sie konnte auch keine Energie daraus ziehen. Aber für ihre Tarnung war das essentiell.

"Wer ist der blonde Junge dort? Der mit der Brille", fragte sie und nickte auf den Jungen, der sie bereits während der ersten Stunde immer wieder angeschielt hatte.

"Das ist Riley", erklärte Luca, der sein Essen mehr verschlang, als es zu genießen.

Phoebe hingegen stocherte ein wenig darin herum und schien nicht sonderlich hungrig. Ava begnügte sich mit den Brokkoli, den sie eigentlich ganz gerne aß. Zumindest in Maßen.

Das Schnitzel würde sie auch probieren, doch wohl nicht aufessen. Es war einfach zu viel. Bauchschmerzen konnte sie heute nicht gebrauchen.

"Wie ist er so?", wollte die Schwarzhaarige weiterwissen und hoffte auf Informationen von Phoebe, doch diese schien nur ihr Essen zu betrachte. Also richtete Ava ihren Blick fragend auf Luca, damit dieser wusste, dass er antworten sollte.

Er machte eine wegwerfende Handbewegung. "Er ist ein Freund von Dylan, aber im Gegensatz zu diesem eher ein Streber. Er liebt Technik, Computer und solchen Kram", erklärte Luca, als wäre Riley völlig langweilig.

"Verstehe. Ich finde ihn ganz interessant", verkündete Ava und erhielt somit auch Phoebes Aufmerksamkeit, die ein wenig grinste.

"Er wird also dein erstes Opfer? Keine gute Wahl. Wenn man dich mit ihm sieht, hast du sofort einen Ruf weg", meinte Luca und deutete mit dem Messer auf sie.

Ava lachte leise. "Ich muss ja nicht gesehen werden", schlug sie vor und kaute nachdenklich auf dem Gemüse, während sie ihren Blick weiter durch die Mensa schweifen ließ.

Es war an sich ein großer Raum mit vielen Tischen, der durchaus hätte gemütlich sein können, wenn nicht so viele Leute hier wären. Es war verdammt voll und so mussten sogar einige Schüler mit Tabletten warten, damit sie einen Tisch zum Essen bekamen.

"Du willst dich ihm also nach der Schule annehmen?", fragte Phoebe nachdenklich und rief in ihrem Kopf bereits alles ab, was sie über ihn wusste.

Ava nickte nachdenklich und nahm einen Schluck Orangensaft. Im Gegensatz zum Rest schmeckte dieser wenigstens. Sie war sehr wählerisch, wenn es ums Essen ging. Immerhin brauchte sie es nicht und sah keinen Grund darin, etwas zu essen, wenn es nicht schmeckte. Das war auch der Grund, warum sie ihr Schnitzel Luca zuschob. Als Werwolf aß dieser sowieso viel mehr, daher konnte er das zusätzliche Stück Fleisch sicherlich gebrauchen.

"Am einfachsten wirst du ihm wohl in der Bibliothek auflauern können", meinte Phoebe plötzlich leise. "Er ist dort mindestens einmal die Woche, um für seine Projekte zu recherchieren. Ansonsten ist er eher zuhause an seinem Rechner. Aber wenn er Internetprobleme hat, was recht häufig vorkommt, da er nur ein gewisses monatliches Kontingent hat, ist er im Computerbereich der Schule anzutreffen", erklärte die Grünhaarige und leerte ihren Teller.

Ava nickte. "Mit anderen?", fragte sie und suchte mit den Augen weiter nach Menschen, die sie interessieren könnten. Doch erst einmal würde sie sich um Riley kümmern. Seine Interessen klangen so, als würde sie damit in gutes Gespräch beginnen können. Ihre Schwester Eliza war auch ein Computergenie gewesen und von dieser hatte sie einiges gelernt.

Es würde ihr also nicht so schwerfallen, ihn in ein Gespräch zu verwickeln. Hoffte sie zumindest. Allerdings würde sie sich dennoch einen Weg überlegen, wie sie an ihn herankam, ohne dass andere sie sahen und dass es nicht zu zufällig wirkte.

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