4.Kapitel
Nur wegen dem Wind, der mir ununterbrochen entgegen weht, bin ich mir sicher, dass wir uns fortbewegen. Ansonsten spüre ich kein einziges Mal ein auf oder ein ab vom Laufen. Es fühlt sich schon fast so an, als ob ich fliegen würde. Der Wind hört auf, und ich höre wie etwas Schweres bewegt wird. Es könnte sich um eine Tür oder so was handeln, sicher bin ich mir aber nicht. Plötzlich lösen sich die Arme, die mich fest halten und ich stürze zu Boden. Ich stöhne vor Schmerzen auf, da ich nicht gerade sanft auf dem Boden aufgekommen bin. Mir wird an meinem Arm gezogen, sodass ich etwas tollpatschig zum Stehen komme.
"Sieh an, sieh an", sagt eine raue und kratzige Stimme. Sie hört sich so an, als ob sie schon alt ist. Und zwar wirklich alt. Ich höre nichts, doch dann spüre ich eine eiskalte Hand an meiner Wange. Erschrocken zucke ich zurück und ein kleiner Schrei entflieht meiner Kehle. Sofort wird mir eine weitere kalte Hand auf den Mund gelegt und ich werde noch fester festgehalten.
"Sie ist schön. Fast schon zu schön. Bring sie weg und komm dann wieder. Wir müssen reden", sagt wieder diese Stimme. "Und kette sie fest". Die Hände von meinem Gesicht verschwinden, jedoch zieht mich der jenige, der meinen Arm festhält, mich an meinem Arm, und ich stolpere hinterher. Ich falle einmal fast hin, da meine Beine echt eng zusammengebunden sind und ich dadurch eher hüpfe als laufe. Er, oder war es doch eine sie, merkt, dass ich fast gestolpert bin, und hebt mich hoch. So bewegen wir uns gemeinsam vorwärts, doch auch diesmal spüre ich es nur wegen dem Wind. Eine weitere Tür geht auf, und auch dieses Mal merke ich es nur, weil ich die Tür ins Schloss fallen höre. Plötzlich lösen sich die Arme um meinen Körper und ich schon wieder auf den Boden fallen gelassen. Meine Arme werden gelöst, und ich versuche um mich zu schlagen, treffe aber nichts außer die Luft. Ich höre das klirren von Ketten, und meine Hände werden festgehalten. Etwas Kaltes wird um meine Handgelenke gelegt, und ich werde in eine sitzende Position gebracht. Dann nimmt die Person, die bei mir ist, löst auch da erst die Fesseln, um dann meine Fußgelenke auch fest zu ketten.
"Sei still. Hast du mich verstanden?", fragt mich die Person. Die Stimme erinnert mich stark an die meines Begleiters, doch ganz sicher bin ich mir da nicht.
"Christian? Christian bist du das?", frage ich. Ich versuche meine Stimme stark klingen zu lassen, doch das gelingt mir nicht besonders gut. Sie hört sich einfach nur schwach an, genauso wie sich mein Körper fühlt. Meine Kräfte sind so gut wie aufgebraucht von dem langen Weg und der kurzen Nacht zur Erholung.
"Habe ich nicht gerade gesagt, dass du verdammt nochmal leise sein sollst?", fragt er mich erneut. Seine Stimme klingt wütend. Plötzlich spüre ich ein stechen in meiner Seite, und ich realisiere, das er mich gerade anscheinend getreten hat. "Hast du mich Verstanden?"
"Ja. Ja habe ich", bringe ich mühevoll heraus. Der Tritt hat die Luft vorerst aus meinen Lungen verbannt. Ich höre nicht, dass er sich bewegt, doch das wird mir klar, als ich die Tür wieder ins Schloss gehen höre. Was soll das denn? Und vor allem, wo bin ich? Ich kann doch unmöglich bei diesen Monstern sein, bei denen ich jetzt eigentlich sein sollte? Christian sieht doch so ganz anders aus als es immer beschrieben wird. Und wieso lebe ich noch, wenn es wirklich diese grauenvollen Monster sind? Alle denken doch, dass ich jetzt schon längst Tod bin. Mein Familie hat wahrscheinlich schon meine Beerdigung in Gange gesetzt, damit sie den Sarg, der nur ein paar meiner Sachen beinhaltet, unter die Erde zu setzten können, so wie wir es immer für die Ausgewählten Mädchen machen. Meine Gedanken schweifen zu meiner Familie. Wie es ihr jetzt wohl geht? Ob sie traurig sind? Nein ich glaube es nicht. Ich habe schon immer gespürt, dass ich nicht sonderlich wichtig in meiner Familie bin. Sie hassen mich gerade wahrscheinlich sogar dafür, dass sie meine Beerdigung aus eigener Tasche bezahlen müssen, da ich einfach nichts an Ersparten Sachen habe, die sie dafür benutzen könnten. Aber sie sind das doch selbst Schuld. Schließlich haben sie sich immer Geld von mir "geliehen". Ich habe nie das Geld zurückbekommen, oder eine Gegenleistung oder so etwas in der Art. Und arbeiten war ich auch nie. Nicht mal eine Ausbildungsstelle habe ich, da ich einfach schon immer unerwünscht war und mich keiner haben wollte. Die einzige Person, die gerade wahrscheinlich um mich trauert ist meine kleine Schwester Maja. Ich liebe dieses kleine Mädchen einfach, und jetzt habe ich sie alleine gelassen. Ich werde es mir wahrscheinlich nie verzeihen, dass sie jetzt mit unseren Eltern alleine leben muss. Sie ist doch noch so klein, und wenn sie nicht einen Freund findet, der sie dann auch noch Heiratet, wird es ihr vermutlich genau so ergehen wie mir. Das darf ich als große Schwester nicht zulassen, doch wie soll ich es verdammt nochmal verhindern. Ich weiß es einfach nicht, doch ich hoffe, dass sie ein besseres Leben leben wird, als ich es gelebt habe. Ich habe gar nicht gemerkt, dass mir die Tränen über die Wangen laufen, bei dem Gedanken an meine Schwester, bis ich laut aufschluchzen muss.
"Habe ich nicht gesagt, du sollst leise sein?".
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