Kapitel 69. Violett

*Eine Stunde zuvor*

Es war Punkt 1 Uhr nachts, als ich aus meinem Bett stieg und tief durchatmete.
Heute war es soweit. Nach ganzen 9 Tagen, werde ich diese Menschen verraten. Ein klein wenig fühlte ich mich schon schlecht. Immerhin konnte ich den Ursprung der Entstehung der Rebellen nachvollziehen. Es ist nur natürlich, dass sich eine Spezies auflehnt, wenn diese eingesperrt wird. Seufzend vergrub ich mein Gesicht und zögerte. Ich zögerte ernsthaft, weil mir zumindest mein Großvater nicht egal war. Er hatte sich wirklich Mühe gegeben und ich verriet ihn jetzt. Wenn es doch nur eine Chance gebe, wenigstens ihn zu retten und ihn dazu zu überreden ein ruhiges Leben irgendwo auf der Welt zu verbringen, dann würde ich sie ergreifen. Aber so wie ich ihn kannte.....Nein....so wie er gelächelt hat, als er diesen jungen Vampir tötete, würde er niemals auf so etwas eingehen. Es war vergebens.
›Alex?‹ fragte ich gedanklich, weil ich ihn gerade an meiner Seite brauchte.
›Luna mea?‹, fragte er und ich konnte deutlich das Schmunzeln heraushören.
Allein seine Stimme zu hören, beruhigte mein Herz. Sein dummer Akzent. Dachte ich lächelnd.
›Wann hast du eigentlich bemerkt, dass du mich magst?‹ fragte ich und stand im selben Moment auf. Ich zog mir die Stiefel an und verließ nur in meiner Uniformshose und einem schwarzen Top, mein Zimmer.
Während ich mich durch die dunklen Gänge schlich, redete ich über unsere intensive Gedankenverbindung mit Alex. Es waren lockere Themen und eigentlich fast wie smalltalk. Aber letzten Endes half mir das, mich nicht einsam in der Dunkelheit zu fühlen und gab mir gleichzeitig Kraft, dass da jemand war, der auf mich wartete.
Und als ich hinaustrat, die Nachtluft mir entgegen schlug, musste ich schmunzeln. Alex war unverbesserlich. Wieso konnte er nicht einfach meine Frage beantworten. Den Kopf schüttelnd, alberte ich weiter mit ihm herum und entschied mich dann einfach meine Gründe zu erst mitzuteilen. Ich dachte an diese Momente zurück, während ich zielgerichtet durch die Dunkelheit schritt.
Als Alex begann in meinen Träumen aufzutauchen. Am Anfang war ich so misstrauisch gewesen und irgendwann gefiel es mir. Aber wo er wirklich mein Herz eroberte war zu der Zeit, als meine Eltern starben. Also da hatte er mich vollständig sein Bann gezogen. Davor war es eher eine Art verknallt sein oder vielleicht sogar schon verliebt sein. Aber danach spürte ich echt liebe gegenüber ihn. Und das er Mietzie war bestätigte alle meine Gefühle noch einmal. Denn Mietzie war ja wirklich immer an meiner Seite gewesen.
Ich versteifte mich, als ich mich hinter einer Ruine verstecken musste, weil Rebellen, die Nachwache hielten, meinen Weg kreuzten.
Wieder bekam ich Angst, was sie mit mir anstellen würden, wenn sie erfuhren, dass ich sie alle verraten würde. Ich blieb mehrere Minuten einfach an der wand gelehnt stehen und atmete tief durch.
›Deinem Mann?‹, ertönte Alex Stimme in meinem Kopf. ›Ist das ein Antrag? Wenn ja, ist das traurig. Ganz, ganz traurig.‹
Wieder beruhigten mich seine Worte, dennoch stellte ich sofort etwas klar: ›Was? Nein! Also wenn dann wäre das deine Aufgabe, mir einen Antrag zu machen.‹ und damit stieß ich mich ab und lief weiter. Ich hatte mitbekommen, dass Ben das Handy in sein Büro abgelegt hatte. Und da ich zum Glück genügend Zeit hatte, mir alles zu merken, wusste ich, wo dieses genannte Büro war.
Angespannt betrat ich die einzige Ruine, die fast vollständig erhalten geblieben ist. Sie erstreckte sich über zwei Stockwerke. Und zu meinem leid, musste ich auch ins zweite Stockwerk.
›Ich? Ich bin der König, Luna mea. Warum sollte ich das tun? Die Vampire buhlen um meine Aufmerksamkeit. Ich werde mir die Mühe nicht machen‹, neckte Alex mich ganz offensichtlich und ich konnte sein grinsend regelrecht spüren.
Ich schüttelte schmunzelnd den Kopf und lief die Treppe hinauf. An der nächste Ecke drückte ich mich an an die wand. Den Kopf in den langen Flur gedrehte, sah ich einmal nach rechts und dann nach links. Als niemand zu sehen oder zu hören war, bog ich links ab.
›Pfff, dafür hast du aber ganz schön lange um meine Aufmerksamkeit gekämpft.‹ gab ich zurück, als ich direkt vor der Tür am Ende des Gangs stehen blieb. Noch einmal sah ich mich um, bevor ich versuchte das Büro zu öffnen.
Sie war offen? Dachte ich verblüfft.
Ich hätte echt erwartet, dass sie verschlossen sei.
Irgendwie erfasste mich ein mulmiges Gefühl. Aber die Diskussion mit Alex, wer hier wem als Esten nachgab, lenkte mich ab. Ich trat in das Büro ein und schloss leise die Tür hinter mir.
Es war ein kleines Büro. Ein Bücherregal. Ein Tisch voller Dokumente für Waffenherstellung und anderen Plänen. Und ein Schreibtisch mit Bürostuhl.
Ich zeigte dem Tisch nicht viel Beachtung und begann stattdessen das Telefon zu suchen. Ich öffnete jede Schublade in dem Raum und durchwühlte diese. Und als ich nach nicht einmal Zwanzig Minuten das Handy in der untersten Schublade von dem Schreibtisch fand, hinterfragte ich das nicht. Zu sehr war ich von Alex Gedanken abgelenkt und von der Situation, dass ich jederzeit erwischt werden könnte. Also lief ich Richtung Ausgang, aber bevor ich das Büro verließ, schnappte ich mir ein paar Pläne, die auf dem Tisch lagen. Ich stopfte sie mir in meinen BH und eilte hinaus. ›Gut, ich geb dir den Punkt, wenn du zugibst, dass du mich schon von Tag eins wolltest.‹ ertönte Alex stimme wieder in meinem Kopf, als er mir endlich zugestand, dass ich recht hatte.
Ich antwortete nicht.
Zumindest nicht sofort, weil ich mich erstmal in Sicherheit bringen wollte.
Ich lief mit schnellen Schritten aus dem Gebäude und steuerte Ruinen an, die etwas abseits waren. Einfach, weil ich nicht wollte, dass Alex mitten im Lager auftauchte. Und als ich in der Gasse, zwischen zwei Ruinen stehen blieb. Atmete ich erleichtert aus. Ich hob das Handy hoch und lachte. ›Weißt du was, wie wär's wenn ich es dir einfach zeige.‹ antwortete ich dem Vampirkönig und schaltete das Handy im selben Moment aus. Damit musste das Signal bei ihm zu sehen sein. ›Ich warte hier auf dich. Bis gleich, mein Herz.‹ schickte ich ihm meine Gedanken mit pochendem Herzen.

Keine zwei Minuten später tauchte Alex direkt vor ihr auf. Seine Schatten blieben, wankten wegen des Silbers jedoch.
Er packte mich am Hals, drückte mich mit seinem Körper an die Mauer und beugte sich hinab. Seine Lippen schwebten über meinen, als er dunkel und rau raunte: »Du wirst mich nie wieder verlassen. Hast du das verstanden? Nie wieder.«
Er wartete gar nicht erst auf meine Antwort, sondern legte seine Lippen auf mein und küsste mich. Erst wild und verzweifelt, dann jedoch wurde die Berührung sanft und fast verzweifelt liebevoll.

Ich keuchte in den Kuss, weil er so viele Emotionen auf einmal in mir auslöste. Ich hatte ihn mit ganzen Herzen vermisst. Sein Duft, seine Berührungen, seine Stimme, sein Akzent.....alles. Ich liebte alles an ihm. Mit dem Handy in der Hand blickte ich in seine Augen. »Ich werde dich nie wieder verlassen, Alex. Aber damit dir nichts passiert, sollten wir verschwinden.« flüsterte ich und genauso meinte ich das auch. Denn ich hatte Angst um ihn. Seitdem ich die neue Waffe gesehen habe, kämpfte ich mit der Angst, dass sie Alex erwischen könnten.

»Weg?« Erneut küsste er mich, diesmal lange und leidenschaftlich. Dann legte er seine Hand auf meine Wange. »Luna mea, ich werde nicht gehen. Die Rebellen wissen nicht, dass ich hier bin.« Er sah mich an, als müsse ich verstehen, was er sagte. »Ich werde kämpfen. Ich werde sie alle töten. Heute Nacht.«

Meine Augen weiteten sich. »Alex, du hast die Waffe gesehen. Wäre es nicht besser, sich erst zurückzuziehen und dann mit einem Plan anzugreifen?« fragte ich, doch gleichzeitig kam mir der Gedanke, dass das auch Schwachsinn war. Denn sobald die Rebellen merkten, dass ich verschwunden war, würden sie Vermutungen anstellen und ihre Sicherheit erhöhen. Es war also doch jetzt die beste und einzige Möglichkeit sie allesamt...... auszulöschen. Bei dem Wort musste ich schwer schlucken. Und mein ohnehin schnell pochendes Herz, wurde noch schneller.
Auslöschen.
Ja, ich musste einfach zugeben, dass ich mit einigen Menschen Mitleid hatte. Und am meisten würde es mir bei meinem Großvater weh tun. Meine Eltern hatte ich durch einen Vampir verloren, weil ich naive war. Und ihn würde ich auch durch einen Vampir verlieren, weil ich mich in einen verliebt habe.
Das glich einer Tragödie.
Ich seufzte. »Nein, du hast recht. Heute Nacht ist der beste Zeitpunkt.« stimmte ich nachdem Gedankengang doch zu.

Da seine Hand noch an meinem Hals lag, strich er mit dem Daumen über meinen Kiefer und die halbe Wange. Alex sah sich die Verfärbung an und die Schrammen an meinem Auge. Seine Aufmerksamkeit huschte weiter und erfasste jede Stelle, die verletzt war, und zwar verheilte, aber noch Zeit benötigte. »Das alles war Victor, oder?«, fragte er heißer und Zorn und Hass blitzte in seinen Augen auf. »Nichts davon waren die Rebellen?«

Ich nickte. »Ja, die Rebellen haben mir nicht wehgetan. So wie ich aussah, wäre das auch unnötig. Aber mir geht es gut. Sei Victor nicht böse.« erwiderte ich und versuchte zu lächeln. Ich weiß, dass ich immer noch ziemlich ramponiert aussah und ich den Schmerz, den mir Victor hinzugefügt hatte, nicht so leicht vergessen konnte. Aber es war notwendig und daher würde ich nicht drauf rumreiten.

Auch er nickte und als könnte er es einfach nicht lassen, küsste er mich wieder und wieder. »Bleib hier, in Sicherheit. Egal, was du hörst, egal, was du siehst. Bleib hier. Und«, erneut beugte er sich vor und legte die Lippen sanft auf meine, »wenn etwas schiefgeht, wirst du dennoch hierbleiben und behaupten, du hast von nichts gewusst.« Er sah mir tief in die Augen. »Hast du das verstanden?«

Ich nickte nur zögerlich. »Ich weiß, wo ihre Waffen sind. Das Gebäude solltest du zuerst zerstören. Und versprich mir, dass du, sobald du nur eine Silberkugel abbekommst, diese sofort aus deinem Körper holst und so weit wegschmeißt, wie es nur geht. Denk daran, sie explodieren« erinnerte ich ihn an diese Grausamkeit.
›und ... kann ich wirklich nichts tun?‹

»Bist du sicher, dass sie die Waffen schon hier lagern, wenn sie sie erst entwickelt haben?«, fragte er. »Victor kümmert sich gerade darum. Es dürfte nicht lange dauern und der Berg müsste in sich zusammenfallen. Ich nehme an, dass sie den ganzen Sprengstoff dort lagern, ist jetzt für uns ein guter Vorteil.«

»Du hast Victor alleine das machen lassen? Was, wenn ihm etwas passiert? I...ich weiß ja, dass er eh bereit ist zu sterben, aber trotzdem mach ich mir sorgen.« sagte ich und versteifte mich etwas. Hoffentlich passierte ihm nichts. Dachte ich und kaute auf meiner Unterlippe herum, bevor ich mich wieder an Alex wandte. »Großvater hat gesagt, dass die Waffen bereit sind. Ich habe einfach das Gefühl, dass hier eine bestimmt schon liegen wird. Wenn Ben sie nicht schon bei sich trägt. Ich finde das alles merkwürdig. Wie war es möglich, dass ich das Handy so schnell fand? Ob das nur Zufall war?« wurde ich immer leiser und nachdenklicher.

Alex kniff die Augen zusammen. »Warum hast du es genommen, wenn du ein schlechtes Bauchgefühl hattest? Du hättest-«
Er konnte den Satz nicht zu Ende sprechen, da plötzlich etwas auf ihn gekippt wurde. Von oben und beiden Seiten. Ihm entkam ein Zischen und er atmete ein, was ein großer Fehler war. Alex hustete bitter und blinzelte das ganze Silberpulver aus seinen Augen. Seine Schatten stoben auf und erloschen dann vollkommen. Er taumelte an die Wand in seinem Rücken und versuchte, weiter Luft zu holen, als jemand sagte: »Wie gut, dass du es nicht schaffst, dich nicht zu 100 % auf deine Umgebung zu fokussieren, wenn du dabei bist, mit Violett zu spielen. Zumindest für uns.« Bens Blick huschte zu mir. »Dachtest du, ich wäre dumm genug, das Handy einfach so herumliegen zu lassen?« Er grinste böse, ehe es verschwand und Abscheu aufblitzte. »Ich wusste, dass du uns verrätst. Ich hatte gehofft, es wäre nicht so, aber ich bin froh, dass dein Großvater meinen Vorkehrungen hierfür zugestimmt hat. Du bist und bleibst sein Schoßhündchen, hm? Es ist peinlich, V. Einfach nur peinlich.«

Panik erfasste mich, als ich Alex so sah. Nein. Ihm durfte nichts passieren.
Jedem aber nicht ihm!
Meine Panik wurde zu Wut, als ich Ben entgegenblickte. »Du bist Abschaum Ben! Ich hasse dich, seitdem du Mihaela auf dem Gewissen hast! Ich dachte wirklich wir wären Freunde. Früher...bevor du dich als Rebell herausgestellt hast. Und ich bereue meine Entscheidung kein bisschen. ICH WÜRDE MICH IMMER WIEDER FÜR IHN ENTSCHEIDEN!« schrie ich nun.

Ihm entkam ein Knurren und er stellte mich vor mich, als Ben sagte: »Sei sauer, es ist mir egal. Ich kann von mir behaupten, dass ich auf der Seite der Guten stehe.«
Neben ihm tauchte mein Großvater auf und sah mich verletzt und dann zornig und enttäuscht an. »Ich hatte Benjamin nicht geglaubt, doch ...« Er sah zu Alex. »Du bist wohl nicht mehr zu retten, meine kleine Violett.«

Mir stockte der Atem, als ich Großvater sah. »Bei dir tut es mir am meisten leid. Ich habe so viel nachgedacht, wie i ch wenigstens dich retten kann.« erzählte ich und zeigte mich plötzlich verletzlich. Er war immerhin meine Familie. »Aber als ich dein Lächeln sah, als du diese Vampire getötet hast, war mir klar, dass du niemals Frieden im Sinn hattest. Ich frage mich wirklich, was euch noch von den Vampiren unterscheidet. Ihr wollt sie ja auch nacheinander abschlachten. Für mich gibt es keinen Unterschied mehr. Für mich seid ihr genauso die Bösen, wie die Vampire.« beendete ich und sah mit einem enttäuschten und gleichzeitig auch entschlossenen Blick.

Alex knurrte tief und bekam nach mehreren Hustern endlich wieder Luft.
›Ich kann aktuell keine Macht nutzen.‹
Ihr Großvater verzog das Gesicht. »Nein, wir befreien die Menschheit, Violett. Und das tun wir, indem wir nur einen einzigen Vampir auslöschen.«
Er musste Ben das Zeichen nicht geben, als der die Waffe hob und schoss. Alex schubste, mich brutal an die Wand, schrie mir zu, ich solle wegrennen und stürzte sich auf die Rebellen, die vor ihm standen. Ehe er Ben jedoch erreichen konnte, selbst mit der übernatürlichen Schnelligkeit, sprangen ihm um die zwanzig Rebellen in den Weg. Alex tötete sie schnell und unnachgiebig, doch es kamen immer mehr nach. Gott sei Dank, trugen sie nicht alle diese speziellen Waffen und die Kugeln, die ihn trafen, ignorierte Alex.
Er schaffte es fast aus der Gasse raus, da sah er aus den Augenwinkeln, dass von hinten Rebellen auf mich zuliefen, die in den wenigen Sekunden bisher nicht reagiert hatten.
»LAUF!«

Ich zuckte zusammen und sah Alex an. »Denk an die Sprengkörper!« rief ich zurück und rannte endlich los.
Alles sträubte sich dagegen. Ich würde am liebsten bei Alex bleiben. Aber was ich mir gerade am meisten wünschte, während ich durch die Gassen rannte war, dass ich einfach die Zeit zurückdrehen könnte. Zu der Zeit, wo mein einziges Problem noch darin bestand, wie ich meine Eltern retten könnte.

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