Kapitel 53. Violett

In einer Ecke sitzend, die Beine an meinem Körper gezogen und den Kopf zwischen meinen Armen auf meine Knie abgelegt, saß ich schon seit Stunden da. Seitdem ich mit einer Augenbinde und Kopfhörern hierhergebracht wurde. Ich wurde komischerweise nicht in eine Zelle geschmissen, sondern saß in einem Zimmer. Es war nicht ansatzweise so groß, wie mein Zimmer im Palast, aber es hatte ein Bett, einen kleinen Schrank und ein kleines Badezimmer.
Trotzdem hatte ich hier nichts angefasst und mich einfach in die Ecke verkrochen. Die Wände waren kahl und kalt. Es gab kein Fenster.

Ich hatte keine Ahnung, wie viel Uhr es war und wo ich mich befand. Ich hatte nicht einmal mein Handy dabei und konnte Alex über unsere Verbindung nicht erreichen.

Ich hoffe, es ging ihm gut. Ich habe nur noch gesehen, wie plötzlich Ben sich komplett verändert hatte und eine Waffe auf Alex zielte. Danach wurde ich bereits grob aus dem Gebäude gezogen. Ich hatte mich natürlich gewehrt und wollte zurück zu dem Mann, den ich liebte, aber sie hatten mich nicht gelassen. Die Rebellen hatten mir stattdessen die Hände verbunden, dann die Augen und dann hatte ich Kopfhörer aufbekommen.

Die gesamte Zeit, hatte ich weder etwas gesehen noch gehört. Ich hatte versucht mit ihnen zu reden, aber niemand hörte mir zu und reagierte auf mich. Erst als ich in dieses Zimmer geschubst wurde, wurden mir alle Fesseln abgenommen. »Was ist hier nur los...« murmelte ich traurig und vermisste Alex.

Jemand klopfte an, wartete aber nicht und trat in den Raum ein. Nun in der Kleidung eines Rebellen schloss Ben die Tür hinter sich und lief auf mich zu. In seiner Hand hielt er ein Tablett mit essen und einem Krug Wasser.
»Hey, wie gehts dir?«

Ich hob den Kopf und blickte ihn an.
War das denn noch Ben? Er war plötzlich so anders. »Gehörst du.....zu den Rebellen? Von Anfang an?« fragte ich zögerlich und sah nur ihn an. Er hatte das nur gespielt oder....wie darf ich das verstehen? Ich war so durcheinander.

Er kniete sich vor mich, sah mich an und nickte. »Ja, ich gehöre zu den Rebellen. Ich bin der erste Kommandant. Deswegen hat man mich ausgewählt, um sich beim König einzuschleusen.«

Der erste Kommandant?
Er wirkte komplett wie ein anderer Mensch. Das war nicht mehr der Ben, den ich kennengelernt habe. »Wieso?« fragte ich nur und sah ihn an. In meinen Augen war zu erkennen, dass ich ihn nun als verräter sah.

»Das fragst du mich wirklich? Wieso?« Stirnrunzelnd schüttelte er den Kopf und begann, das Essen vor mir zu verteilen und mir Trinken einzuschenken. »Sieh mich nicht so an, als sei ich ein Arsch.«

Ich beugte mich vor und schmiss mit einer einzigen Armbewegung das gesamte Essen um. Es verteilte sich auf dem Boden und ich starrte Ben wütend an. »Ja! Das frage ich! Wieso hast du das getan? Du wusstest, was ich für Alex empfinde, und dennoch hast du auf ihn gezielt! Was bist du für ein Freund? Bist du überhaupt ein Freund oder mein Feind?«, schrie ich ihn an und mein Brustkorb hob und senkte sich schnell.

Er sah seufzend auf das Essen und wischte sich die Brotkrümel aus dem Gesicht, die ihn getroffen hatten. »DAS war unnötig, aber was soll's.« Ben sah mich an, die Arme auf seinem Knien abgestützt. »Eben weil ich ein Freund bin, habe ich dich da rausgeholt, Violett Luna. Eben weil ich weiß, was du für das Arschloch von Monster fühlst, haben wir dich gerettet. Also wenn du mich fragst, bin ich ein verdammt guter Freund.« Sein Blick wurde ernst. »Und dass dein Alex jetzt nicht schon tot ist, ist, wenn du mich und alle Rebellen, wahrscheinlich auch alle anderen Menschen fragst, eine Schande. Hätte Victor ihn nicht getarnt, hätten wir ihn dort geköpft. Nur leider ist die Gabe des Blonden Wichser ziemlich nützlich. Es ist wohl unser Versäumnis, dass sie ihn nicht besser getroffen hatten und er deshalb noch reagieren konnte und seinen König gerettet hat.«

Das Einzige das ich bei seinen letzten Sätzen wahrnahm, war, dass Alex lebte. Zum Glück. Dachte ich und wünschte, ich könnte seine Stimme in meinem Kopf hören.
Ich blickte zurück zu Ben. Nein, das war nicht mehr Ben. Er war nun ein gänzlich anderer Mann.

»Du bist nicht mehr mein Freund. Ich habe zudem nicht nach eurer Hilfe gefragt. Ich wollte nicht gerettet werden! Wie kannst du es wagen, Entscheidungen über meinen Kopf hinweg zu treffen!? Wie?!«, wurde ich wieder laut und biss mir hart auf die Unterlippe. So hart, dass sie begann zu bluten.

Miha....
Dachte ich und hörte auf damit. Ich wusste nicht, wie es ihr und Victor ging, aber ich hoffte, dass beide nicht schwer verletzt wurden.

Nun entkam ihm ein kleines, sarkastisches Lachen. »Ach? Ich bin der Böse, der dich von dem Prinzen gestohlen hat? Scheiße, du bist ja so verknallt, dass es schon fast bescheuert ist«, amüsiert er sich. »Wie viele Entscheidungen haben dir Vampire abgenommen? Huh? Du wurdest gezwungen, dich dem Penner als Blutsklavin anzubieten. Du wurdest gezwungen, den Vertrag zu unterschreiben und dich beißen zu lassen. Wo war da deine Entscheidungsfreiheit? Dass du dich jetzt von ihm ficken lässt, ist keine Entschuldigung dafür. Schon mal was von dem Stockholm-Syndrom gehört? Du hast dich schlichtweg in deinen Kerkermeister verknallt. Das geht vorbei, Violett. Oder willst du mir sagen, dass es auch so gekommen wäre, wenn du nicht zu ihm geschleppt worden wärst?« Ben sah mich fragend an. »Deine Eltern würden sich im Grab herumdrehen, V.«

Mein Herz setzte aus und ich starrte ihn fassungslos an. So schnell, dass ich es nicht mehr aufhalten konnte, flog meine Hand in sein Gesicht und ich klatschte ihm ein.
Nein. Das hier war auf keinen Fall mehr Benjamin. Sein Gesicht war zur Seite gedreht und ich stand ruckartig auf. Ohne etwas zu sagen, rannte ich an ihm vorbei und zu Tür. Meine Hände legten sich auf die Türklinke und ich zog an dieser. Aber....
Sie war verschlossen.
Verzweifelt rüttelte ich an dieser Tür. »Lasst mich raus! Sofort! Hilfe!« schrie ich und schlug mit der Innenseite meiner Faust auf das Metall ein.

Er stand auf und wackelte mit dem Kiefer. »Das war auch unnötig.« Sich zu mir drehend, verschränkte er die Arme vor der Brust. »Du denkst wirklich, du bist was Besonderes für ihn? Scheiße, weißt du, wie viele Blutsklaven dein süßer Alex vor dir in deinem Bett hatte? Nur weil ihr dieses Vampir-Gedanken-Ding habt, bist du nicht mehr wert als die anderen. Für ihn nicht.«

»Halt die Klappe!« fuhr ich ihn an. »Alex liebt mich. Und du und ihr ALLE werdet mich nicht von ihm fernhalten können. Er mag ein Monster sein. Aber nicht zu mir. Ich, im Gegensatz zu dir, habe mit ihm geschlafen, weil ich ihn mochte. Du dagegen, hast dich wie ein echtes Spielzeug behandeln lassen. Du bist derjenige, der mich anwidert!« Wieder rüttelte ich an der Tür und schrie, dass sie mich rauslassen sollten.

Ben war blitzschnell bei mir und packte mich grob an der Schulter. »Ich hab' mich von diesen widerlichen Monstern ficken und beißen lassen, um DICH da rauszubekommen!«, brüllte er nun mit zusammengebissenen Zähnen und drückte mich brutal an die Tür. »Der Gefallen, dem ich jemand Schulde, erinnerst du dich. Das war der Preis, den ich zahlen musste. Und weißt du was, ich bin stolz darauf, dass ich es nicht freiwillig getan habe. Denn DU bist hier die Verräterin, Violett. DU hast die Menschheit verraten, die in Sklaverei und wie Vieh eingesperrt lebt, verraten, indem du dein Herz an ein Monster verschenkt hast. Wie fühlt es sich an, Liebe«, er betonte das Wort abfällig, »über das Wohl und die Freiheit Millionen Menschen zu stellen?«

Mit geweiteten Augen sah ich zu ihm hoch. An die Tür gedrückt und von ihm angesehen, als wäre ich wirklich der Abschaum. Ich habe niemals erwartet, dass jemand die Beziehung zwischen mir und Alex verstehen würde. Es war unmöglich. Doch machte es mich zum schlechten Menschen, wenn die Liebe zu Alex mir wichtiger war als die Menschen, die unter seiner Herrschaft litten? Ja vermutlich für die Menschen war ich eine Verräterin. Für mich selber war ich das nicht. Als könnte ich alleine die Menschheit retten. Was machte es da schon aus, ob ich einen Vampir liebte oder nicht. Genau gar nichts. Ich fasste mich langsam wieder und stelle eine Frage: »Weshalb bist du so weit gegangen, um mich rauszuholen, obwohl ich es nicht wollte?«

Ben ließ von mir ab und lachte dann leise. »Weißt du, was das Schlimmste ist, du hattest die besten Möglichkeiten, ihn zu töten und jeden verdammten Vampir mit ihm auszulöschen. Aber du verliebte Göre hast nur vor dich hin geschwärmt und nicht gesehen, dass du uns alle hättest aus den Krallen der Bestien befreien können. Jetzt müssen weitere Hunderte Rebellen, MENSCHEN, streben, bis wir ihn zu Asche verwandelt haben«, sagte er und fügte dann hinzu, um meine Frage zu beantworten: »Wir sind so weit gegangen, weil ich, wie zuvor erwähnt, eine Schuld einzulösen hatte und du letztlich zu dem geworden bist, was wir gesucht haben.« Ben sah mir in die Augen und grinste. »Der Schwachpunkt des Vampirkönigs. Also muss ich dir wohl doch den Punkt zugestehen, dass deine Gefühle für ihn, oder besser, seine für dich, das Ende unsere Gefangenschaft einläuten werden.«

Sprachlos sah ich Ben an. Sie wollten mich, um Alex zu töten? Das....nein.... Das konnte ich unmöglich zulassen. »Das lass ich nicht zu...« flüsterte ich nur, sah an ihm vorbei zu dem Besteck, dass ebenso neben dem Essen auf dem Boden lag.
Das lass ich nicht zu.
Ich drückte mich an Ben vorbei und rannte zurück zu dem Essen. Das Messer in meiner Hand, drehte ich mich herum, wodurch mein langes Haar umherflog und drückte das Messer an meine Kehle.

So lange mir der Kopf nicht abgetrennt oder etwas durch mein Herz gestoßen wurde, würde ich Mihaela nicht in Gefahr bringen. Sie würde leben.

»Bevor ihr das hinbekommst, bringe ich mich lieber um. Dann hat Alex nichts mehr zu verlieren.« lächelte ich und begann das Messer an mein Hals zu drücken. Blut trat hervor und rollte meinen Hals hinab in Dekolleté.

Ben fluchte, rannte auf mich zu und hebelte mir das Messer aus der Hand, ehe ich mich wehren konnte. Dann nahm er wieder Abstand und sah mich enttäuscht an. »Mein Gott, du bist wirklich ein instabiles Ding.« Seufzend steckte er das Messer weg und lief dann kopfschüttelnd zur Tür. Ehe er sie öffnete, sagte er: »Dein Großvater wird sich die Haare raufen, wenn er ankommt und sieht, wie verfallen du den Blutsaugern bist. Das wird ein ganz großer Schlamassel geben.«
Damit verließ Ben den Raum.

Mein Großvater?
Meine Gedanken schweiften zu meinen Eltern. Ich glaube, als ich ganz klein war, hatte ich ihn einmal gesehen. Aber ich erinnere mich kaum noch wie er aussah. Und das war vor etlichen Jahren. Ich dachte immer, dass er schon tot sei. Weil mit einem Mal, hatten meine Eltern kein Wort mehr über ihn verloren. Ich durfte auch nicht mehr über ihn reden oder fragen, wo er war. Ich hob meine Hand und legte sie an meine Stirn. Mir tat der Kopf weh. Langsam rutschte ich an der Wand hinunter und zog meine Beine wieder an meinen Körper.

Mein Großvater.
Er war dann also auch ein Teil der Rebellen. Ich hätte nie gedacht, dass ich nachdem Tod meiner Eltern, nochmal jemanden aus meiner Familie treffen würde. Ich dachte Familiär wäre ich alleine. Deswegen hatte ich mich auch so gefreut, als Mihaeal gesagt ha, dass ich jetzt ein Teil ihrer Familie war.

Alex.
Mihaela.
Ja, selbst Victor.
Ich vermisste sie alle sehr.

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