Kapitel 50. Alexandru

Ich schreckte zurück. »Nein«, stieß ich automatisch aus. »Nein, Luna mea.«
War sie denn völlig verrückt?

Sie zog ihre Augenbrauen zusammen und ließ den Arm sinken. »Wieso nicht? Willst du mich denn nicht für immer an deiner Seite haben?«

»Darum geht es nicht.« Ihre Stimme klang furchtbar enttäuscht, aber worum sie mich da bat, war unmöglich. Selbst wenn mich dieses verdammte Anzweifeln fertigmachte. »Ich konnte dich auch einfach umbringen. Das hätte wohl denselben Effekt, kleiner Mensch. Weißt du denn nicht, was passiert, wenn ein Vampir jemanden verwandeln will?«

Ich sah sie immer noch geschockt an. Wenn sie wusste, dass ich sie liebte, dann konnte sie unmöglich etwas so Riskantes von mir verlangen.

Sie legte den Kopf schief und ihr Haar fiel ihr über die Schulter. »Nein, ich weiß es nicht. Ist es wirklich so schlimm? Denn ich werde doch sowieso irgendwann sterben, Alex. Ich habe vielleicht noch 50-60 Jahre und dann bin ich auch alt und hässlich«, erklärte sie unnötigerweise ich und legte eine Hand an meinen Oberarm.

Mein Kiefer malte. »Und ich werde dich auch dann noch l-« Ich bremste meine automatisch  angesetzte Antwort ab und sah zu ihr hinab. »Und auch dann will ich dich bei mir wissen.« Ich hob die Hand und legte sie an ihre Wange. »Acht von zehn Menschen starben, wenn ein Vampir sie verwandelte. Und die die überlebten, litten, denn ihr seid es nicht gewohnt zu sein wie wir. Skrupellos. Blutdürstig. Ich werde dir das unter keinen Umständen antun. Niemals. Bitte mich unter keinen Umständen wieder darum.«

Sie starrte mich an, aber ihr Gesichtsausdruck zeigte deutlich, dass sie nicht zufrieden war. »Als würdest du mich noch attraktiv finden, wenn ich faltig bin.«

Ich sah sie unnatürlich reglos an und der Wind zerrte plötzlich an unseren Haaren und der Kleidung. »Ich muss dich nicht attraktiv finden, wenn du alt bist. Oder trennen sich die Menschen von ihren Partnern, weil sie altern? Weil sie falten bekommen?«

»Nein, Alex. Aber im Gegensatz zu uns wird der Partner ebenso alt. Aber du wirst ... genauso aussehen, wie jetzt.« Ihre Unterlippe zitterte und sie sah traurig auf das Dach. Den Kopf schüttelnd atmete sie zittrig aus.

»Also wirst du mich nicht mehr attraktiv finden, weil ich nicht mit dir altere«, entschloss ich mich für einen Scherz und hob ihr Kinn an. »Es wird mich nicht stören, Luna mea. Ich sehe hindurch. Sehe in dein Herz. Denn dein kleines, unsicheres, lästig aufsässiges und freches Herz wird noch genauso sein. Ob mit 18 Jahren, oder mit 58.«

»Witzig«, seufzte sie und sah mir entgegen. »Wenn es nach mir gehen würde, dann würde ich dir eine Papiertüte über den Kopf stülpen, damit niemand mehr dein gutes Aussehen genießen kann, bis auf mich.« Sie scherzte auch, was gut war. »Belassen wir das Thema. Es ist noch Zeit, bis es so weit ist.«

Ich lachte leise und setzte mich hin. »Ja, belassen wir es dabei, denn ich werde dieses Thema nicht wieder mit dir besprechen.« Wie eine Statur saß ich auf dem Dach und blickte auf meine und die Menschenstadt. Die Stadt, die Asterin hätte führen sollen. Ich trauerte nicht um das verrückte Miststück, doch ihr Ableben, brachte mir zu all dem anderen Schlamassel um mich herum mehr und mehr Ärger ein. Es war, als wolle das Universum mich mit Luna mea segnen und strafen zugleich. Und dann waren da noch die Rebellen.

»Ich werde morgen für einige Tage abreisen. Wir versuchen, erneut die Rebellen aus dem Versteck zu locken und diesmal einen oder mehr er von ihnen zu schnappen, die gewillt sind, mehr zu sprechen.«

»Nein, dieses Thema ist noch nicht vorbei. Ich werde auch nicht locker lassen. Ich will so sein wie du. Ich will nicht alt werden«, blieb sie mit ernster Miene stur und sah dann ebenso über meine Stadt. »Ich komm mit, oder?«

Ich schüttelte den Kopf. »Nein, du bliebst hier.« Einen Teufel würde ich tun und sie mitnehmen. Mein Blick traf ihren. »Ich werde viele, viele Menschen töten und ich werde keine Rücksicht nehmen. Es wird nicht schön und da ich dir versprochen habe, zu versuchen, die diese Anblicke zu ersparen, wirst du mit Miha und ihrem Blutsklaven hierblieben. Malekai wird zu eurem Schutz hierblieben. Victor muss mit mir kommen.«

»Ich verstehe das«, sagte sie bedrückt. »Es ist nach allem dein gutes Recht, so vorzugehen. Aber ... ich finde es nicht gut, dass ich hierbleiben soll. Wenn du so weit weg bist, kann ich dich nicht einmal mehr per Gedanken fragen, ob alles okay ist«, erklärte sie und blinzelte dann, weil ihr wohl eine Erkenntnis kam. »Wir sind doch zusammen, nicht wahr? Und ich habe nicht einmal deine Nummer.«

Ich sah sie an und lachte leise. Dann zog ich mein Handy raus und sendete ihr meine Kontaktdaten, weil ich ihre Nummer sehr wohl hatte. Dann grinste ich und erklärte: »Nun, wenn du mich vermisst, denk einfach immer daran, dass ich dich sehr wohl sehen kann.«

Violett begriff erst nicht, was ich damit meinte, bis sie auf mein Handy sah. Verlegen schaute sie zurück zu mir. »Also erst einmal werde ich dir schreiben. Und zweitens-«, sie grinste und kletterte auf meinen Schoß, »hoffe ich doch, dass du mich bei allem beobachtest, was ich so treibe.« Sie kam meinen Lippen näher. »Auch beim Duschen und Baden.«

Ich beugte mich vor und knabberte an ihrer Unterlippe. »Ganz besonders dann kommt die Zoom-Funktion der Überwachungskameras zum Tragen.«

»Du bist ein Schmutzfink, weißt du das?«, fragte sie die Augen verdrehend und drückte sich stärker an mich. »Aber im Ernst, bitte pass auf dich auf. Ich ... mag dich.«

Ich nickte nur und küsste ihr Kinn und dann ihren Hals. »Schmutzfink? Lernt ihr so altertümlichen Mist in euren Schulen?« Ehe sie antworten konnte, legte ich meine Lippen vorsichtig auf ihre Wunde und leckte dann das fast getrocknete Blut ab. »Es ist nichts schmutzig daran, die Frau dich ich anziehend finde, dabei zu beobachten, wie sie ihren Tag verbringt.«

»Ich wollte einfach keine bösartige Beleidigung nutzen«, erklärte Luna mea und bekam eine Gänsehaut. »A-Ach so, dann habe ich das wohl falsch verstanden. Ich dachte, du ... möchtest die Kamera auf meinen Körper zoomen, während ich mich wasche.«

Wieder lachte ich, weil sie so naiv war. Ich stand mit ihr im Arm auf und brachte und in ihre Zimmer. Ich nickte auf den Kleiderschrank. »Das auch, kleiner Mensch. Das auch. Und jetzt wasch dich und zieh dich um, wir müssen zurück zu dem Fest. Unser Abgang war nicht gerade diskret.«
Mit roten Wangen sah sie mich an, während sie zum Schrank lief. »Du bist echt ...«

Violett ließ den Satz unvollendet und suchte sich stattdessen ein neues weißes Kleid heraus. Mit diesem verschwand sie im Bad und wusch ihren Körper. Danach zog sie sich um und genau 30 Minuten später, stand sie wieder vor mir. Diesmal trug sie ein langes Kleid, deren Träger über die Schulter liefen. Sie drehte mir den Rücken zu und schob die Haar beiseite. »Könntest du bitte den Reißverschluss zu machen?«

Und diesmal, weil es keine unwürdige Aufgabe mehr war, tat ich, worum sie mich bat. Ich trat hinter sie, zog den Verschluss hoch und drückte ihr dann einen kleinen Kuss auf die Schulter. »Können wir?«

Lächelnd blickte sie zu mir hoch. Dann nahm sie meine Hand, nur für diesen kurzen Augenblick und sagte: »Ja.«

***

»Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht, du bescheuerter Mensch!« Victor brüllte so laut, dass das Glas mit Wasser auf meinem Tisch im Salon vibrierte. »Hast du auch nur eine Sekunde daran gedacht, dass alles, was dir egozentrischen Kuh passiert, die ihr Mundwerk nicht im Griff hat, auch MEINER Mihaela widerfährt?!« Er schlug auf den Tisch. Einmal und noch einmal. Dabei starrte er Violett in Grund und Boden. Und ich? Ich ließ ihn. Sie hatte es verdient, denn mein kleiner Mensch hatte wirklich unklug gehandelt. Zudem würde ich an seiner Stelle genauso reagieren. Also sah ich meine Schwester an, die auf einem Sofa lag und Trauben aß, während ich am Kopfende des Tisches saß und meine Beine übereinanderschlug und die Arme vor der Brust kreuzte.

Die ›Party‹ war recht ruhig gewesen. Ob es daran lag, dass sich keiner traute, mich anzusprechen oder am Schock wegen Asterins tot, weiß ich nicht. Nun saßen wir jedenfalls hier und warteten auf den Sonnenaufgang.

»Ich habe der Vampirin gesagt, dass sie mich nicht beißen soll! Ich habe ihr selbst mit Alex gedroht. Was hätte ich noch tun sollen? Etwa meine Klappe halten und mir alles gefallen lassen? Sie war eine krankhafte eifersüchtige Frau, die mich so oder umbringen wollte«, fuhr sie ihn ebenso an und ihre goldenen Augen leuchteten regelrecht vor Wut. »Ich weiß, dass du mich hasst. Das zeigst du mir jeden Tag! Aber das mir ihr wohl genauso am Herzen liegt, interessiert dich einen Scheiß. Egal, was ich tue, ich bin die böse. Es ist so und wird immer so bleiben.«

Ich schmunzelte bei ihrem Kampfgeist und Victor, der es sah, funkelte mich böse an. »Was ist daran bitte lustig?! Sie ist deine Schwester und es kümmert dich einen Scheiß, dass sie wegen deiner kleinen Ablenkung verletzt wird! Herrgott!«

»Sie ist keine Ablenkung, Liebster. Sie lieben sich«, mischte sich nun Miha mit ein. »Du bist manchmal so blind, Vicki.«

Er knurrte Miha böse an, hörte aber sofort auf, als sie ihn böse ansah. Dafür wirbelte er zu Violett herum. »Ich hasse dich nicht, du dummes Ding. Du ... gehst mir nur auf die Nerven.«

Miha seufzte. »Nein, dir geht auf die Nerven, dass ich ihre Wunden bekommen. Wir wissen beide, dass du und sie beste Freunde wären, wenn dem nicht so wäre.«

»WAS?!«

Sie lächelte. »Du magst Leute, die Alex Kontra geben. Du findest sie lustig.«

Ich sah von ihr zu Vic und hörte amüsiert zu. Dabei griff ich unter dem Tisch nach Violetts Stuhlbein und zog sie näher an mich.
Miha deutete auf uns. »Siehst du? Total süß.«

Er schüttelte den Kopf, sah zu meiner Kleinen und knurrte: »Wenn sie noch einmal deinetwegen, und weil du zu bescheuert bist, auf dich aufzupassen, und auf das WC gehst, das für Vampire gedacht ist, gehst und sie deshalb deinetwegen verletzt wird, erwürge ich dich! Und glaub mir«, zischte er, »wenn Alex wählen muss, zwischen dir und mir, bist du diejenige, die den Kürzeren zieht.«

›Nimm ihn nicht so ernst, Liebes. Dass er sich so aufregt und dir droht, heißt nur, dass er dich eigentlich irgendwie gerne hat. Wenn die Sache mit Miha nicht wäre, würdet ihr mir wahrscheinlich beide auf die Nerven gehen und Pläne schmieden, wie ihr mich zur Weißglut treiben könnt.‹

›Deine Worte erfreuen mich nur halb, denn ...‹
Sie sah erst Miha an. »Es tut mir leid, dass du durch mich verletzt wurdest«, entschuldigte sie mich ernst und blickte dann zu Vic. »Ich werde immer älter«, begann sie und plötzlich wurde die Stimmung angespannt. »Vielleicht noch 50-60 Jahre, dann seid ihr mich doch los. Ich sterbe am Alter und du hast deine Miha zurück. Du ... Du kannst dann, ohne das ich sie in Gefahr bringe, glücklich werden.« Violett senkte den Kopf und sah auf ihren Schoß. Ihre Finger krallten sich in das Kleid und sie blinzelte die Tränen weg. »Hoffentlich muntert dich das etwas auf.«

Victor presste die Lippen zusammen und Miha, die sich nun aufrichtet, hob die Hand und legte sie auf ihren Mund, während ihr nun auch Tränen in die Augen stiegen. »Mein Gott, Violett«, flüsterte meine Schwester, doch ich deutete ihr und Vic mit Blicken an, zu gehen. Mein Freund und meine Schwester verließen den Saal und ich stand auf. Ich goss mir etwas von dem Rum ein und stellte mich an den brennenden Kamin, den wir wegen Violett anzündeten, obwohl es ein wirklich warmer Herbstbeginn war.

»Was, wenn du dabei stirbst?«, fragte ich und sah in die Flammen. »Was, wenn die Verwandlung nicht klappt und du in meinen Armen stirbst? Ist es dir das wert? Die Wahrscheinlichkeit, dass es passiert, ist hoch, Violett. Sehr hoch. Du könntest ein ganzes Leben an meiner Seite haben und willst es riskieren, für eine kleine Warscheinlichkeit?«

Mit feuchten Augen, sah Violett auf. »Ich weiß nicht. Wir ... müssen das nicht jetzt tun. Noch ein paar Jahre könnte ich warten. Ich ... will nur nicht älter aussehen als du. Und wenn es so weit ist, dann werde ich es schaffen. Ich meine, was wäre, wenn ich es schaffe? Könntest du mich noch ... mögen?«

Ich seufzte. »Denkst du, in ein paar Jahren ändert sich etwas? Glaubst du, dann werden deine Chancen größer? Nein, Luna mea. Ob jetzt oder in fünf Jahren, macht keinen Unterschied. Es ist und bliebt zu gefährlich.« Ich wandte mich ihr zu. »Es ist noch nicht mal eine 50/50 Chance. Es ist weniger, als ich bereit bin zu riskieren.« Ich sah sie streng an. »Ich werde dich nicht verwandeln. Nicht jetzt, nicht in einem Jahr, nicht in fünf. Niemals. Und diese dumme Frage, ob ich dich mögen würde oder nicht, beantworte ich erst gar nicht.«

Sie stand auf und stützte die Hände auf dem Tisch ab. »Es ist unfair, dass du das alleine entscheidest! Und nein, ich meinte, dass wir noch warten könnten, damit es nicht allzu schlimm wird, wenn ich sterbe. Und noch etwas-« setzte sie erneut an, »mit Mihaelas Hilfe könnte sich die Prozentzahl steigern.« Wut loderte in ihren Augen auf. »Ich kann das nicht. Wenn wir so weiter machen, werde ich nicht bis ich alt bin an deiner Seite bleiben. Das ertrage ich nicht.«
Nun wirbelte ich ganz herum. »Und ich soll ertragen, dass ich dich umbringe?! Je mehr Zeit du ins Land gehen lassen willst, desto schlimmer wird es. Für mich! Je länger ich bei dir bin, je länger du bei mir bist, umso schlimmer wird dein Tod.« Ich atmete schneller. »Und komm mir jetzt bloß nicht damit, dass es dann, wenn du alt und deines Lebens müde bist, genauso ist, denn das stimmt nicht. Bis dahin hattest du wenigsten ein Leben. Ein gutes, an meiner Seite. An der Seite eines Mannes, der dich vergöttert hat.

Verstanden?!« Meine Augen sprühten vor Entschlossenheit, als ich weiter sprech. »Miha kann rein gar nicht tun, denn sie kann sich in die Verwandlung nicht einmischen! Ihre Heilung würde zum Tragen kommen, wenn du tot bist, und meine Schwester kann keinen wiederbeleben, Violett. Und jetzt HÖR AUF!«

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top