Kapitel 35. Violett

Mit leicht roten Wangen saß ich mit meinen Freunden im Wintergarten. Essen und Getränke standen auf dem Tisch und wir waren unter uns. Meine Freunde  oder damaligen Freunde immer noch fassungslos von dem Moment, den wir ihnen vorhin gaben.

»Er hat dich geküsst.« stellte Nancy zum zweiten klar.

»Wie konntest du einen Vampir küssen? Und dann auch noch den König!« fragte Felix angeekelt.

»Und was meinte er mit ›Wenn ihr unter euch seid?‹ Schläfst du mit ihm?!« fragte Nancy mit großen Augen.

Ich antwortete nicht und das war anscheinend Antwort genug.

»Ich kann es nicht glauben. Du lässt dich von einem Monster ficken.« Bei seinem Ton zuckte ich zusammen und starrte auf mein Tee.

Als ich auch jetzt noch nichts sagte, hörten sie beide endlich auf und wurden still. Erst als Nancy das Wort ergriff, sah ich zu ihnen auf. »Violett? Wir....es tut uns leid. Wir wollten uns nicht so äußern, aber er ist der König.«

Felix wollte etwas dazu sagen, aber Nancy unterbrach ihn. »Letztenendes sind wir hier, weil wir immer noch Freunde sind. Wir unterstützen nicht deine Entscheidung aber wir sind doch immer noch Freunde, oder?«

Nun wurde auch Felix Blick sanfter und wir sahen uns einander an. Tränen sammelten sich in meinen Augen und als die beiden es bemerkten, setzten sie sich näher an mich heran und wir umarmten uns. Diesmal erwiderte ich die Umarmung auch und begann in den Armen meiner besten Freunde zu weinen.

Auch das hier gehörte zu meinem Weg der Heilung. Und das Alex mir das ermöglicht hatte, ließ mein Herz höher schlagen.

*******

»Weißt du noch damals? Als wir Kinder waren und immer Mutter, Vater, Kind gespielt haben?« fragte Nancy und beide lachten. Ich versuchte ebenfalls zu lachen, aber ich schaffte nur zu lächeln. »Da hat dir Felix gesagt, dass er dich heiraten will, wenn ihr mal erwachsen seid.« fuhr sie lachend fort.

Felix Kopf färbte sich rot und er schlug Nancy verspielt gegen die Schulter. »Halt die Klappe! Da waren wir noch Kinder.« Sein Blick traf meinen und mein Lächeln schwankte. Ich wusste, dass Felix früher in mich verknallt war, aber da waren wir, wie er bereits sagte, Kinder. Das wird auf keinen Fall noch...

»Violett-« begann er und wir sahen uns tief in die Augen. »hast du darüber nachgedacht zurück nachhause zu kommen?«

Meine Augen weiteten sich.

Ja, ich hatte darüber nachgedacht. Aber würde ich dadurch wieder glücklich werden können? Ich konnte mir nicht vorstellen in mein altes Zuhause zurückzukehren.

»Ich-«

»Wenn du dich fragst, wer da auf dich wartet, dann ist die antworte: Ich.« unterbrach mich Felix und auch Nancy wurde still und sah ihn überrascht an. »Ich habe immer auf dich gewartet und tue es immer noch.«

Was?

»Aber...Ich bin eine Blutsklavin.« sagte ich leise.

Doch Felix schien das nicht mehr so zu stören wie am Anfang. »Es ist wirklich eklig. Aber....also ich...wenn du dich entscheidest zurückzukommen, dann könnte ich damit leben.«

Er könnte damit leben?
Meint er damit, etwa....

»Du liebst Violett immer noch.« stellte Nancy fest und seufzte. »Komm schon, Felix. Du weißt das Violett von den Menschen in unserem Bezirk nie wieder anerkannt wird. Nicht wie zuvor.« sprach sie etwas an, über das ich auch schon nachgedacht hatte.

Wenn eine ehemalige Blutsklavin wirklich zurückkehrte, dann wurde sie immer von allen verstoßen. Keiner wollte mehr mit demjenigen etwas zutun haben.

»Na und? Ich bin doch an ihrer Seite und-«

»Danke.« unterbrach ich Felix und versuchte wirklich zu lächeln. »Ich werde drüber nachdenken.«

*******

Nachdem beide es trotz allem noch geschafft hatten mich etwas aufzumuntern, stand ich nun unter der Dusche und wusch meine Haare. Als ich müde wurde, weil ich die letzten Wochen kaum schlief, hatte ich sie in ihre Gästezimmer bringen lassen. Ich selbst war in mein Zimmer gegangen und musste zugeben, dass mein Herz sich etwas leichter anfühlte. Es war schön mit ihnen zu reden. Ja, die Themen waren manchmal etwas schwierig, aber trotzdem hatte ich gespürt, dass sie sich Mühe gaben.

Und all das hatte ich Alex zu verdanken. Ich war hierhergekommen, weil ich meine Eltern retten wollte. Aber nun waren sie tot und ich hoffte inständig, dass sie in Frieden ruhen konnten. Nur diese Hoffnung, ließ mich mit dieser Realität leben.

Und ich hatte mich in Alex verliebt. Er war ein Monster, aber ich hatte so viele andere Seiten von ihm kennengelernt. Und obwohl ich mir über meine Gefühle im Klaren war, wusste ich immer noch nicht, ob das alles zu Alex Spiel gehörte. Vielleicht tat er das alles aus Langeweile und um mein Herz zu gewinnen. Er war so alt schon, wer wusste schon, ob er das nur wegen des Spiels wegen machte.

Ich seufzte und ließ das heiße Wasser über meinen Körper laufen.
»Ich sollte es in Betracht ziehen.« murmelte ich und dachte an den Gedanken wirklich nachhause zurückzukehren, wenn mich Alex gehen lassen sollte und nicht auf den jetzigen Vertrag bestand.

»Violett? Bist du noch wach? Ich-« Ben betrat das Bad und sah mich unter der Dusche stehen. Sein Blick huschte einen langen Moment über meinen Körper, ehe er sich umdrehte. »Mein Gott! Entschuldige bitte.«

Ich drehte mich herum und starrte Ben an. Schnell schnappte ich mir mein Handtuch und hielt es mir vor meinem Körper und stellte die Dusche aus. »Was tust du hier?« fragte ich angespannt und stieg aus der Dusche.

»Ich«, sein Blick huschte über den angeschlagenen Spiegel zu mir. Wieder glitten seine Augen über meinen Körper. Dann hielt er eine Packung Schokolade hoch und seine Schellen klapperten. »I-ich wollte nur nach dir sehen.«

Ich blinzelte und sah die Schokolade an. »Oh.« Ich wickelte das Handtuch um meinen Körper und ging auf Ben zu. »Du kannst dich umdrehen, bevor du weiter über den Spiegel mich anstarrst.« meinte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.

Ben seufzte und wandte sich um. Dann nickte er in Richtung Schlafzimmer. »Entschuldige. Ich ... es nur, du ... Egal. Entschuldige.«

»Was ist denn? Sag schon. Wenn du dir auch Sorgen um mich machst, dann ist das wirklich lieb von dir.« Wir liefen in mein Schlafzimmer und setzten uns auf die Couch, ich nahm die Decke und legte diese um meinen Körper. Weil ich so schnell fror, trotz Kamin und Bodenheizung, hatte mir Firell mehrere flauschige Decken besorgt. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass sie sich auch um mich sorgen machte. Auch, wenn sie bisher kaum mit mir gesprochen hatte.

Er öffnete die Schokolade und wandte sich zu mir. Ben saß mir nun im Schneidersitz gegenüber und öffnete die Packung. Ohne mich noch einmal anzusehen, brach er die Süßigkeit und sagte leise: »Du bist eben einfach hübsch und manchmal fällt es mir schwer, dich nicht anzusehen«, gestand er und seufzte. »Trotzdem war das nicht okay. Und ja«, nun sah Ben auf, »natürlich mache ich mir Sorgen um dich. Du bist doch eine Freundin. Oder? Jemand, der in diesem Höllenloch aus Fangzähnen, so ist, wie ich.«

Höllenloch aus Fangzähnen. Wiederholte ich gedanklich. Ich glaube, ich war einer der wenigen Menschen, die zumindest hier im Palast nichts gegen die Vampire hatte. Ich hasste weder Alex noch Mihaela oder Victor, auch wenn er immer gemein war. Sie hatten mein Leben gerettet und Mihaela musste sogar dafür ihre Sicherheit einbüßen.

Den Einzigen, den ich aktuell und auf Ewigkeit hassen würde, war Gerrit.  Auch wenn er tot war. Alex hatte ihn getötet. Normalerweise war das nicht üblich, dass die Stadthalter so schnell hingerichtet wurden.

Ich schüttelte die Gedanken ab und blickte Ben wieder an. Die Schokolade nehmend, lächelte ich halbherzig. »Danke für das Kompliment. Aber du solltest so etwas nicht in Alex Nähe sagen. Ihm wird das nicht gefallen.« warnte ich ihn vor, weil mir Ben wichtig war. Ich biss von der Schokolade ab und ließ die süße auf meine Zunge zergehen. »Gott, schmeckt die lecker.« stöhnte ich. Wie lange hatte ich keine Schokolade mehr gegessen. Bestimmt schon eine Ewigkeit. Der Ernährungsplan ließ so etwas leider nicht zu. »Woher hast du die Schokolade überhaupt? Hast du kein Plan, an den du dich halten musst?«

›Nein, das gefällt Alex kein Bisschen‹

Ben schnaubte. »Ja, ich weiß. Der König hat dich in seinen Fängen. Das ist ziemlich offensichtlich.« Auch er as die Schokolade und verzog dann das Gesicht. »Die Prinzessin hat es mir gegeben. Als ... Dankeschön.«

Ich blinzelte und sah mich plötzlich um.
Mein Gedanken-Fenster war fest  verschlossen. Also woher wusste er davon?
»Ah, die Prinzessin. Das ist doch nett von ihr.« sprach ich nur noch so nebenbei und sah mich weiterhin um.

Ben runzelte die Stirn, lachte trocken und schluckte dann. »Ja, wenn man für das, was ich machen sollte, eine Belohnung wie ein Hund bekommt, wahrscheinlich schon.« Er sah mich an und seine Stirnfalten vertieften sich. »Suchst du etwas?«

›Oben links in der Ecke. Oben Rechts genauso. Im Badezimmer im Spiegelschrank eingebaut und sonst im Anwesen ebenfalls überall verteilt, Luna mea. Kameras.‹

»Kameras?!«, fragte ich laut und ohne drüber nachzudenken.

›Selbst im Badezimmer! Kennst du das Wort Privatsphäre?‹ fuhr ich ihn über die Gedankenverbindung an.

Ich schnaufte und schüttelte den Kopf, als ich unkontrolliert aufstand und in die genannte Ecke Links hinging und nach oben sah. Ich starrte direkt in die Kamera, die ich jetzt zum ersten Mal bemerkte.

»Ich Fass es nicht.«

Ben folgte meinem Blick. »Was?«

›du dachtest nicht wirklich, dass nicht jeder Winkel des königlichen Anwesens überwacht wird, oder?‹

Ich sah zu Ben, bis ich Alex wieder in meinem Kopf hörte. »Doch, aber nicht mein Zimmer. Wie oft hast du mich beim duschen beobachtet?« fragte ich laut und sah zurück in die Kamera. Die Decke rutschte dabei über meine Schultern und fiel auf den Boden.

Als mir klar wurde, dass ich vermutlich wie eine verrückte rüberkam, sah ich wieder zu Ben. »Nichts. Es ist nichts, also ähm.....« Ich schüttelte den Kopf und ging zurück zum Sofa. Als ich mich nur noch im Handtuch bekleidet vor ihm hin setzte, fragte ich Ben. »Über was haben wir nochmal geredet?«

Ben sah mich an und biss die Zähne zusammen, ehe er zu den Kameras hochsah und wieder zurück. »Über nichts Wichtiges. Schokolade, und dass sie mir nach ... egal.« Er stand seufzend auf und versuchte zu lächeln. Mein Freund hob die Packung hoch und legte sie dann auf den Tisch. »Ich verschwinde mal lieber, bevor die Sonne aufgeht.«

Ich stand auf und hielt Ben auf. Vor ihm stehend, trat ich näher und umarmte ihn. »Danke, für die Schokolade. Ich bin wirklich froh, dass du hier bist.« bedankte ich mich bei ihm ehrlich. Mir waren meine menschlichen Freunde wichtig. Auch Ben. Die letzten Woche hatte ich mich so allein gefühlt. Aber der heutige Tag und dieser Moment mit Ben, hatte mir gezeigt, dass ich nicht so allein war, wie ich zuvor gedacht hatte.

Zögerlich erst, und dann doch fest, erwiderte er die Umarmung. »Ich bin auch froh, hier zu sein. Bei dir.« Ben ließ mich los und ging eilig aus dem Zimmer.

Verwirrt starrte ich meine Tür an. Ich blieb einige Minuten so stehen und versuchte, seine Reaktion einzuordnen.

Langsam wandte ich mich um und blickte wieder die Kameras an. Zu meinem Schrank gehend, wühlte ich einige Sachen heraus. Dann schnappte ich mir ein Stuhl und begann die Kameras mit einzelnen Klamotten abzudecken. Erst die im Bad, dann in meinem Zimmer.

Alex erschien hinter mir und raunte schlicht: »Nein.«

»Doch.« erwiderte ich genauso schlicht und machte weiter. Ihn ignorierend, fummelte ich weiter an der Kamera herum.

Er packte mein Handgelenk in der Bewegung, in der ich die Kamera abdecken wollt, und wiederholte. »Ich sagte: NEIN.«
Sein Kopf senkte sich und er strich mit der Nase von hinten über meinen Hals.

Eine Gänsehaut breitete sich auf meiner Haut aus und ich starrte weiter geradeaus. Da ich immer noch auf dem Stuhl stand, waren wir nun fast gleich groß. »Wieso..... hast du selbst in meinem Zimmer Kameras aufgestellt?« fragte ich leise.

Er sog die Luft ein, und küsste meine Haut, ehe er den Griff etwas lockerte und antwortete, während seine Finger meinen Arm hinab glitten: »Es ist meine Aufgabe, für deine Sicherheit zu sorgen. Überall und zu jeder Zeit.«

Mein Herz setzte aus. Meine Sicherheit. Wiederholte ich gedanklich. Alex war die letzten Wochen immer an meiner Seite. Auch, wenn ich nicht wirklich zurechnungsfähig war, hatte ich bemerkt. Er war da. Immer. Zu jeder Zeit.
Er hatte meine Freunde hier in den Palast geholt. Akzeptierte die gute Beziehung zwischen mir und Ben. Und hatte mich seit Wochen nicht mehr angefasst oder von meinem Blut getrunken. Er hatte mir die Zeit gegeben, die ich brauchte. Und auch, wenn es mir immer noch nicht komplett besser ging, ich immer noch unsicher war, ob es mir nicht besser gehen würde, wenn ich einfach zurück nachhause gehen würde, sollte ich Alex trotzdem mein Blut geben. Er hatte sicherlich Durst und litt darunter. »Trink.« sagte ich daher nur, legte meinen Kopf zur Seite und schob mein Haar weg.

Sein Atem setzte aus und seine Finger, nun auf Höhe meines Ellenbogens, stoppten. Ein neuer Kuss traf mich hinter dem Ohr. »Du bist noch nicht so weit.«

»Ich weiß, dass du leidest. Ich weiß, was du die letzten Wochen für mich getan hast. Ich weiß  nur nicht, ob du das alles nur für das Spiel tust.« Ich drehte meinen Kopf und blickte Alex an.

Er erwiderte meinen Blick sanft und hob den Arm nun so, dass ich ihn hinter den Hals legte. Alex strich mit den Fingerspitzen darüber und meine Seite entlang. »Ich komme klar und trinke Blut. Du brauchst dich also nicht um mich zu kümmern, Luna mea.«

»Alex?« fragte ich leise und verlor mich in seine wundervollen Augen. Wie konnte ein Monster wie Alex nur so beruhigende und strahlende Augen haben? Ich liebte dieses Türkis. »Würdest du mich gehen lassen, wenn ich zurück nach Hause möchte?«

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