Kapitel 34. Alexandru
Sie leiden zu sehen, war die Hölle.
Violett war nur ein Mensch, verdammt. Immer wieder versuchte ich mir, das einzureden. Immer und immer wieder. Aber der Fakt, dass ich Gerrit hergebrachte und umgebracht hatte, war ein deutliches Zeichen dafür, dass mir dieser Mensch mehr am Herzen lag. Ich musste mich wohl der Tatsache stellen, dass sie mir mehr und mehr bedeutete.
»Kannst du mir bitte sagen, warum noch mehr Menschen hier sind?«, wollte Vic wissen und schnaubte genervt. »Reicht Mihas Mensch und dein Spielzeug nicht aus? Das ganze Anwesen riecht nach ihnen. Die Angestellten trinken schon die doppelte Menge Blut, weil sie überall zu wittern sind, und jetzt machst du es noch schlimmer.«
Das Gespräch in ihrem Zimmer war nun nochmals zwei Wochen her. Es hatte sich nur bedingt etwas gebessert. Verdammter Malekai, dachte ich und verfluchte ihn dafür, dass er es Violett erzählt hatte. Nachdem ich ausgeschlossen hatte, dass Miha, Vic oder einer meiner Männer wie der Mensch die Tatsache über die Gedankenverbindung ausgeplaudert hatten, hatte ich ihm einen Besuch abgestattet. Zu seinem Glück hatte er mir alles erzählt. Und mit alles meinet ich auch, dass er Eduardo zu Asche verbrannt hatte, als dieser sich Luna mea schnappen wollte.
Ich hätte es selbst getan, hätte ich es gewusst.
Ich rieb mir durch die Haare. Scheiße, ich war müde. Vampire konnten lange ohne Schlaf auskommen, doch etwas über einen Monat? Nun, das war auch für mich zu viel. Aber ich konnte sie einfach nicht aus den Augen lassen. Sei es in der Nacht, oder am Tag. Ich sah immer nach ihr. Mein Handy war fest mit meiner Hand verwachsen und die Bilder der Kamera immer auf dem Bildschirm zu sehen. Keine Sekunde ließ ich sie aus den Augen, selbst wenn ich meine Pflichten als König nachging, und wenn sie dann endlich mal schlief, schlich ich mich als Panther zu ihr und nistete mich in ihren Träumen fest.
Meist blieb ich unbemerkt und veränderte sie nur so, dass sie so friedlich wie möglich waren, aber wenn das nicht half, zeigte ich mich und nahm sie einfach stumm in die Arme. So wie die Momente, in denen sie willkürlich zusammenbrach und ich auftauchte, um sie einfach zu halten. Ich sagte nie etwas. Was konnte ich auch sagen?
Es gab nichts, das ich machen konnte, um ihr Leiden zu beenden. Nichts.
Und das machte mich verrückt.
Verrückt vor Sorge.
»Alex?«
Ich sah Vic an. »Was?«
Er runzelte die Stirn. »Hörst du zu?«
»Nein.« Ich lief zu den Menschen, die etwas verängstigt im Saal standen. Mein Blick huschte von einem zum anderen.
Nancy Kelmick hatte hellbraune Haare und braune Augen. Und sie kannte Violett schon seit Kindertagen. Genauso wie ihr Freund Felix Hellisch. Der Mann mit den blonden Haaren und blaue Augen hielt Nancy an der Hand und versuchte wenigstens, tapfer zu wirken.
Ich legte den Kopf schief. »Ihr wisst, warum ihr hier seid?«
Nancy zuckte zusammen und auch Felix versteifte sich. Sofort verneigten sie sich tief, wie es sich als Untertan eines Vampirkönigs gehörte. Ich roch ihre Angst und mein Mundwinkel zuckte.
»Eure Hoheit, König Vlad Alexandru Draculea der IX«, begrüßten sie mich zeitgleich und verharrten. Auch als Felix zögerlich das Wort ergriff, blieben sie verneigt. Schlau.
»Wir dürfen unsere Kindheitsfreundin, Violett Luna besuchen. Wir ... sollen sie aufmuntern, da sie um ihre verstorbenen Eltern trauert.«
Meine Präsenz waberte umher und Victor grinste.
»Was für brave Menschen, Violetts Freunde doch sind«, meinte er sarkastisch und zeigte Zähne.
Ich blickte die beiden nur an, denn ich musste Vic recht geben. Luna meas menschliche Freunde, hatten nicht wirklich viel dafür getan, den Kontakt zu halten, seit sie hier war. Sie hatten wohl das ein oder andere Mal Kontakt aufgenommen, doch recht früh damit aufgehört.
Aus reinem Interesse setzte ich also an: »Ihr seid hier, weil es ihr schlecht geht. Sie trauert und obwohl ihr sicherlich nicht das seid, was ich gute Freunde nennen würde, gebe ich euch die Chance, zu helfen. Nur beantwortet mir eine Frage.« Mein Blick verdunkelte sich. »Warum habt ihr aufgehört, Kontakt zu suchen? Wenn sie euch doch, wie ich doch denke, so wichtig ist?«
Wieder zuckte das Mädchen und Felix biss die Zähne zusammen. Seine Hände zu Fäusten geballt, entschied, sie sich das Wort zu ergreifen. »Eure Hoheit, es ist bei uns Menschen so, dass wir die freiwillige Entscheidung eine Blutsklavin zu werden, nicht gut heißen. U ... und ... nachdem T ... Titelbild...« stotterte sie und ihre Stimme brach. »Eure Hoheit, nachdem das Titelbild in den sozialen Medien auftauchte, hat sich jeder von Violett distanziert. Blutsklavin sind für uns Menschen nichts mehr wert. Das heißt nicht, dass uns Violett egal war, aber wir haben uns entschieden, Abstand zu nehmen. So läuft das eben bei uns..... Menschen.«
Vic schnaubte und ich gurrte tief: »Oh, ich weiß sehr wohl wie ihr darüber denkt.
›Blutsschlampe‹, ›Sie ist eine Hure, die sich an ein Monster verkauft‹, ›verrecke du dreckige Schlampe‹«, zählte ich auf. »Ihr Menschen seid sehr kreativ in eurem Hass.« Ich trat einen Schritt näher und packte Nancy am Kinn. Ich bog ihren Kopf hoch und sah die deutlich kleine Frau an. »Die Frage ist nur, warum verurteilt ihr diejenigen von euch, die aus der Situation das Beste machen wollen? Diejenigen, die sich einen Vorteil verschaffen und, wenn sie aus dem Status entlassen werden, zurückkommen, mit einer verdammt großen Menge an Geld?« Meine Augen funkelten böse und Victor lachte. »Ihr gebt ohnehin alle euer Blut, wieso dann nicht den Komfort daraus ziehen?«
Nancy starrte mich mit großen Augen an und ihre Wangen färbten sich rot. »W...Wir haben...sie nicht beleidigt....ich schwöre«, stotterte sie verlegen.
»König Vlad, es gab auch schon eine Menge Menschen, die nicht zurückgekehrt sind. Sie sind tot. Und auch, wenn wir mit euch kooperieren, weil wir es müssen, heißt das nicht....das wir euch gerne um uns haben«, erklärte Felix und das kleine Zittern in seiner Stimme war nicht zu überhören.
»Bitte bestraft uns nicht. Wir...wir werden für Violett da sein. Versprochen.«
Meine Lippen verzogen sich angeekelt und ich ließ Nancy ruppig los. Dann fiel mein Blick auf Felix, als Vic raunte: »Du genießt die Anwesenheit deines Königs also nicht? Ist es keine Ehre, dass ich euch die Chance gebe, nach der Person zu sehen, die euch nach euren Worten ›nicht egal war‹ und ist?«
Ja, es gab Menschen, die nicht zurückkehrten. In dem Punkt musste ich ihm sogar recht geben. Danielle war wohl ein gutes Beispiel. Doch was sie nicht wussten, oder wissen wollten, war, dass ich, sobald ich es mitbekam, die Herren bestrafte. Ich tötete sie nicht, denn immerhin war ihr Leben weit wertvoller, als das der Menschen, aber das Geld, das sie zahlen mussten, war Anreiz genug, den nächsten Blutsklaven am Leben zu lassen.
Nicht, dass es mich wirklich kümmerte.
Mir lag nur an einem Menschen etwas.
Ich hob das Kinn und kreuzte die Arme vor der Brust. »Ich garantiere für eure Sicherheit, solange ihr in meinem Haus lebt. Ich sorge ebenfalls dafür, dass ihr danach sicher zurück nach M23 kommt. Aber«, knurrte ich drohend, »sehe oder höre ich, dass ihr den Zustand meine Blutsklavin in geringster Weise verschlechtert, nehme ich mir das Recht, euch als König und stärkere Spezies, zu töten. Denn damit hättet ihr mein Eigentum beschädigt. Habt ihr das verstanden?«
»J...Ja.«, antwortete Nancy und sah verlegen weg.
»Euer Eigentum«, murmelte Felix mutig und sein ganzer Körper spannte sich an.
Nancy drückte daraufhin seine Hand und er sah ihr in die Augen. Sie schüttelte nur den Kopf und neigte ihn dann vor mir in einer respektvollen Geste. »Danke, König Vlad.«
Auch Felix verneigte sich widerwillig. Ich roch ihre Angst, aber auch ihre Feindseligkeit gegen meinesgleichen. Es war ein bitterer Flaum auf der Zunge.
Ohne ein weiteres Wort lief ich los und führte die Menschen durch mein Anwesen. Diener, die vorbeiliefen, verneigten sich und wenn ich vorbei war, spürte ich die Blicke, die sie den Menschen zuwarfen. Unsere Schritte hallten auf dem glänzenden, schwarzen Boden und hier und da spiegelten sich unsere Silhouetten in Dekoration oder dem Mobiliar.
Am Wintergarten angekommen, klopfte ich leicht an den Rahmen des großen Bogens und nickte den Menschen zu, um ihnen anzuzeigen, dass sie eintreten sollten. Victor neben mir, raunte: »Du betreibst einen verdammt großen Aufwand, für die Kleine.«
»Spuck es schon aus«, fauchte ich, sodass die noch zögernden Menschen es nicht hörten.
Mein Freund sah mich an. »Es ist mehr als nur das Spiel, Alex. Oder?«
Ich antwortete mit schweigen und hörte dem sehr einfallsreichen Fluch Victors zu.
»Herrgott, sie ist ein Mensch. Was soll das?«
Wieder antwortete ich nicht. Warum auch?
Stattdessen sah ich Violett an.
Sie starrte ins Nichts und bewegte sich nicht. Erst Sekunden nach dem Klopfen, drehte sie den Kopf langsam zu uns. Mein Mensch trug ein weißes, langes Sommerkleid und ihr Haar lag offen über ihrem Rücken. Schellen aus Glas und kleinen goldenen Verzierungen, schlangen sich um Hals und Gelenke und am liebsten würde ich sie abreißen. Mit müdem Blick musterten sie mich einen Moment, bevor Luna mea zu den beiden Menschen sah. Das sonst so reglose Gesicht zuckte, und ihre Augen weiteten sich.
»Nancy, Felix«, flüsterte sie und stand von der Sitzbank auf. »Was tut ihr hier?«
Sie klang überfordert, aber beide Menschen traten ein, auch wenn sie sich offensichtlich unwohl fühlten.
»Wir ... haben von dem tot deiner Eltern erfahren und-«, begann Felix und blickte kurz zu mir, bevor er sehr schnell wieder zu ihr sah. »Dank der Gnade von König Vlad, durften wir dich besuchen.«
»Wie geht es dir, Violett?«, fragte Nancy direkt hinterher und ergriff zögerlich ihre Hände, als sie vor Luna mea stehen blieben. Sie sah auf die Handschellen und verzog das Gesicht.
Violett hingegen hob den Blick und sah zu mir. ›Du hast ihnen wirklich erlaubt, deinen Palast zu betreten?‹
Ich nickte kaum wahrnehmbar. ›ich dachte, du könntest Gesellschaft von jemandem vertragen, der weniger Fangzähne hat.‹
Victor, der sich mit einem gemurmelten »ich verschwinde jetzt« verabschiedete, lief weg und packte dabei Benjamin an der Schulter, der wohl gerade dabei war, zu Violett zu gehen. Der Blutsklave machte große Augen und sah von den Gästen zu Violett zu mir und wieder zurück zu Luna mea. Dann ließ er sich von seinem zweiten Herren wegbringen. Mein Blick fiel wieder auf meine Kleine.
Als eine Dienerin vorbei lief, befahl ich ihr schlicht, Getränke und Essen zu bringen. Sie verschwand und ich richtete mich auf. ›ich lasse euch alleine.‹
»Musst du die tragen, Violett?«, fragte Felix im flüster Ton, bevor Luna mea mir antworten konnte. Sie sah ihn an und dann auf ihre Schellen. »Ja, das wurde vertraglich vereinbart«, erklärte sie ihm leise und sah die Dinger einen Moment lang einfach nur an.
»Es tut mir leid.« Zurück zu Felix blickend, legte Violett den Kopf schief. »Deine Eltern. Es tut mir leid, dass sie so leiden mussten.«
Plötzlich beugte er sich vor und nahm sie in den Arm. Sie stand regungslos da und ließ es zu, während ich die Zähne zusammenbiss. Heuchlerisches Menschen-Pack.
»Mir tut es auch leid, Violett«, kam es nun auch von Nancy und auch sie stieg in die Umarmung ein. Dennoch regte meine Kleine sich kein bisschen.
Alles, was sie tat, war mich anzusehen. ›Du weißt, dass ich für sie nicht mehr die alte Violett bin. Für sie bin ich nur noch eine Blutsklavin und mehr nicht. Auch, wenn sie es vermutlich nicht böse meinen, wird es uns so eingetrichtert.‹
Ich versteifte mich etwas. Hatte ich einen Fehler gemacht, sie herzubringen?
›Wenn das so ist, bringe ich sie zurück.‹ Langsam lief ich auf die Menschen zu und packte Felix am Arm. Ich zog ihn von Violett weg und um meine Füße sammelten sich bereits die Schatten.
»Nein!«, hielt sie mich auf. Felix, der sich vor Angst fast in die Hosen machte, weil ich ihn einfach so gepackt hatte, und Nancy sahen sie geschockt an.
»H-Haben wir etwas falsch gemacht, König Vlad?«, stotterte das Menschenmädchen sofort und verneigte sich, als sie nun mich ansah.
›lass sie bitte bleiben. Ich möchte mit ihnen reden.‹ ließ Violett mich wissen und sah mich aufmerksam.
Ich legte den Kopf schief. »Wie du wünschst, Luna mea.«
Meine Schatten verschwanden und ich ließ den Mann los. Seine Angst prickelte auf meiner Haut und mein Jagdtrieb, der in meinem Blut verankert war, regte sich. Ich zügelte ihn, doch mein Blick huschet auf seinen Hals. Seufzend trat ich einen erhabenen Schritt zurück und kräuselte die Lippen. Ich hatte tagelang nichts getrunken, denn ich wollte und konnte Violett nichts nehmen. Nicht in ihrem zustand. Und Blutkonserven, nun, sagen wir so, es war meine Notlösung, denn alles außer sie, schmeckte plötzlich nach Pappe.
Mein Blick fiel auf Nancy. »Ihr habt einiges falsch gemacht, Mensch. Aber es ist nicht an mir, eure Fehler zu beurteilen.«
Ich sah zurück zu Luna mea. ›Sag mir, wenn du genug hast. Ich lasse sie dann in die Gästezimmer bringen.‹ achtsam trat ich einen Schritt auf sie zu und obwohl ich mir der Anwesenheit der Menschen bewusst war, legte ich eine Hand auf ihre Wange und beugte mich vor. Meine Lippen trafen ihre und ich stahl mir einen kleinen, fast unschuldigen Kuss.
Sollten sie doch geschockt sein. Ich hatte viel mehr vor wichtigeren Leuten getan, um Aufmerksamkeit zu erregen und Skandale zu kreieren.
Als meine Lippen ihre berührten, klopfte Luna meas Herz in einem unregelmäßigen Takt und ich begriff, dass ich dieses klein Stolpern und schneller Schlagen, genoss. Es passierte nur, wenn sie mit mir zusammen war.
›Danke‹, ließ sie mich hören und sah mir tief in die Augen. Wir verharrten einen Moment so nahe beieinander und ich genoss das dezent leuchtende Gold. Erst als sie die geschockten Reaktionen ihrer Freunde hörte, sah sie beschämend auf den Boden.
Mein Daumen strich über ihre Wange und ich entschied mich, für einen kleinen Scherz und dazu, noch etwas mehr Zunder in den brennenden Schock der Menschen zu kippen. »Ich werde dir eine Gelegenheit geben, dich zu bedanken. Wenn wir unter uns sind.«
Meine Schatten verschluckten mich und ich gab Violett die Zeit, die sie mit ihren Freunden brauchte.
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