Kapitel 32. Alexandru
Ich brachte sie alle zurück in meine Anwesen. Dann ging ich zurück und brachte Malekai und seine Männer, wie auch Eduardos zurückgebliebenen Männer weg. Ich verkündete letzteren Knapp, dass ich mich noch heute um einen neuen Stadthalter kümmern würde.
Und so saß ich nun in meinem abgedunkelten Büro, mitten am Tag und trank den siebten Kaffee in zwei Stunden.
Samuel würde neuer Halter von Seraphin werden. Die Mail war schon raus und auch das Telefonat war geführt, um die Übernahme zu klären und offiziell zu machen. Was zu unterschreiben war, war unterschrieben und nun starrte ich auf den Laptop.
Ich rieb mir durch die Haare und fragte mich, ob Benjamin wohl noch bei Violett war, um mit ihr zu reden. Wie durch ein Wunder hatte der Mensch keinen Kratzer abbekommen, und das obwohl, weder Miha noch Vic sich im Kampf um ihn gesorgt oder nach ihm gesehen hatten.
»Scheiße«, knurrte ich, weil mir diese eine Sache nicht aus dem Kopf gehen wollte. Rebellen die Verstoßene kontrollierten? Das war Irrsinn! Und doch hatten Vic und Mihaela mir sehr genau erklärt, dass sie Monster außerhalb der Mauer, auf die Kommandos der Rebellen gehört hatten.
WIE? Wie war das nur möglich.
Ich stand auf und lief zu meinem Schrank. Ich nahm mir eine Flache Wein heraus und goss mir ein Glas ein. Während ich trank, zupfte ich an meinem dunkeln Shirt und der dunklen Hose. Alles sauber, alles frisch und doch spürte ich das Blut noch an mir.
Als es an der Tür klopfte, schloss ich kurz die Augen und dachte darüber nach, Violett wegzuschicken. Aber ihr Geruch wehte mir schon in der Nase und ich hörte mich sagen: »Komm rein.«
Sie trat leise ein und schloss genauso lautlos die Tür hinter sich. »Ich kann nicht schlafen«, erklärte sie sich unnötigerweise. »Deswegen wollte ich nach dir schauen. Wenn es okay für dich ist, dass ich hier bin.«
Violett klang zurückhaltend und stand mitten im Büro mit einem weißen dünnen Nachthemd und den passenden Marmor ähnlichen Schellen um Hals und Hände.
Ich betrachtete sie. Sie sah so verletzlich aus. »Du weißt, das du gemütlichere Schellen für die Nacht hast, oder?«
49 Menschen hatte ich getötet und ich hätte die dreifache Menge abgeschlachtet, wenn es sie beschützt hätte. Ohne auch nur darüber nachzudenken.
Violett sah auf die Schellen und berührte die an ihrem Hals mit den Fingerspitzen. »Ich weiß, aber ich dachte, dir würden diese hier besser gefallen, also habe ich sie schnell gewechselt, bevor ich herkam«, erklärte sie und ging auf mich zu. »Wie geht es dir? Brauchst du noch mehr Blut?«
Ich verkniff mir bei ihrer Sorge ein Seufzen, weil sie es ja gut meinte. Mein Blick kreuzte ihren und ich verlor mich eine Sekunde darin. »Dein Blut heilt mich nicht, Kleines. Wie kann es sein, dass du so wenig über die Wesen weist, die Menschen beherrschen?«
Sie blinzelte. »Aber es stärkt dich doch und unterstützt die Heilung. Oder ist dem nicht so?«
Verneinend sagte ich: »Kein Bisschen, Luna mea. Es ist Nahrung. Nicht mehr, nicht weniger.« Ich nahm sie sacht am Arm und zog sie an mich, sodass sie zu mir hochsehen musste. Vorsichtig legte ich die Hand auf ihre Wange und fast ihr ganzes Gesicht wurde bedeckt. »Und genau deswegen ist die Gabe meiner Schwester so wertvoll. Ihr Blut heilt. Dass der Menschen nicht.«
»Oh ... okay. Dann bin ich wohl nicht wirklich hilfreich«, meinte sie und klang enttäuscht. Violett sah mir direkt in die Augen. »Du sagtest, ich solle das Geheimnis deiner Schwester bewahren und das werde ich«, bestätigte sie und hob die Hand, um sie auf meinen Oberkörper zu legen.
›Verzeih, dass ich dich geschlagen habe.‹
Ich entschuldigte mich?! ICH?! Bei einem Menschen?
Ihr Herz hüpfte mal wieder.
›Du hattest anscheinend wirklich große Angst um mich. Magst du mich, Alex?‹
Sie betrachtend senkte ich den Kopf etwas. ›was, wenn die Antwort ›Nein‹ wäre?‹
Obwohl ihr Blick das Gegenteil aussagte, sagte Violett: ›dann würde ich es akzeptieren. Was sollte ich sonst tun, als es so hinzunehmen.‹
»Kämpfen«, sagte ich und beugte mich noch ein Stück vor. Meine Hand wanderte an ihren Rücken und strich über das Nachthemd, nur um auf ihrem Steißbein zu verharren. »Das könntest du tun. Kämpfe, wofür auch immer du willst, Luna mea.« Mein Blick bohrte sich in ihren. »Wenn du mich willst, kämpfte um mich. Wenn du mich nicht willst, dann kämpfe auch darum. Du willst frei sein? Kämpfe. Du willst zurück in deine Stadt? Zu deinen Eltern? Kämpfe. Du willst die Welt verändern? Kämpfe. Du willst, dass dir die Welt gehört. Kämpfe. Nur so spielst du das Spiel richtig.«
»Du willst, das ich kämpfe. Aber ich kämpfe doch bereits. Ich bin immerhin hier«, stellte sie klar. »Nur wieso sollte ich um etwas kämpfen, dass hoffnungslos ist. Ich brauche Hoffnung, um die Motivation zu haben, um zu kämpfen.«
»Nichts ist jemals hoffnungslos.« Ich legte den Kopf schief, als meine Lippen über ihren schwebten. »Sag mir, Luna mea«, schnurrte ich. »Für was kämpfst du?«
›willst du damit sagen, dass du mich magst?‹, fragte sie gedanklich und schmunzelte kurz. Auch, als sie meine eigentliche Frage beantwortete, hielt das Schmunzeln an, nur wankte es etwas. »Für meine Eltern.«
»Warum?«, wollte ich wissen und legte nun auch meine andere Hand an ihren Rücken. Ich trieb uns beide mit kleinen, aber selbstsicheren Schritten an den Rand meines Schreibtisches. Meine Lippen immer knapp über ihren. »Was ist mit deinen Eltern?«
»Ist das nicht unwichtig für dich?«, fragte sie und ihre Stimme wurde schmeichelnder. Violetts Finger wanderten über meinen Oberkörper und legten sich auf meine Brust.
»Ich hätte nicht gefragt, wenn es das wäre.« Ihr stimme lullte mich etwas ein, doch ich ließ mich nicht beirren. Ich wusste, dass sie mich wegen etwas anlog, das bezüglich ihrer Eltern eine Rolle spielte, und ich wollte wissen was. »Sprich mit mir. Sag mir, was deine Eltern damit zu tun haben, das du hier bist und ich beantworte dir die Frage, was du mir bedeutest.«
Ich hatte den Verstand verloren! Ich war müde, meine Kraftreserve am Ende und statt zu schlafen, saß ich hier im Büro und trieb meine Spiele mit Luna mea.
Die Kleine starrte mich lange einfach an und ich sah ihr deutlich an, dass sie mit sich haderte. Ihre Miene war leicht zu lesen. Mehrmals öffnete Violett ihre Lippen und schloss diese dann wieder. Letztlich begann sie aber zu reden.
»Ich möchte es dir sagen«, setzte sie an und ihr Herz begann unregelmäßig zu schlagen. »Aber zuvor möchte ich wissen, ob ich dir wichtig bin. Denn erst dann, kann ich dich um Hilfe bitten.«
Hilfe?
Mit ernstem Ausdruck sah der Mensch mir entgegen. In ihren Augen schimmerte Verzweiflung und zudem ein kleiner Funke Hoffnung.
Ich entfernte mich von ihren Lippen, blieb jedoch dicht bei ihr stehen, sodass ich sie noch immer zwischen mir und meinem Schreibtisch eingekeilt war. Nun war ich es, der nachdachte. Dem man wohl ansah, dass ich gründlich überlegen musste, wie ich meine Worte zu einem Satz formte, der sowohl die Wahrheit aussagte, als auch das Wichtigste für sich behielt.
»Ich bin nicht in dich verliebt, Violett«, fing ich an und blickte in dieses flüssige Gold. ›noch nicht‹
»Aber der Gedanke, dass dir etwas zustößt, oder dich jemand verletzt, gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht«, erklärte ich ruhig. »Ich will dich beschützen. Ich möchte nicht, dass dich jemand anders anfasst. Und wenn du bei mir bist und deinem König wie immer sture und freche Antworten gibst, könnte ich dich an die nächste Wand werfen und so lange küssen, bis dir die Luft für jedes weiter Wort ausgeht. Also, ich bin nicht verliebt, aber ich befürchte, du bist mir wichtig genug es auszusprechen. Und um ehrlich zu sein, denke ich auch, dass mein Herz in diesem Spiel, so geht es denn noch weiter, tatsächlich in Gefahr sein könnte.«
»Wichtig genug, aber nicht verliebt«, wiederholte sie. Den Kopf gesenkt, sah Violett zwischen uns auf den Boden. »Verstehe.« Ihre Hände waren ineinander verschränkt und sie nestelte nervös an ihren Finger herum. »Also bin ich dir wichtig genug, dass du mir helfen wirst? Ich werde trotzdem den Vertrag erfüllen und die 5 Jahre bei dir bleiben.«
Ich betrachtete sie und wie so oft, hob ich meine Finger unter ihr Kinn und zwang sie, mich anzusehen. »Das kann ich nicht. Aber ich kann dir versichern, dass es einen wirklich triftigen Grund bräuchte, dich gehen zu lassen.«
Wir starrten einander an, ehe sie meinte: »Ich weiß nicht ... ich muss von dir die Bestätigung haben, dass du mir helfen wirst. Wenn du es zum Schluss nur weißt und nichts gegen tust, dann wirst du mich einfach nur rausschmeißen und ich habe nichts gewonnen.«
Nun neigte ich irritiert den Kopf. Was war hier los?
Ich nahm einen, nein, zwei Schritte Abstand und kreuzte die Arme vor der Brust. Meine Neugier war ein echtes Problem, denn ich sagte: »Gut, ich helfe dir, bei deinem Problem. Soweit ich es kann und soweit es meine Gesetzte zulassen. Mehr kann ich dir aber ohne Informationen nicht entgegenkommen.«
Der Funke Hoffnung in ihrem Blick trat noch stärker hervor und sie nickte.
»Okay«, flüsterte sie und sah sich in meinem Büro um, um Zeit zu schinden. Dann sah sie mich an. »Ich bin nicht hier, wegen des Geldes für meine Eltern. Sondern-«, Ihr Herz begann, noch viel schneller zu schlagen sie wirkte plötzlich nervös und verzweifelt. »Mein Stadthalter, Gerrit, hat meine Eltern gefangen genommen. Als ich deswegen zu ihm bin, um sie zu befreien, machte er mir ein Angebot. Wenn ich mit zum König komme und seine Blutsklavin werde, dann würde er meine Eltern frei lassen. Deswegen bin ich hier. Es war zu keinem Moment freiwillig. Ich habe das alles nur für meine Eltern getan.«
Violett ging mehrere Schritte auf mich zu und nahm meine Hand. »Deshalb bitte ich dich, lass meine Eltern frei und ... und ich bleib bei dir. Länger als 5 Jahre, wenn du es willst. Ich werde dir gehören, bis du mich nicht mehr an deiner Seite haben willst, bis du mich leid bist. Und das komplett freiwillig«, flehte Luna mea und versuchte, mutig zu wirken. Auch, wenn sie am ganzen Leib zitterte.
Es war zu keinem Moment freiwillig.
Ich habe alles für meine Eltern getan.
Lass meine Eltern frei und ich bleibe bei dir.
Länger als fünf Jahre.
Ich werde dir gehören.
Ich.
Werde.
Dir.
Gehören.
Ich spürte, wie der rotschwarze Rauch an meinen Füßen emporkroch und um meine Beine schlängelte. Seine kühle Präsenz kitzelte an meinen Beinen und wanderte hinauf, bis ich es wie dunklen Zungen an meinem Hals und der Wange lecken spürte.
Ich verschwand in den Schatten, nur um keine Sekunde später wieder aufzutauchen und einen völlig benommenen Gerrit in mein Büro zu schubsen und zuzusehen, wie er gegen den Schreibtisch knallte und alle meine Sachen durch den Raum flogen.
Der Vampir, den ich aus seinem Bett gezerrt hatte, blinzelte, benommen, ehe er begriff, wen er vor sich hatte. »M-m-mein König?«
Ich knurrte dunkel. »Du hast mir versichert, das Mädchen sei aus freien Stücken hier.«
»W-was?«, stammelte er und sah von mir zu einer geschockt dreinblickenden, nur halb bekleideten Violett.
Wieder knurrte ich. »IST SIE AUS FREIEN STÜCKEN HIER?«
Gerrit schüttelte den Kopf, sagte aber: »N-natürlich ist sie das, mein Herr.«
Als Violett sich wieder fasste, verzog sie das Gesicht. »Du lügst! Du sagtest, ich solle mitkommen zum König, weil ich seinem Typ entspräche und er eine Schwäche für Außergewöhnliches hätte. Du sagtest, du würdest meine Eltern dann freilassen«, fuhr sie ihren Stadthalter an.
Der Vampir knurrte und richtete sich auf. »Red keinen Unsinn, du verlogenes Miststück. Einem Menschen wie dir kann man nicht glauben. Du bist Vieh. Nahrung. Mehr nicht. Du kamst zu mir und hast dich angeboten! Du wolltest doch nur die Beine für den König breitmachen, kleine Hure.«
Ich erstarrte und meine Schatten färbten sich fast gänzlich rot und im Raum breitete sich der Duft von Feuer und Asche aus. Als meine Macht vorpreschte und ich Gerrit mit einem widerlichen Knacken seinen Arm an vier Stellen brach, schrie er auf. »Sie IST freiwillig hier! Das Weib lügt!«
Erneut knackte ein Knochen. Diesmal im Bein. »Hast du ihre Eltern gefangen genommen und sie gezwungen, zu mir zu kommen? Im Austausch für deren Freiheit?«
»Nein!«
Knack.
»Was haben sie getan?«
Geritt wimmerte leise. »Ich habe sie nicht, Vlad!«
Knack. Knack.
Violett zuckte bei jedem Geräusch zusammen.
»Nein! Hört auf! Ich ... okay. Sie waren bei mir«, gestand er und sah zu mir. Im Blick nichts als Hass. Ich hatte mich keinen Millimeter bewegt und starrte ihn mit eisiger Ruhe an. »Sie haben gegen die Regel verstoßen und versucht, über die Mauer abzuhauen. Es war mein gutes Recht, sie gefangen zu nehmen und zu bestrafen.«
Mein Mond blieb furchtlos neben mir stehen und sagte: »Was?! Das stimmt nicht. Meine Eltern würden nie gegen die Regeln verstoßen.« Die Hände zu Fäusten geballt, zitterte sie mittlerweile wie Espenlaub. »Du hast mir versichert, dass ihnen nichts passieren wird, wenn ich mitkomme. Und doch hast du sie bestraft?«
Gerrit öffnet den Mund, doch ich brachte ihn zum Schweigen, indem ich meine Macht in seinen Mund zwängte.
Violett mochte es nicht aufgefallen sein, mir allerdings schon. Sie waren bei ihm, nicht sind. »Du wirst sie mir geben«, forderte ich und hoffte, dass ich mich irrte.
Meine Macht verschwand nach einer langen Zeit und Gerrit sog gierig Luft in seine Lunge. Statt von ihm abzulassen, schlang der nun gänzlich rote Nebel sich in einer dicken Zunge um seinen Hals. Ich drückte leicht zu und Gerrits Körper bebte nun, wie Violetts auch. Er wusste, was kommen würde.
Trotzdem raunte er heißer: »I- ich habe sie n-nicht mehr!« Gerrit drehte langsam den Kopf und sah Violett an. Und da wusste ich es. Er brauchte es nicht aussprechen, ich wusste es. Gerrit, dem wohl klar wurde, wie er enden würde, sagte: »Sie waren bereits tot, als du an dem Tag zu mir kamst, um ihr Leben zu betteln. Ich habe mir ihr Blut genommen, ihnen dann das Genick gebrochen und ihre Leichen über die Mauer geworfen. Dort wollten sie doch hin, nicht wahr? Hinter die Mauer. Nun, ich denke, ich habe ihnen ihren Wunsch erfüllt und-«
Sein Kopf rollte auf dem Boden und ich drehte Violett um, sodass sie nicht mit ansehen musste, wie geschockte tote Augen an die Decke starrten. Meine Macht zog sich zurück und ein metallischer Geruch mischte sich mit dem von heißem Feuer.
Ich sollte wütend auf Violett sein. Immerhin war der Vertrag mit ihr null und nichtig und ich hatte das recht sie nach meinem Belieben für diese Lüge zu bestrafen, aber alles, was ich denken konnte, war, dass dieser Mensch gerade das verloren hatte, für das er zu kämpfen bereit gewesen war.
Sie hatte das verloren, für das sie mit einer Lüge ihr eigenes Leben riskiert hatte und im besten Fall fünf Jahre an mich gebunden gewesen wäre.
Scheiße.
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