Kapitel 10. Alexandru

Die Fahrt verlief wortlos. Wahrscheinlich, weil ich auf mein Handy schaute.

› Blutschlampe ‹

› verräterische Hure ‹

Bla, bla. Das Übliche, mit dem sich ein Blutsklave eben herumschlagen musste. Ich sah Violett an. Ob sie wegen der dummen Kommentare so schlecht gelaunt war? Es musste so sein, denn ich behandelte sie eigentlich ganz gut. Für meine Verhältnisse. Na ja, abgesehen von dem Spielchen, sie für mich zu gewinnen.
Aber es hat Spaß gemacht. Das hatte es auch mit der letzten Blutsklavin Danielle und dem hübschen Blonden davor. Und mit Asterin und Sam auch. Wobei ich für Sam tatsächlich so etwas wie Gefühle entwickelt hatte.

Aber Violett faszinierte mich in jeder Hinsicht viel mehr als alle meine bisherigen Menschen oder Beziehungen.

Ihr Aussehen war zu besonders und ihre Augen wie flüssiges Gold in diesem sonst so hellen Geschöpf. Wäre sie ein Vampir, wäre sie wohl auch unter uns eine außergewöhnliche Schönheit. Als Mensch war sie es schon. Und ihr frecher Mund reizte mich von Tag zu Tag mehr. Ich betrachtete ihren Körper und leckte mir über die Lippen. Dieses Kleid war höllisch und verbarg nichts. Ihre schlanke Figur war sichtbar und jeder konnte sehen, wie viele Kilos sie noch brauchte. Aber sie war erst seit knapp vier Wochen hier, also gab ich ihr noch etwas Zeit, nach meinen Vorstellungen zuzunehmen.

Mein.

Wieder schoss mir dieses eine Wort durch den Kopf und nistete sich ein.

Meins.

Mein Blick fiel wieder aus dem Fenster und ich seufzte. Ich würde heute viel erklären müssen. Unter anderem Violette, die Rebellenangriffe und meine daraus folgenden Reaktion. Und dass Asterin auch dabei sein würde, sowie die Affäre, Sam, für die ich sie vor siebzehn Jahren verlassen hatte, vereinfachte es nicht.

Mal sehen, wie aufregend der Abend werden, und ob es einer der beiden wagen würde, mich anzusprechen.

»Du wirst dort mit niemandem sprechen, es sei denn, ich erlaube es dir. Außer mit den anderen Blutsklaven.«

»Das war mir klar. Als ob ich freiwillig mit einem dieser Monster reden wollte«, antwortete sie wunderbar bissig und zupfte an ihren Ketten, um verzweifelt jedes noch so kleine Stück Haut zu verbergen. Vergeblich.

»Die Lederschellen mit den Nieten stehen dir gut«, komplimentierte ich sie, ohne auf ihre Worte einzugehen. Ich hatte sie hier im Auto gegen die aus Glas getauscht, um für etwas Abwechslung zu sorgen. Und ja, das Leder und die kleinen Stacheln daran bildeten einen starken, aber verführerischen Kontrast.

Nur ihre Augen bewegten sich, als sie mich ansah. »Ich finde sie hässlich«, provozierte Luna mea offensichtlich absichtlich. Seufzend hob sie den Kopf, schob ihr weißgraues Haar beiseite und sah aus dem Fenster.

»Und ich fände sie schöner, wenn du nur sie am Körper trägst«, entgegnete ich, und als die Limousine zum Stehen kam, ließ ich mir die Tür aufhalten und strich mir die Haare zurück. Sofort ging das Blitzlichtgewitter los und als ich Violett meine Hand entgegenstreckte, ertönten Schreie. »Sei also froh, dass ich das nicht als Outfit in Betracht gezogen habe, Mensch.«

»König Vlad! Schaut her!«

»Auf ein Wort!«

»Mein Herr! Ein Foto bitte!«

Mit geröteten Wangen und gerötetem Dekolleté nahm sie meine Hand und stieg erstaunlich elegant aus. Im Licht der Kameras kniff Violett leicht die Augen zusammen. »Du bist abscheulich«, flüsterte sie so leise, dass nur ich es hören konnte.

Ich achtete nicht darauf, aber meine Mundwinkel zuckten. Ich kam genau drei Schritte weit, bevor es mir zu viel wurde und ich genervt mit Violett in den Schatten trat, um direkt auf der Treppe des Hotels wieder aufzutauchen, das für die Party gebucht worden war.

»Ich hasse diesen Scheiß«, murmelte ich und ließ ihre Hand los. »Bleib hinter mir. Immer. Es sei denn, ich sage etwas anderes.«

Mein Mensch zitterte, weil ihm ein eisiger Schauer über den Körper lief, als die Schatten verschwanden. »Jetzt wundere ich mich aber. Dafür, dass du es ziemlich genießt, dass ich dich angeblich anhimmele«, erwiderte sie wieder zynisch und die Röte verblasste langsam, während sie kurz darauf nickte. »Ich bin an deiner Seite wahrscheinlich am sichersten in diesem modernen Höllenloch.«

Ich lachte. »Und ich dachte, du wärst zu mir gekommen, um aus dem Höllenloch M23 herauszukommen.«

Ich ging mit ihr weiter und ignorierte souverän alle Blicke der Vampire, die hier schon herumstanden. Mein Outfit war ganz in Schwarz gehalten, nur das enge Hemd unter dem Blazer war genauso türkis wie meine Augen. »Ich genieße den Hype nur bedingt. Manchmal geht er mir auch auf die Nerven. Ich bin auch nur ein Vampir.«

»Mhm«, machte sie nur und folgte mir. Als sie einige intensive Blicke bemerkte und ihr klar wurde, dass diese auf ihre nackte Haut gerichtet waren, rückte sie näher an mich heran. Dabei erwiderte sie jeden Blick und zeigte keine Angst.
Eine mutige kleine Maus inmitten böser Katzen.

Ich sah sie von der Seite an. »Vorsicht, Menschenmädchen, wenn du einen Vampir zu lange ansiehst, könnte er das als Einladung verstehen.« Ich blieb abrupt vor dem Aufzug stehen und packte sie. Ich wirbelte sie herum und nun stand sie vor mir. Ihr Handgelenk hebend, küsste ich ihre Finger. »Ich wollte dich heute nicht teilen, Luna mea.«

Ihr Herzschlag setzte einmal aus und schlug dann doppelt so schnell. »Ich will auch nicht geteilt werden«, erwiderte sie verlegen und sah auf die Stelle, wo meine Lippen sie berührten.

Mein Blick blieb an ihr hängen, und als der Aufzug sich öffnete, stieß ich sie rückwärts hinein. »Dein Herzschlag sagt viel über dich aus, Violett. Wusstest du das?«

»Ich weiß nicht, was du meinst«, antwortete sie und sah mir in die Augen. »Warum? Was gefällt dir an mir?«

Ich lächelte und ließ ihre Hand los. »Dass du dich mir so hartnäckig verweigerst. Na ja, oder es zumindest versuchst. Denn ich kann dein Herz lesen, Mensch. Es schlägt in meiner Gegenwart schneller. Es hat bei noch keinem Blutsklaven so viel Spaß gemacht, seine Meinung über mich zu ändern. Sei es zum Guten oder zum Schlechten.«

Ich hob meine Hand wieder und ließ meine Finger über das Kettenkleid wandern, genau dorthin, wo das Organ des Menschen schlug. Es raste und wurde noch schneller, als ich sie berührte. Ja, ich würde sie erobern. Die Frage war nur, wann?

Sie wich zurück, um meiner Berührung zu entgehen. »Kann meine Meinung von dir noch negativer werden? Ich glaube nicht. Ich wünsche dir viel Erfolg bei deinem anderen Vorhaben. Aber mehr als eine Blutsklavin werde ich nie sein.« Ihr Blick war überraschend ernst und direkt, doch das schüchterte mich nicht ein.

»Ich liebe«, ich drückte sie näher an die Wand des großen, in schummriges Licht getauchten Aufzugs, »eine gute Herausforderung.« Ich stand dicht vor ihr und blickte, wie es meine Art war, von oben auf sie herab, das Kinn gereckt. »Aber sag mal, kleines Menschlein, was lässt dich so schlecht von mir denken?«

Violett ließ sich nicht einschüchtern und sah mir stur in die Augen. »Du bist ein Vampir. Der Gefährlichste von allen. Unter deiner Herrschaft werden wir wie Vieh eingesperrt und benutzt. Menschenleben sind dir egal. Und eines Tages werde ich dir auch egal sein. Deshalb schütze ich mich selbst, indem ich dich als meinen Feind betrachte.« Sie hob den Kopf, um mir zu zeigen, dass sie keine Angst hatte.

Ich rührte mich nicht, sondern sagte leise und tief: »Aber ihr seid Vieh, Luna mea. Nahrung. Warum sollten wir euch anders behandeln?«, fragte ich. »Habt ihr vor Jahrhunderten euer Vieh, eure Rinder, Schweine und Hühner besser behandelt? Habt ihr sie nicht in Ställe gepfercht, die kaum groß genug zum Überleben waren? Habt ihr sie nicht mit Steroiden und Medikamenten gefüttert, damit sie schnell wachsen und schnell geschlachtet werden können, damit ihr alle Fleisch auf dem Teller habt?« Mein Blick verfinsterte sich. »Ich denke, was meine Vorfahren aufgebaut haben, nachdem wir uns endlich unseren Platz in der Welt erkämpft hatten, und was ich fortführe, ist viel mehr, als ihr diesen Wesen zugestanden habt.«

»Ich lebte damals noch nicht. Ich habe nichts verbrochen und doch ... Nein, vergiss es«, stoppte Violett und wandte sich ab. Sie ging in die Ecke des Aufzugs, drehte mir den Rücken zu und starrte die Wand an.

»Ah«, sagte ich lächelnd. »Die alte Ausrede, das war alles vor meiner Zeit. Weißt du, was ich glaube? Ihr seid schlechte Verlierer und nicht daran gewöhnt, nicht an der Spitze der Nahrungskette zu stehen. Und das, obwohl Ihr wirklich genug Zeit hattet, euch an euer Schicksal zu gewöhnen.«

»Halt die Klappe«, knurrte sie nur und versteifte sich.

»Schlechte Verlierer, wie ich schon sagte.« Die Tür glitt auf, und bevor ich hinausrannte, wiederholte ich: »Egal, was du hörst oder siehst, sei ruhig.«

Violett atmete tief ein und aus, bevor sie mir folgte. Sie antwortete nicht auf die Aufforderung, blieb aber dicht hinter mir.

Wir betraten die große Halle und den Ort des Geschehens, und sofort richteten sich alle Augen auf mich. Auf den König.

Meine Miene blieb gelangweilt und ich schlenderte erhobenen Hauptes und mit kühlem Gesichtsausdruck durch den Raum, der für Veranstaltungen gebucht werden konnte und dunkel und modern eingerichtet war. Stehtische mit Kristallkrügen voller Blut, edlen Snacks und Wein standen herum, und Vampire der höchsten Ränge blickten auf und unterbrachen die leisen Gespräche, die von der dezent gewählten, aber modernen Musik untermalt wurden.

Einige der hohen Tiere der Stadt machten Anstalten, sich mir zu nähern, doch ein kleiner Impuls meiner Macht und ein kurzer Blick genügten, und sie hielten inne. Wer mich kannte, wusste, dass ich bei jeder Veranstaltung erst einmal ankommen wollte, bevor man mich belästigte - womit auch immer. Vor allem, wenn es sich nur um eine sinnlose Zusammenkunft von bekannten Vampiren handelte, die ›feierten‹, dass wir waren, was wir waren. Reich, erhaben und praktisch unsterblich.

Ich sah Violett nicht an, aber ich spürte, wie angespannt sie war. Vor allem immer dann, wenn ihr Blick zu den Blutsklaven im Raum wanderte, die entweder bei ihren Herren standen oder in der rechten Ecke zusammengepfercht waren. Leblos und bereit, geholt zu werden, um ihr Blut zu spenden.

Ich grinste, als ich mich auf das Sofa eines offenen Separees gleiten ließ, das offensichtlich das luxuriöseste und größte war, das ich je gesehen hatte. Mein Blick wanderte bereits zu meiner Schwester und Vic, die mit einer weiteren Frau und einem halb nackten, recht ansehnlichen Mann auf uns zukamen.

Mein Blick ruhte auf ihnen, als ich fragte: »Soll ich dich lieber zu den Menschen schicken? Oder willst du bei mir bleiben?«

Luna mea stellte sich hinter das Sofa neben mich. »Ich möchte vorerst bei dir bleiben.«
Sie war mutig, das musste man ihr lassen. Selbst als Mihaela unter dem strengen Blick der Vampirin an ihre Seite schwebte und Violett umarmte, blieb mein Mensch erstaunlich ruhig. Nach außen hin. Aber jeder konnte hören, wie schnell ihr Herz schlug. Was fast wie eine Einladung klang. Ich seufzte.

»Hey Violett! Wie geht es dir?«, fragte meine Schwester ruhig, doch ich sah derzeit zu der Frau auf, die in dem engen Cocktailkleid sehr elegant aussah.

»Danke, mir geht es soweit gut und dir hoffentlich auch, Mihaela«, antwortete sie ruhig.

Ich nickte Victor zu, der Violett derweil vielsagend zunickte und seinen Blick ziemlich unbeteiligt über ihren Körper gleiten ließ, wenn man bedachte, wie freizügig und sexy meine Blutsklavin gekleidet war. Dieser Trottel war Mihaela einfach von den Zehen bis zu den Haarspitzen verfallen.

»Mutter«, begrüßte ich die Frau vor mir und blickte in dieselben Augen wie ich. »Du hier?«

Sie starrte mich an. »Nun, nachdem deine und die jüngsten Taten wieder einmal für Aufsehen unter unseresgleichen gesorgt haben, dachte ich, ich sehe mal nach meinem geliebten Sohn.«

Ich lächelte und hob auffordernd die Hand in Violetts Richtung. »Meine Taten? Ich weiß nicht, was du meinst.«

Sofort setzte sich die pfiffige Kleine in Bewegung, beugte sich vor und streckte mir ihren Arm entgegen. Dabei wanderte ihr Blick zu meiner Mutter. Sie schaute ihr in die Augen, bevor sie sich wieder mir zuwandte. »Mein Herr.«

Ich griff nach ihrem Handgelenk und löste die Schelle nicht, stattdessen biss ich wahllos in ihren Oberarm und trank einen tiefen Schluck.
Mutter beobachtete uns. »Das ist sie also? Die, über die die ganze Welt redet? Die Vampire, wie das Vieh.«

»Na ja, die ganze Welt wäre etwas übertrieben, oder?«

Sie bleckte die Zähne. »Die feine Gesellschaft schon, mein Junge. Aber dir war es schon immer egal, was die Leute von Rang und Namen denken, oder? In der Hinsicht bist du ganz anders als dein Vater.«

Ich leckte Violett über die Wunde. »Das stimmt. Setz dich, Mutter. Trink, iss und lass uns reden. Schließlich habe ich nicht mit dir und deinem eigenen Blutbeutel gerechnet.«

Mihaela seufzte. »Wie langweilig.« Sie zog an Violetts Arm, den ich immer noch festhielt. »Komm, ich möchte dir jemanden vorstellen. Victor hat mir auch einen Blutsklaven geschenkt! Ist das nicht toll?« Mein Blick wanderte zu meiner Schwester und ihrem Liebhaber. »Jetzt bist du nicht mehr der einzige Mensch im Haus des Grafen Langweilig! Komm!«

Ich sah Victor an, der hingebungsvoll den Kopf schüttelte. »Ich kann ihr einfach nichts abschlagen und der Mann hat sich angeboten. Was soll ich tun?«

Mich fragen, dachte ich, nickte aber. »Ich überlasse es meiner Blutsklavin, ob sie mit Eurem Spielzeug sprechen will oder nicht.«

»Eine Blutsklavin ... ... geschenkt?«, wiederholte mein Mensch Mihaelas Worte fragend und sah dabei nicht gerade glücklich aus. Dennoch nickte sie. »Ich würde ihn gerne kennenlernen.«

Meine Mutter kniff die Augen zusammen. »Warum spricht sie ohne Erlaubnis?«

Ich seufzte theatralisch. »Mein Mensch weiß, mit wem sie sprechen darf und mit wem nicht.« Ich log, denn ich hatte ihr gesagt, sie solle den Mund halten. Aber anscheinend war Michaelas Aura der Unbekümmertheit in ihrer Gegenwart so groß, dass sie vergaß, dass meine kleine verrückte Schwester auch ein Vampir war.

Eine Prinzessin.

»Ich würde meine Zeit verschwenden, wenn ich jedes Mal mein Wort an sie richten und meine Zustimmung geben müsste. Oder Mutter? Ich bin einfach pragmatisch.«

Sie schwieg und sah mich lange an, bevor sie das Thema wechselte. »Lass uns über deine neue Entscheidung sprechen, Vlad. Ich möchte wissen, was du dir dabei gedacht hast. Die Menschenstädte sind in Aufruhr.«

Ich nickte nur und wandte mich an Violett und Victor. »Bleibt in ihrer Nähe oder dort, wo sich die Menschen niedergelassen haben. Verstanden?«

Violett sah mir in die Augen und presste die Lippen zusammen, bevor sie leise antwortete: »Ja, mein Herr.« Luna mea beugte sich noch weiter zu mir hinunter und flüsterte mir ins Ohr, sodass nur ich es hören konnte. »Es tut mir leid, ich habe es vergessen.«

Meine Mutter schnappte zischend nach Luft und wollte Violette für ihre Unverschämtheit bestrafen, so nah an mich heranzutreten, doch ich griff selbst nach ihren Haaren und zog leicht daran, um meine Lippen ebenfalls an ihr Ohr zu bringen. Amüsiert und doch kühl blickte ich jeden Vampir an, der sich für die Unverfrorenheit meiner Blutsklavin interessierte. »Du bist unverbesserlich, Luna mea. Ich könnte mir vorstellen, dass es dir genauso viel Spaß macht, Aufsehen zu erregen, wie mir.« Ich zog sie hoch und ließ sie etwas unsanfter als nötig los, sodass sie in die Arme meiner Schwester taumelte. »Und jetzt, verschwinde.«

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