Kapitel 9
Noch während ich das Tor passierte, überlegte Ich, was ich mit dem restlichen Tag anfangen sollte. Zunächst glitten meine Gedanken zu der Bibliothek, die ich besuchen könnte. Doch nur wenig später wurde mir die Entscheidung von selbst abgenommen.
Suha stieß zu mir und ich erschrak mich dabei so sehr, dass mein Herz regelrecht raste. Ich war so in Gedanken versunken gewesen, dass ich nicht bemerkt hatte, wie sie sich mir genähert hatte. Die Ältere fing an zu lachen und auch ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen.
"Endlich kriege ich dich zu Gesicht, ich suche dich schon die ganze Zeit", eröffnete sie mir und ich musste schmunzeln. "Ich habe Hilichurl Camps für die nächste Prüfung gesucht und schon mal ein wenig die Umgebung ausgekundschaftet", erklärte ich ihr und dieses Mal bogen sich ihre Mundwinkel nach oben. "Sowas in die Richtung dachte ich mir schon. Du bist echt gerne vorbereitet, oder?", fragte Sie und sah mich von der Seite an, während wir zu der Pension liefen, bei der ich untergebracht war.
Ich nickte. "Nun ja, es verschafft mir einen enormen taktischen Vorteil, wenn ich die Umgebung kenne und mich anschleichen kann. Das Überraschungsmoment kann über den Ausgang eines Kampfes entscheiden. Und dadurch, dass ich nicht allzu gut im Kämpfen bin, steigert dieses Vorgehen meine Chancen, heil einen Kampf zu überstehen." Ich hob meinen Kopf und grinste sie an, während ich die Treppe zu meinem Zimmer mit ihr hinauf ging.
"Ich glaube, wir können noch viel voneinander lernen", gab die Orangehaarige mir ihre Gedanken preis und lächelte mich aufrichtig an. Ein freudiges Glitzern war in ihre Augen getreten.
Während ich die Tür zu meinem Zimmer aufschloss überlegte ich, was sie groß von mir lernen wollte. Sie hatte wahrscheinlich alles mögliche jahrelang trainiert und ich lag weit hinter ihr zurück. Abgesehen davon hatte sie auch noch viel mehr Kampferfahrung als ich. Aber jeder hatte seine Stärken und Schwächen. Es war ein Fakt, dass ich sehr viel von ihr lernen konnte, aber genau so war es umgekehrt auch eine Möglichkeit, dass ich in manchen Dingen besser als sie war, denn jeder hatte seine bestimmten Bereiche, die er beherrschte.
Während ich meinen nassen Mantel auszog und über einen Stuhl hing, setzte Suha sich auf mein Bett und sah mich an. "Hast du heute Abend schon was vor?", fragte sie mich und ich musste lachen. "Es regnet und abgesehen von dir, habe ich mich noch mit niemandem hier angefreundet. Also, was könnte ich schon vorhaben?", stellte ich die rhetorische Frage und Suhas Gesicht hellte sich direkt auf. Ihre sowieso schon starke Ausstrahlung, schien noch ein wenig blendender zu werden. Ob sie wusste, wie sie auf andere Menschen wirkte?
"Dann trifft es sich ja gut, dass ich dich heute Abend in eine Taverne mitnehmen möchte!", sagte sie zufrieden und ich musste schon wieder schmunzeln. Ihre Art verlieh mir gute Laune. Ohne dass ich ein Wort sagte, redete sie direkt weiter. "Da das Wetter so schlecht ist, hat sich unter den Abenteurern die Idee ausgebreitet, dass alle eine Taverne besuchen könnten, um sich gegenseitig kennenzulernen und Kontakte zu knüpfen. Ich habe es so am Rande mitgekriegt und dachte, es wäre eine gute Idee, um noch weitere Teampartner zu finden. Es ist vermutlich egal in welche Taverne wir gehen, es werden heute Abend alle gut besucht sein", überlegte sie und ich nickte zustimmend.
Die Ältere hatte absolut recht. Es war eine gute Möglichkeit um neue, potenzielle Teammitglieder zu finden, aber auch um herauszufinden, von wem man sich möglichst fernhalten sollte. Abgesehen davon hätte ich mich wahrscheinlich sowieso nur gelangweilt, wenn ich alleine hier in dem Zimmer gesessen hätte, also sprach nichts dagegen, wenn ich mit Suha in eine Taverne gehen würde.
"Also gut, ich bin dabei", stimmte ich zu und Suha lächelte mich an. "Ich warte gegen Neunzehn Uhr unten auf dich", erklärte sie mir, während sie sich erhob. Ich nickte zustimmend und Suha winkte mir zum Abschied kurz zu, bevor sie schließlich mein Zimmer verließ.
Sobald ich alleine war, schälte ich mich aus den nassen Klamotten und suchte mir ein Handtuch. Als ich dann wieder trockene Kleidung trug, fühlte ich mich direkt besser.
Die freie Zeit, bis Suha mich abholen würde, vertrieb ich mir damit, einige Dinge nachzulesen und in meinem Hirn abzuspeichern. Das eine oder andere könnte mir später bei den Prüfungen hilfreich sein.
Die Stunden bis zum Abend vergingen schneller als gedacht und als es dann endlich so weit war, ging ich die Treppen nach unten und öffnete die Tür, nur um festzustellen, dass Suha bereits auf mich wartete. Sie lächelte mich an und begrüßte mich. Genau wie ich, trug sie dünne Klamotten, in denen man nicht allzu sehr schwitzen würde. Sie hatte sich einen dünnen, orangen Mantel um die Schultern geworfen, der die perfekte Ergänzung zu ihren hellorangen Haaren bildete und der sie vor dem Regen schützte, der mittlerweile zu einem Nieselregen zurückgegangen war.
Ich kam nicht umhin sie zu fragen, ob Orange ihre Lieblingsfarbe war. Sie musste Lachen. "Ich habe keine Lieblingsfarbe, aber ich mag Orange sehr gerne. Was ein Glück, dass meine Haare Orange sind", scherzte sie und ich musste schmunzeln.
Wir setzten uns in Bewegung und wie bereits erwartet, erzählte Suha direkt weiter. "Du kannst die Taverne auswählen, in die wir gehen, aber ich würde die Engelsgabe bevorzugen", gab sie von sich. "Dann gehen wir zur Engelsgabe", legte ich kurzerhand fest. Ich mochte die Taverne, fühlte mich dort wohl.
Den kurzen Weg bis zur Engelsgabe legten wir schweigend zurück, aber in den Gassen Mondstadt Citys war einiges los, weshalb es nicht besonders still war. Als wir die Tür der Engelsgabe öffneten, schlug uns eine große Welle an Geräuschen entgegen. Der Lärmpegel in dem Gebäude war höher als sonst. Schon beim betreten stellte ich fest, dass die Taverne sehr voll war. Im Gegensatz zu sonst, ertönte schnelle Feiermusik von Musikanten, die in einer Ecke standen.
Die Angestellten hatten weitere Tische und Stühle in den Raum gestellt, damit alle genug Platz hatten. Dennoch wirkte es dadurch enger und voller als sonst. Wir hatten Mühe, noch freie Plätze zu finden. Nach kurzem Umsehen entdeckten wir in einer Ecke an einem Tisch jedoch Kalin, der uns zu sich winkte.
Ich seufzte in mich hinein, als Suha auf ihn zuging und ich ihr etwas widerwillig folgte. Kaum hatten wir den Tisch erreicht, grinste Kalin mich überheblich an. "Prinzessin!", sagte er laut, was aber dennoch zur Hälfte in den Geräuschen um uns herum unterging. Ich setzte mich und sah ihn finster an. Ich mochte es nicht, wenn er mich so nannte. Und noch weniger mochte ich, dass ich jedes Mal auf seine Worte reagierte.
Suha fing sofort an, sich mit ein paar anderen am Tisch zu unterhalten. Ich hätte mich gern eingeklinkt, aber Kalin hinderte mich daran. "Sicher, dass du alt genug bist, um hier zu sein?", fragte er mich, verschränkte die Arme hinterm Kopf und lehnte sich zurück, während er mich arrogant angrinste. Selbst im Sitzen überragte er mich um einiges.
"Ja, bin ich", versuchte ich ihm in einem neutralen Ton klar zu machen, konnte aber dennoch die leichte Gereiztheit nicht aus meiner Stimme streichen.
Kalin lachte kurz. "Du bist nicht mal groß genug, dein Schwert richtig zu halten. Das was ich da letztens gesehen habe, kann man nicht kämpfen nennen", gab er überzeugt von sich und ich war mir sicher, dass er jedes Wort ernst meinte. Ich schnaubte nur und verdrehte die Augen. Ich wusste, dass er recht hatte und ich wirklich nicht gut im Kämpfen war, aber das würde ich ihm nicht auch noch bestätigen.
"Weißt du", fing er an und beugte sich so weit zu mir, bis wir auf einer Augenhöhe waren. "Vielleicht überlässt du das Kämpfen das nächste Mal mir", sagte er grinsend und ich sah ihn böse an. "Nur damit du den ganzen Ruhm einheimsen kannst? Sicher nicht", antwortete ich und stand auf, um zur Theke zu gehen. Ich fragte Suha, ob sie auch etwas haben wollte und sie bejahte. Sie erhob sich ebenfalls, um sich in der Taverne umzusehen und ein paar Leute anzusprechen, während ich Getränke bestellte.
Ich blieb direkt an der Theke, setzte mich dort auf einen der Stühle und trank meinen Cocktail. Kalin hatte mich erneut auf die Palme gebracht und ich war sauer. Nicht auf ihn, sondern auf mich, dass ich erneut darauf angesprungen war. Das war genau das, was er wollte und ich war jedes Mal dumm genug, ihm genau das zu geben.
Aus Frust heraus hatte ich mein Getränk schneller ausgetrunken, als ich beabsichtigt hatte. Ohne lange zu überlegen, bestellte ich ein Zweites, natürlich alkoholfrei. Sobald es fertig war, nahm ich Suhas Drink in die eine und meinen in die andere Hand, rutschte vom Hocker und setzte mich in Bewegung.
Doch ehe ich mich's versah, rammte ich mit jemandem zusammen und hatte die Hälfte der Getränke auf meinem Oberteil. Als ich meinen Blick leicht hob bemerkte ich, dass ich nicht die Einzige war, die nun versaute Kleider am Leib trug.
"Tut mir leid, ich habe nicht darauf geachtet, wo ich hinlaufe", gab ich von mir, doch entgegen meiner Erwartungen, hörte ich ein leises Lachen. "Ich doch genau so wenig." Verwirrt blinzelte ich. Die Stimme hatte ich doch schon mal gehört. Ich hob meinen Blick noch weiter an, nur um an eisblauen Augen hängenzubleiben. Ich schluckte und sein Blick fesselte mich. Als ich es schließlich schaffte, meine Augen von dem Mann loszureißen, dem ich am Fluss begegnet war, räusperte ich mich.
Ich wollte gerade etwas sagen, als ich feststellte, dass es um uns herum deutlich leiser als zuvor war. Vor allem die Mädchen hatten ihre Blicke zu uns gewandt. Doch ihre Augen hingen nicht an mir, sondern an dem Aschblonden Mann vor mir.
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Ich habe vor ein paar Tagen die Geschichte fertig geschrieben und ich kann euch sagen, es kommt Großes auf euch zu. Wenn ihr nur wüsstet, was euch erwartet... :D Valor ist von der Kapitelanzahl her deutlich länger geworden als Orphic und auch die Kapitel in sich sind umfangreicher. Ihr könnt euch also auf viel Lesestoff freuen.
Ansonsten wünsche ich euch heute einen wundervollen letzten Tag in diesem Jahr und einen guten Rutsch ins nächste Jahr! Rutscht nicht zu weit, wir sehen uns in 2023 :)
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Nochmal zur Aufklärung:
Hier in dieser Geschichte ist immer die Rede von Mondstadt City. Der Grund dafür ist, dass sowohl die Region als auch die Hauptstadt Mondstadt heißen und namentlich in der Hinsicht nicht unterschieden werden können.
Um jedoch differenzieren zu können, von welchem Mondstadt gesprochen wird, wird die Hauptstadt als Mondstadt City bzw. City of Mondstadt deklariert. Dies wurde als solches nicht von mir erfunden, sondern existiert in der Form tatsächlich, ich habe es mir nur zunutze gemacht.
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