Kapitel 8
Der Aschblonde hatte sich erhoben und bewegte sich nun mit schweren Schritten aus dem Wasser und ich tat es ihm gleich. Als ich dann neben ihm stand fiel mir auf, dass er gar nicht so viel größer war als ich, höchstens fünf Zentimeter. Das machte es mir einfacher, ihm ins Gesicht zu schauen. Ich musste mir nicht den Hals verrecken, wie es der Fall war, wenn ich Kalin ins Gesicht schauen wollte.
Ich wandte meinen Blick von ihm ab und nahm stattdessen meine Kleidung in Augenschein. Ich war komplett durchweicht und auch der Mantel, den ich genutzt hatte, um mich vor dem Regen zu schützen, war klitschnass und konnte somit seinen Zweck nicht mehr erfüllen.
"Ich schätze, den brauchst du dann nicht mehr", sagte der Kerl und ich schüttelte langsam den Kopf. "Zum Glück ist es, trotz des Regens, ziemlich warm. Frieren sollten wir also nicht", überlegte ich laut und nun nickte der Aschblonde. Seine Haarspitzen wippten dabei ganz leicht.
Ich seufzte und versuchte meine Kleidung ein wenig von meiner Haut zu lösen, da das Gefühl der nassen Kleidung, die an meiner Haut klebte, nicht besonders angenehm war. Es fühlte sich schwer und wie eine zweite Haut an. Doch meine Bemühungen brachten nicht viel. Als ich dann meinen Kopf wieder hob, bemerkte ich, dass der Kerl mich nachdenklich ansah.
"Wir haben jetzt bestimmt alle Fische vertrieben", gab er zu bedenken und ich seufzte.
"Ja, vermutlich. Ich suche mir auf meinem Rückweg einfach irgendwelche Beeren", sagte ich und sah mich nachdenklich in der Gegend um. Durch den Regen und den dunklen Himmel konnte man nicht besonders weit sehen. Die Beeren würden mich zwar nicht sättigen, aber sie würden meinen Hunger ein wenig zurückdrängen.
"Oder wir essen den Fisch, den ich gefangen habe", sagte er und lächelte mich aufmunternd an. Sofort wurde ich hellhörig. Augenblicklich wurde mir das Loch in meinem Bauch wieder bewusst, was sich durch den Hunger gebildet hatte. Ich musste unbedingt etwas essen.
Der Aschblonde drehte sich herum und bedeutete mir mit einer Handbewegung ihm zu folgen, bevor er los lief. Sofort setzte ich mich in Bewegung. Wir liefen das Gewässer aufwärts und näherten uns mehr der Mündung, in der der Fluss ins Meer überging. Irgendwann bewegte er sich wieder aufs Wasser zu, während ich in sicherer Entfernung stehen geblieben war.
Erst jetzt fiel mir auf, dass am Ufer eine Falle aufgespannt war, in die die Fische herein schwimmen konnten, aber anscheinend nicht wieder heraus. Er griff an den Strick und zog die Falle aus dem Wasser, die ein wenig wie ein kleiner Torpedo aussah und in der sich vier Fische befanden. Die Fische zappelten hektisch. Gekonnt griff er in die Falle und zog den ersten Fisch heraus. Seine Hände hatten sich fest um das sich windende Tier geschlungen und ehe ich mich versah, hatte er den Fisch mit dem Kopf auf den nächstbesten Stein geschlagen und der Fisch hatte aufgehört zu zappeln.
Bei dem Anblick wurde mir ein wenig schlecht und ich drehte mich weg, damit ich das Szenario bei den nächsten drei Fischen nicht auch noch betrachten musste. Als er fertig war. kam er zu mir. Er hatte die Fische an eine Art Strick an der Flosse zusammen gebunden, sodass er sie leicht tragen konnte.
"Komm, nicht weit von hier ist ein verlassenes Hilichurl Camp. Da gibt es eine überdachte Feuerstelle", sagte er und ich musste erneut wie automatisch lächeln. "Den Hilichurls sei Dank", scherzte ich und er grinste mich von der Seite an.
Während wir nebeneinander her durch den Regen liefen, sagte keiner etwas, wir waren beide in unsere eigenen Gedanken versunken. Als wir dann bei dem Camp ankamen, suchten wir augenblicklich Schutz unter der kleinen Überdachung. Es war eng, aber ausreichend. Dort, wo ich saß, lagen ein paar trockene Stöcke rum, die man als Feuerholz verwenden konnte. Ich machte den Aschblonden darauf aufmerksam und er nickte nur.
Im Handumdrehen hatte er ein Feuer entfacht und drei der Fische auf einen Stock gespießt, den er über dem Feuer anbrachte. Ich konnte nicht anders, als zu staunen, wie geschickt er dabei vorging. "Der vierte ist für meine Schwester", sagte er erklärend, während ich in die kleinen Flammen starrte. Ich musste leicht lächeln. "Ich habe nicht gefragt", sagte ich stattdessen und sah zu dem Aschblonden neben mir, der sich leicht verlegen räusperte.
"Ich weiß, aber es war so still", erwiderte er und ich schüttelte grinsend den Kopf.
Der Aschblonde erhob sich aus der Hocke und richtete sich auf. Er trat aus der Überdachung hervor um sich hinzustellen und sich zu strecken.
"Du hast also eine Schwester", gab ich von mir und griff somit auf das vorher Gesagte zurück, denn er hatte recht, es war so still, wenn keiner etwas sagte.
Der Aschblonde nickte langsam und sah mich durch den Regen hinweg an. "Sie ist nicht wirklich meine Schwester. Also ich meine, wir sind nicht blutverwandt, aber sie ist für mich wie eine Schwester. Sie ist zehn und wirklich süß. Sie hat eine kleine zerstörerische Ader, aber das macht sie nicht weniger liebenswürdig", erzählte er und hatte dabei ein liebevolles Lächeln auf den Lippen.
Ich nickte, als Zeichen dafür, dass ich ihm zuhörte. "Sie mag Fisch", ergänzte er noch. "Ich bin heute nur wegen ihr hier. Weil sie unbedingt frischen Fisch essen wollte. Ich meinte zu ihr, dass wir auch in einer Gaststätte Fisch essen könnten, doch sie wollte unbedingt frischen Fisch, gefangen von mir höchstpersönlich", erzählte er und sein Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. Ich konnte nicht anders, als ebenfalls zu schmunzeln.
"Klingt, als wäre sie wirklich süß", sagte ich und der Kerl nickte.
"Vielleicht läufst du ihr irgendwann mal in Mondstadt City über den Weg, dort hält sie sich oft auf", überlegte er und ich nickte. "Ja, vielleicht."
"Wohnst du in Mondstadt City?", fragte er mich plötzlich und sah mich interessiert an. Langsam schüttelte ich den Kopf. "Nein, aber momentan bin ich in einem Gasthaus in Mondstadt City untergebracht", erklärte ich und schlang meine Arme um meine angezogenen Beine. Mein Blick glitt einmal mehr in die orangen Flammen und allmählich verbreitete sich der Duft von gebackenem Fisch in der Luft.
"Du nimmst an den Abenteurerprüfungen teil, oder?", fragte er mich und erneut war sein Blick äußerst nachdenklich. Noch immer stand er im Regen und machte keinerlei anstalten, sich unter die Überdachung zu setzen. Der Regen schien ihn absolut nicht zu stören.
"Sieht man mir das so sehr an?", fragte ich stattdessen und seine Mundwinkel zuckten leicht. "Ein wenig vielleicht. Deine Augen haben so ein entschlossenes Glitzern. Aber nein, das ist es nicht. Es war nur eine logische Schlussfolgerung. Warum solltest du sonst ausgerechnet zu dieser Zeit in einem Gasthaus in Mondstadt City übernachten? Alle vernünftigen Menschen meiden sowas in Zeit der Prüfungen, einfach weil Mondstadt City zu dieser Zeit des Jahres viel zu voll und vor allem viel zu überteuert ist. Abgesehen davon scheinst du das passende Alter zu haben", erklärte er, während er den Fisch über dem Feuer drehte.
"Und wie alt schätzt du mich?", fragte ich herausfordernd. Wenn er mich schon auf ein bestimmtes Alter schätzte, dann wollte ich wenigsten Wissen, ob er richtig schätzte.
"Siebzehn oder achtzehn vielleicht. Du bist jedenfalls nicht älter als ich", gab er überlegend von sich. "Wie alt bist du?", fragte ich stattdessen und hob meinen Blick. Auch er blickte zu mir herunter und fing meinen Blick auf. Das blau in seinen Augen fesselte mich und er hielt meinen Blick ein paar Sekunden lang fest. Erst danach antwortete er auf meine Frage.
"Achtzehn", sagte er schließlich leise und räusperte sich danach, bevor er schließlich seinen Blick von mir löste. Erneut nickte ich. "Dann sind wir gleichaltrig, schätze ich", warf ich ein und richtete meinen Blick wieder aufs Feuer.
Danach blieb es still zwischen uns. Auch als der Fisch fertig war und wir ihn aßen, sagte keiner ein Wort. Erst als ich fertig war und aufstand, räusperte ich mich. Der Aschblonde hatte sich zum essen neben mich gesetzt gehabt, weshalb ich nun zu ihm herunter blickte, geradewegs in seine eisblauen Augen.
"Danke für den Fisch und tut mir leid nochmal, dass ich dich ins Wasser gezogen haben", gab ich aufrichtig von mir. Die Mundwinkel des Gleichaltrigen zuckten leicht.
"Vergeben und vergessen", sagte er und ich musste erneut wie automatisch lächeln. Ich konnte nicht anders, als ihm nochmal in seine Augen zu schauen, die mich wie magisch anzogen.
Dann hob ich meinen Arm und winkte ihm leicht zum Abschied zu. Daraufhin wandte ich mich um, um durch den Regen zurück nach Mondstadt City zu laufen.
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Meine lieben Leser, ich habe ein Weihnachtsgeschenk für euch: Ich werde jetzt anfangen, regelmäßig Kapitel hochzuladen, da die Geschichte mittlerweile so gut wie fertig geschrieben ist. Das Warten hat für euch also ein Ende! :D
Ansonsten wünsche ich euch heute frohe Weihnachten und ein besinnliches und magisches Fest. Genießt die Zeit mit eurer Familie und zeigt ihnen, was sie euch bedeuten <3
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