Kapitel 43
Am darauffolgenden Tag spürte ich die Anstrengungen von dem Kampf in der Sphäre noch immer. Doch ich hatte nicht die Zeit, mich ordentlich auszuruhen. Ich tankte Kraft in der Nacht und gönnte mir einen tiefen Schlaf, doch bereits am nächsten Morgen stand ich wieder auf meiner üblichen Trainingswiese und und hielt mein Schwert wieder in meinen Händen. An der einen Hand trug ich nun einen Verband, da mich der Gefrierbrand dort verletzt hatte. Der Verband erschwerte es mir, mein Schwert sicher in meiner Hand zu halten, was für mich nur eigentlich ein Vorwand mehr war, um zu trainieren.
In letzter Zeit hatte ich immer öfter Gefallen am Kampf und am Training gefunden. Und ich ertappte mich jedes Mal dabei, wie ich besser und besser werden wollte. Das Training machte Spaß, besonders wenn Chiyo mit mir trainierte, so wie an diesem Morgen. Das Mädchen war definitiv mein liebster Trainingspartner.
Die Jüngere trug heute einen sonnengelben Cheongsam, der ihr strahlendes Lächeln nur noch ein wenig mehr hervor hob. Trotz dessen, dass die Morgen bereits kälter waren, war ihr Cheongsam noch immer ein kurzes Kleidchen. "Was trägst du dann eigentlich im Winter?", fragte ich spontan, rein aus Interesse heraus und die Jüngere lachte ein wunderschönes Lachen, wobei ihre Space Buns auf dem Kopf leicht wippten. "Es gibt auch lange Cheongsams, die man im Winter trägt. Genau solche habe ich dann an. Cheongsams sind einfach das Beste, was man tragen kann", erklärte sie mir und ich konnte nicht anders als ein wenig zu schmunzeln. Noch immer fragte ich mich, wie sie in den eng geschnittenen Kleidern überhaupt flüssig kämpfen konnte. Aber vermutlich hatte sie schon immer in Cheongsams trainiert, was also nicht wirklich einen Unterschied machen würde.
Chiyo lächelte mich noch kurz an, bevor sie ihr Schwert fester packte. Ich wusste, dass sie mich wieder aus heiterem Himmel angreifen würde, wie sie es immer tat, doch dieses Mal würde ich ihr zuvor kommen. Ich hob mein Schwert und griff sie zuerst an. Sie schaute mir kurz überrascht entgegen, doch während sie mit Leichtigkeit auswich, fing sie wieder an zu lächeln. "Du wirst immer besser", sagte sie stolz. Kaum hatte sie das gesagt, war sie dran mit angreifen und dann tanzten wir mit unserem Gegner.
Von all den Kampfstilen, die meine Freunde mir beibrachten, war der von Chiyo mein liebster, auch wenn er der mit Abstand schwerste Kampfstil war.
Nachdem Chiyo und ich eine Weile gegeneinander gekämpft hatten, machten wir außer Atem Pause. "Du meisterst allmählich die Techniken von der Handhabung her, nur an der Geschwindigkeit müssen wir noch arbeiten", gab sie von sich und ihre Euphorie schwappte auf mich über. Chiyo hatte etwas an sich, was mir immer gute Laune bereitete. Sie war immer optimistisch, was mich darin bestärkte, an mich selbst zu glauben. Die Jüngere war in jeder Hinsicht eine Bereicherung.
Die Kriegerin sah mich nach einem Moment des Schweigens nachdenklich an und ich fragte: "Was ist?"
Sie legte ihren Kopf leicht schief und antwortete: "Wenn wir mit den Prüfungen durch sind, dann lass uns für dich ein Schwert anfertigen. Eins, das genauso leicht ist, wie meines." Erneut konnte ich nicht anders, als zu lächeln. Chiyo war in der Zeit, die wir zusammen verbracht hatten, wie zu einer kleinen Schwester für mich geworden. Ich hatte sie ins Herz geschlossen und sie war eine wunderbare Lehrerin im Schwertkampf.
"Aber jetzt mal was anderes", sagte sie grinsend. "Du magst Albedo, oder?", fragte sie mit strahlendem Gesicht und ich musste kurz auflachen. "Ist es so offensichtlich?", fragte ich und sie dachte kurz nach. "Nein, eigentlich nicht. Bei dir zumindest nicht so sehr. Aber Albedo schaut dich manchmal an, als wärst du ein vom Himmel herabgestiegener Engel", beschrieb sie die Situation und ich musste wieder schmunzeln. "Ja, ich mag ihn. Aber ich will mich erst nach den Prüfungen diesem Aspekt widmen und ich denke er will das auch", erklärte ich und Chiyo nickte verstehend. "Pass nur auf, dass deine Chance nicht verstreicht", sagte sie nur noch, bevor wir wieder in einen Kampf versanken, in denen unsere Schwerter aneinander klirrten.
Wir kämpften eine ganze Weile und trotz dessen, dass es wirklich anstrengend war, hatte ich Spaß daran. Gegen Mittag ließen wir das Training allerdings sein, denn bereits am Abend stand die nächste Prüfung an und wir würden wieder in Domains kämpfen.
Dieses Mal kämpften wir zu zweit, nicht mehr alleine. Und zu meiner großen Überraschung war mein Partner für diese Prüfung Kalin. Als ich vor das Tor der Sphäre trat, lag, wie bereits so oft, ein kleines spöttisches Lächeln auf seinen Lippen. "Prinzessin!", rief er und schaute auf mich herab. "Eigentlich würde ich lieber gegen dich kämpfen, als mit dir", sagte er, doch dieses Mal musste ich sogar ein wenig schmunzeln. Der Tag war einfach zu schön, um mich von ihm ärgern zu lassen. "Tja, weißt du Kalin, man kann nicht alles haben", sagte ich und dieses Mal war er derjenige der Grinsen musste. "Ja, da hast du recht."
Nachdem er seine Worte ausgesprochen hatte, betraten wir die Sphäre, stiegen schweigend nebeneinanderher die Treppenstufen hinab nur um dann erneut wieder auf einer riesigen Plattform zu stehen. Kalin ging zielstrebig auf den lila rot schimmernden Schlüssel in der Mitte zu und legte bereitwillig seine Hand auf die schimmernde Oberfläche. Ich folgte ihm etwas langsamer und legte dann ebenfalls meine Handfläche auf den Schüssel. Augenblicklich zerfiel dieser unter unserer Hand und die Prüfung hatte damit begonnen.
Zuerst passierte gar nichts. Doch dann drehten wir uns um und erblickten unseren Gegner. Es war nur ein Einziger, doch er sah gefährlich aus. Ich hatte ihn noch nie gesehen. Er war sehr groß, seine Kleidung war schwarz und blau und eine riesige, spitze, unförmige Maske verbarg sein Gesicht vollständig. Kalin hingegen schien genau zu wissen, wer uns gegenüberstand.
"Das ist ein Abyss Herald. Sehr schwer zu besiegen, vor allem wenn man nicht gerade das passende Element hat", erklärte er und trat ein paar Schritte zurück, vermutlich um sich zu überlegen, wie er dieses große Monster am besten angreifen sollte. Kalins Warnung bereitete mir ein wenig Unbehagen. Würde ich im Stande sein, dieses Monster zu besiegen?
"Hier ist der Plan", fing er an und ich sah zu dem Schneeweißhaarigen hinüber. "Ich werde ihn mit meinem Gewitter gefangen nehmen. Das Gewitter wird ihm Schaden zufügen. Der Abyss Herald kämpft mit Hydro und meine Blitze werden ihn unter Strom setzen. Allerdings gibt es ein kleines Problem. Mir tun meine eigenen Blitze nichts an, aber du könntest von ihnen getroffen werden. Du musst also genau aufpassen, dass sie dich nicht erwischen, während du den Abyss Herald angreifst."
Ungläubig sah ich zu Kalin hoch. "Das ist nicht dein Ernst, oder? Das ist eine furchtbare Idee", sagte ich. Kalin blickte zu mir herunter und grinste. "Ich habe einen Überschuss an furchtbaren Ideen, irgendwann muss ich sie ja los werden." Mit diesen Worten rannte er los und auf den Abyss Herold zu, ohne dass ich noch etwas dazu sagen konnte. Er fing an, um ihn herum einen Kreis zu rennen. Währenddessen machte er irgendwelche Bewegungen mit seinen Händen, die ich nicht ganz deuten konnte, nur um dann in die Hände zu klatschen. Ein lautes Donnergrollen rollte durch die Sphäre und dann befanden sich über Kalin und dem Abyss Herold, in einem Kreis von circa vier Metern Durchmesser, dicke graue Gewitterwolken, aus denen gefährlich lila Blitze zuckten. Einer davon traf den Abyss Herald, während er Kalin angreifen wollte und setzte ihn so unter Strom, dass er deutlich langsamer in seinen Bewegungen wurde. Da sah ich meine Chance gekommen.
Ich rannte los, um den Abyss Herald mit meinem Schwert in einer fließenden Bewegung anzugreifen, während ich außerdem einen von Kalins Blitzen auswich. Während ich mein Schwert über den Arm des Monsters zog, fiel mir auf, dass ich Kalin noch nicht mit seinem göttlichen Auge hatte kämpfen sehen. Vermutlich war er beim Kampf nicht einmal darauf angewiesen, weil er auch so schon ein herausragender Krieger war. Seine elementare Kraft war auf jeden Fall sehr beeindruckend. Die Blitze trafen zielsicher den Abyss Herald und nur einigen Abkömmlingen musste ich ausweichen. Es war nicht so schwer, wie ich gedachte hatte. Also zumindest den elektrisierenden Schlägen auszuweichen. Den Abyss Herald anzugreifen und tatsächlich Schaden zuzufügen war jedoch eine deutliche Herausforderung. Er schien unglaublich stark zu sein.
Kalin und ich bewegten uns um ihn herum, griffen ihn mit unseren Schwertern an und wichen seinen kraftvollen Gegenangriffen aus. Er war zwar durch die Blitze gelähmt und deutlich langsamer, aber seine Angriffe waren dennoch immer noch genau so tödlich.
Wir kämpften und kämpften, doch durch die dicken Klamotten, die der Abyss Herald trug, war es kein leichtes, überhaupt erstmal zu seiner Haut vorzudringen. Kalin traf ihn deutlich öfter als ich, weil er schneller war, doch auch er wurde langsamer. "Wir müssen ihn mit einem kraftvollen letzten Schlag besiegen, sonst kommen wir nicht gegen ihn an", sagte er, als er leicht außer Atem neben mich getreten war. "Du lenkst ihn ab, ich ramme ihm mein Schwert in den Körper", erklärte er einfach heraus. Einfacher Plan. Ich hinterfragte seine Idee nicht, sondern versuchte sie stattdessen bestmöglich umzusetzen. Kalin hatte Recht, wir mussten das hier endlich beenden.
Ich atmete tief durch, um meine Kräfte zu sammeln, fasste mein Schwert mit beiden Händen, spürte die beruhigende Kälte in dem Metall und dann rannte ich ein letztes Mal auf den Abyss Herald zu. Ich griff ihn in hoher Geschwindigkeit leicht von der Seite an, verschaffte ihm nur einen kleinen Kratzer. Doch darum ging es. Ich wollte ihn nicht ernsthaft verletzen, sondern ablenken und so schaffte ich es. Ich führte das eine Weile durch, bis ich durch Zufall Kalin hinter dem Abyss Herald entdeckte. Er formte in seiner Handfläche gerade einen lila Blitz, den er dann auf sein Schwert übertrug. Danach war seine Waffe von kleinen zuckenden lila Blitzen umgeben und stand unter Strom. Dann rannte Kalin auf den Abyss Herald zu, tat einen kräftigen Sprung und rammte das blitzende Schwert in den Rücken des Abyss Herolds, schob es erbarmungslos immer weiter, bis die Spitze vorne auf der Brust des Monsters wieder austrat.
Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis es zu Partikeln zerfiel.
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Hier ist nun auch das zweite Kapitel für heute :)
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